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Majestätisch. Bäume im Umpqua National Forest.
© imago/Mint Images

Oregon: Waldwärts: Auf Bigfoots Spuren

Im Nordwesten der USA gibt es dichte Wildnis und jede Menge Exzentriker. Das perfekte Habitat für Begegnungen mit Sasquatch. Jetzt auch als Podcast.

Joe Beelart steht in 1800 Meter Höhe auf dem Mount Hood, nicht weit entfernt von der US-Metropole Portland. Sein Blick geht Richtung Süden, auf Wälder und die Gipfel am Horizont. „Schauen Sie sich dieses durchgehende Grün da unten an! Keine Städte, fast nur Wildnis – optimale Bedingungen“, sagt er. „Wir gehen davon aus, dass dort 30 bis 35 Kreaturen leben.“

Beelart ist 70. Als junger Mann war er bei den Marines, danach hat er jahrzehntelang mit Pumpen in der Industrie gearbeitet. Ein bodenständiger Typ. Trotzdem ist er davon überzeugt, dass sich in den dichten Wäldern seiner Heimat seltsame Wesen verborgen halten: Bigfoots.

Er ist nicht der Einzige. In Oregon befindet sich mit Portland nicht nur die Welthauptstadt der Hipster, der Bundesstaat ist auch bekannt für seine Exzentriker. Gemeinsam mit den angrenzenden Staaten Kalifornien und Washington gehört er zu den Orten, an denen das nordamerikanische Pendant zum Yeti am häufigsten gesichtet wurde.

Bigfoot ist eine Ikone wie Michael Jordan

Von einer menschenähnlichen, groß gewachsenen Spezies, behaart wie ein Affe, berichteten schon die amerikanischen Ureinwohner, sie tauften sie Sasquatch („haariger Riese“). Der Name Bigfoot („großer Fuß“) kam Ende des 19. Jahrhunderts auf. Bis heute ist die Beweislage, vorsichtig ausgedrückt, eher dürftig. Es gibt Augenzeugenberichte, notorisch schlechte Fotos und vermeintliche Fußabdrücke auf weichen Böden.

Mysteriös. Joe Beelart will Bigfoot gesehen haben, seine Frau Sharon ist „Agnostikerin“.
Mysteriös. Joe Beelart will Bigfoot gesehen haben, seine Frau Sharon ist „Agnostikerin“.
© Björn Rosen

Dennoch haben Geschichten über das Wesen Eingang in Bücher, Filme und Musik gefunden. Bigfoot sei eine „Ikone wie Michael Jordan“, schreibt ein Anthropologe, der sich mit dem Phänomen beschäftigt hat. In Portland bieten Buchläden neben Pilzführern und Vogelkundebüchern einen „Sasquatch Field Guide“ an, eine handliche, wasserabweisende Broschüre, die bei der Bestimmung in freier Wildbahn helfen soll. Es gibt Postkarten, auf denen „Oregon Bigfoot Country“ steht, man kann Tassen, Thermoskannen oder Notizbücher mit dem Bigfoot-Konterfei kaufen und „Fußabdrücke“ aus Schokolade und Erdnussbutter.

Joe Beelart behauptet, seinem ersten Bigfoot Anfang der 90er Jahre begegnet zu sein. Nach einem Weihnachtsessen sah er eine Kreatur aus dem Unterholz huschen. Das Thema ließ ihn nie wieder los, er hat sogar ein Buch veröffentlicht. Es heißt „The Oregon Bigfoot Highway“. Gemeint ist eine Straße, die in dem unberührten Gebiet unweit des Mount Hood liegt. Dort deuten angeblich besonders viele Indizien auf die Waldwesen hin. Das Buch versammelt „31 Sichtungen, 43 Spuren und 69 Vorfälle, die mit Bigfoot in Zusammenhang stehen“.

