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Solidarisch. Je mehr Menschen geimpft sind, desto schwerer können sich Infektionskrankheiten ausbreiten.
© imago/argum

Kolumne: Der Kinderdok: Warum Impfgegner unsozial handeln

Impfungen sind eine gesellschaftliche Aufgabe. Kinder mit Immundefekten sind auf den Schutz durch die Gemeinschaft angewiesen.

Auch in diesem Jahr wird es wieder Meldungen geben über die Impfmüdigkeit der Deutschen, dass wir im internationalen Vergleich so schwach dastehen, dass bereits Länder, die wir als unterentwickelt betrachten, uns in Sachen Impfprävention den Rang ablaufen.

Eltern möchten ihren Nachwuchs so gesund wie möglich großziehen, sie vermeiden Schadstoffe im Essen, schnallen ihre Kinder im Auto an, verwenden naturbelassene Pflege- und Waschmittel. Das ist ihre Aufgabe: Ihre Kinder vor allen Gefahren des Lebens zu beschützen. Aber kann es sein, dass wir müde geworden sind, auf die infektiologischen Gefahren Rücksicht zu nehmen, weil wir sie nicht mehr bewusst wahrnehmen?

Der Rückgang von Windpocken, Masern, Diphtherie oder Keuchhusten wird auf verbesserte Hygiene oder Fehlschlüsse von Gesundheitsstatistiken zurückgeführt. Dabei sind sie vor allem das Ergebnis moderner Medizin.

Impfgegner zu sein, sei eine Art Religion

Es wird gesagt, Impfgegnern könne man nicht mit vernünftigen oder wissenschaftlichen Argumenten begegnen. Impfgegner zu sein, sei eine Art Religion, eine Weltanschauung, geboren aus dem Wunsch nach Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die anders ist, die nicht dem Konformismus folgt. In einer Welt, die überbordet an Regeln, Gesetzen und Leitlinien, möchte die einzelne Familie den höchsteigenen Weg gehen. Impfgegner wollen ihre Kinder genauso schützen wie andere Eltern, jedoch nicht vor den Gefahren der tatsächlichen Krankheiten, sondern vor den vermeintlichen Bedrohungen der Pharmaindustrie.

Dabei geht es gar nicht darum, blind jedem neuen medizinischen Trend zu folgen, sondern um Vertrauen. In der Ständigen Impfkommission (STIKO), die in Deutschland alljährlich Empfehlungen herausgibt, sitzen Menschen, die sich auf hochwissenschaftlicher Ebene mit der Abwägung von Nutzen und Schaden auseinandersetzen. Sie empfehlen neue Impfungen (beispielsweise auch für Jungen gegen das Humane Papillomvirus), sie zögern (wie bei der Meningokokken-B-Impfung) und sie widerrufen Empfehlungen (zuletzt beim nasalen Grippeimpfstoff oder der wiederholten Pneumokokken-Impfung).

Ja, wir Ärzte impfen auch unsere eigenen Kinder

Wir Kinderärzte vermitteln diese Leitlinien in der Praxis, hier braucht es ebenfalls Vertrauen in unser Fachwissen. Eine Frage beantworten wir immer gern: Ja, wir impfen auch unsere eigenen Kinder nach diesen Empfehlungen. Weil wir uns als Anwälte aller Kinder sehen, verstehen wir Impfungen als soziale Aufgabe. Je mehr Menschen geimpft sind, desto weniger zirkulieren die krankmachenden Erreger, desto geringer sind epidemische Verläufe.

Insbesondere, da es Kinder gibt, die nicht geimpft werden können: weil sie Immundefekte haben, ob angeboren oder nach Krebstherapien entstanden. Sie bedürfen des Schutzes durch die Gemeinschaft, des Herdenschutzes. Auch sie haben ein Recht, Kitas und Schulen zu besuchen. Impfgegner können frei entscheiden, Eltern kranker Kinder jedoch nicht. Sie sind auf die medizinische Solidarität ihrer Miteltern angewiesen.

Unser Kolumnist betreibt eine Praxis in Süddeutschland, bloggt unter kinderdok.blog und schreibt alle vier Wochen an dieser Stelle.

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