Man kann sie mit Obst anlocken

Beelarts Frau Sharon ist „Agnostikerin“, wie sie selber sagt. Regelmäßig geht das Paar mit befreundeten Bigfootern, darunter Ingenieure und ein pensionierter Lehrer, campen, und regelmäßig passieren ihnen die seltsamsten Dinge, zumal nach Einbruch der Dunkelheit. Wie neulich, da hätten sie alle um zwei Uhr nachts unterschiedliche Geräusche gehört, erzählt Sharon Beelart. „Irgendetwas machte sich an unserer Kühlbox zu schaffen. Bang, bang, bang, und nach einer Pause wieder bang, bang, bang.“

Der Bunker-Hill-Campingplatz.
Der Bunker-Hill-Campingplatz.
© Björn Rosen

Etwa 200 Stunden im Wald liegen zwischen zwei Hinweisen auf Bigfoot, will Joe Beelart aus Erfahrung wissen. Ein wenig nachhelfen könne man schon. „Bigfoots sind neugierig.“ Es sei gut, auf sich aufmerksam zu machen. Außerdem ließen sich die Wesen mit Obst anlocken.

Zwei Tage später, im Umpqua National Forest. Das Gebiet ist mehr als vier Mal so groß wie Berlin. Es liegt in einem Teil des Kaskadengebirges im Süden Oregons. Den ganzen Tag kann man hier wandern, ohne einen Menschen zu Gesicht zu bekommen. Etwa 25 Kilometer ging es an diesem Tag auf dem „Windigo Pass Trail“ langsam bergab, durch Wälder mit mächtigen Douglasien, Gelb-Kiefern, Hemlocktannen, entlang von Bächen und Sümpfen – bis zum Bunker-Hill-Campingplatz, direkt an einem See gelegen.

"Wenn ein Puma kommt, bist du sofort tot"

Guide Rusty (auf dem Bild links) erklärt den Wanderweg.
Guide Rusty (auf dem Bild links) erklärt den Wanderweg.
© Björn Rosen

Ob Joe Beelarts Tipp auch mit einer Bananenschale funktioniert? Mehr an Obst hat Guide Rusty leider nicht dabei. Wird eben die vors Zelt gelegt. „Du gehst also auf Bigfoot-Jagd heute Nacht?“ Rusty lacht. Er zerbricht Zweige und wirft sie ins Lagerfeuer, das knistert und leuchtet, während es drum herum dunkel wird.

Rusty, Oregonian in der fünften Generation und stolzer Besitzer eines alten Toyota Pick-up-Trucks, stammt ganz aus der Nähe und hat seine Hilfe als Ortskundiger angeboten. Sonst gibt er vor allem Kurse im Fliegenfischen, für Besucher wie für traumatisierte Veteranen. Der North Umpqua River ist ein beliebtes Revier dafür, seine Umgebung das touristische Zentrum der Gegend. Rusty war selbst Soldat, hat im Irak gekämpft und danach noch einige Zeit in Deutschland für die US-Armee gearbeitet. Auf Ex-Präsident Bush ist er nicht gut zu sprechen, und was die Existenz von Bigfoots angeht, hat er eine ähnlich eindeutige Meinung. Er rückt sein Baseballcap zurecht und lächelt süffisant: „Nimm dich lieber vor den Bären in Acht, die mögen deine Bananenschale vielleicht. Wenn ein Puma kommt, musst du dir aber keine Gedanken machen. Dann bist du eh sofort tot.“

Im Umpqua-Wald gibt es Hunderte Tierarten, die meisten davon harmlos. Hirsche, Füchse, Fledermäuse, Eulen. „Meine erste Regel: Schaltet eure Telefone komplett aus, solange ihr hier seid“, sagt Rusty. „Nur dann könnt ihr die Natur wirklich wahrnehmen.“ Andererseits hat man sowieso kaum Empfang. Die Gegend ist zwar nicht so wild, wie es auf den ersten Blick scheint; von der Forstwirtschaft wurde stellenweise viel abgeholzt und neu gepflanzt. Aber Massentourismus gibt es noch keinen. Scheue Waldwesen würde sich hier zweifellos wohlfühlen.

Flora, Fauna und der Nachthimmel

Dann kommt die Nacht. Zunächst klopft nur Regen gegen die Zeltwände. In den frühen Morgenstunden gibt es draußen plötzlich verdächtige Geräusche. Ein Puma? Oder doch einer von Joe Beelarts „barfüßigen Freunden“? Als weiteren Tipp hatte Beelart beschrieben, wie man die Laute von Bären und Bigfoots unterscheiden könne: „Dauert das Brüllen länger als zehn Sekunden und variiert es in der Höhe, ist es wahrscheinlich ein Bigfoot.“ Doch es raschelt nur kurz, und der Moment ist auch schon wieder vorbei.

Der Verdacht liegt nahe, dass man bloß oft genug in Oregons einsame, majestätische Wälder fahren muss – und mit ein bisschen Fantasie stellen sich die mysteriösen Phänomene von ganz allein ein.

Beelart ist kein Missionar, über Bigfoot spricht er nur, wenn man danach fragt, „das ist so wie mit Politik oder Religion“. Lieber redet er darüber, wie Eiszeiten die Landschaft geformt haben und welche Wälder im Sommer Bränden zum Opfer gefallen sind. Das Beste an der Sasquatch-Suche seien „Flora, Fauna, Schmetterlinge, der Nachthimmel“, sagt er.

Die Suche ist vorbei

Am zweiten Tag im Umpqua-Wald gibt es noch mal eine Wanderung von 25 Kilometern. „Dread and Terror“ heißt der Weg, ein Teil des „North Umpqua Trail“. Der Name, übersetzt: Furcht und Schrecken, täuscht. Tatsächlich ist der Pfad noch schöner als der am Tag zuvor, er führt direkt am Fluss entlang, auf verschatteten Wegen unter Laub- und Nadelbäumen, über Moos, an Farnen und Wasserfällen vorbei. Und dieses Mal gibt es sogar eine menschliche Begegnung in Gestalt eines Mountainbikers.

Eine vermeintliche Aufnahme von Bigfoot aus dem Jahr 1967, vermutlich handelt es sich um einen Mann im Gorillakostüm.
Eine vermeintliche Aufnahme von Bigfoot aus dem Jahr 1967, vermutlich handelt es sich um einen Mann im Gorillakostüm.
© mauritius images

Ganz am Ende geht es einen steilen Hang hinauf. Hier entspringt eine heiße Quelle. Leute hocken in unterschiedlich warmen Wasserlöchern und blicken auf die bewaldeten Hänge auf der anderen Flussseite. Eintritt und Umkleiden gibt es nicht, die Klamotten lässt man irgendwo am Rand liegen. Offensichtlich war die Wanderung eine Zeitreise, zurück in die 70er Jahre. In der Luft wabert der Geruch von Gras, und ein Mann, der nur mit einer Gitarre bekleidet ist, spielt Songs.

Im Becken mit dem wärmsten Wasser sitzt ein junges Pärchen aus Austin, Texas, das gerade nach Oregon gezogen ist. Die Frau deutet auf ihren stark behaarten Verlobten, der selbst in der heißen Quelle seine Wollmütze aufbehalten hat. „Deine Suche ist vorbei“, sagt sie. „Du hast Bigfoot gefunden.“

Reisetipps für Oregon

Hinkommen

Mit Condor direkt von Frankfurt nach Portland, ab etwa 700 Euro hin und zurück.

Unterkommen

„Steamboat Inn“ bietet schöne Unterkünfte direkt am North Umpqua (ab 200 Dollar): thesteamboatinn.com

Rumkommen

Guide Rusty kann für Hilfe vor Ort und Kurse im Fliegenfischen gebucht werden: sourceoneserenity.wordpress.com

Mehr über Joe Beelart und die Bigfoots: oregonbigfoothighway.com

Allgemeine Informationen über die Gegend: traveloregon.com

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