Ikea, Höffner & Co.: So schmeckt das Essen in Möbelhäusern
Ein neues Bett, ein größerer Schrank – im Möbelhaus trifft man gewichtige Entscheidungen. Das dauert und macht hungrig. Sechs Berliner Kochnischen wie aus dem Katalog.
Möbel Höffner
Es muss sich herumgesprochen haben, dass man hier ganz ordentlich essen kann. Selbst am Dienstagnachmittag ist das „Restaurant Kochmütze“ gut gefüllt. Dabei befindet sich „Höffner“ im Niemandsland zwischen den S-Bahnhöfen Südkreuz und Schöneberg, in der Nähe von Autobahnzufahrt und Kleingartenkolonie. Laufkundschaft gibt es also eher keine, und die müsste sich auch erst mal in den dritten Stock verirren.
Dort diskutiert das ältere Paar am Nebentisch gerade über Decken (wie dick muss die für den Winter sein, wie dünn die für den Sommer?). Es gibt auch Gäste, die aussehen, als wären sie hauptsächlich zum Essen ins Möbelhaus gekommen: ein Blick auf die teuren Boxspringbetten, ein neues Schneidebrett aus der Schnickschnack-Abteilung und dann schnell ein paar Würstchen essen gehen.
"Hausgemachte Marmelade" zum Mitnehmen
Den Mittelpunkt des Restaurants bildet eine offene Küche, in der eine Köchin das bestellte Pfeffersteak brät (6,90 Euro). Schmeckt! Dazu gibt’s einen Beilagenteller, den man mit Pommes, gebratenen Pilzen und allerlei Salat (3,60 Euro) füllen kann. Zum Nachtisch ein Stück Mohnkuchen (geht so) und einen Filterkaffee. „Oma Friedas Backstube“ hätte auch noch Käsekuchen, Guglhupf oder Muffins parat gehalten. „Hausgemachte Marmelade“, natürlich „aus frischen Zutaten“, um im Wohlfühl-Sprech zu bleiben, verkaufen sie hier zum Mitnehmen.
Die Einrichtung des Restaurants hat was von junger Brauhaus-Gaststätte: an der Wand Bierdeckel, Bäume als Raumteiler, Flaschen als Lampenschirm. Ob in dem großen Braukessel da schon mal Bier war? Andererseits sind die Wohn-, Jugend- und Schlafzimmer, die man sich anderswo im Haus angucken kann, ja auch bloß Attrappen. Trotzdem sitzt es sich gemütlich im „Kochmütze“, auf der einen Seite blickt man auf die Stadt hinab, auf der anderen Seite gibt es einen schilfbestandenen Innenhof. Nur Oma Frieda ist leider nicht aufgetaucht.
Möbel Höffner, Sachsendamm 20, Mo–Sa 10–20 Uhr, hoeffner.de
Möbel Hübner
Also, man kann wirklich nicht sagen, dass dieses Lokal leicht zu finden wäre. Vielleicht ist es deshalb so leer. Vielleicht ist 13:45 Uhr einfach ein wenig spät. Jedenfalls ist es still hier. Blick aus dem Fenster im ersten Stock: Draußen wühlen Bagger; letzte Baulücken werden gefüllt. Am Straßenrand eine einsame Prostituierte, die Kurfürstenstraße ums Eck hat da mehr Betrieb. Diese Gegend war mal das Einrichtungszentrum von West-Berlin, Möbel Hübner hat überlebt.
Wer die „Cantina Lubitsch“ sucht, muss fragen. Es geht vorbei an Teppichen, Teppichen, einige Treppen hoch, vorbei an Betten, Betten und Schleiflack, und dann hängt da die „Tageskarte“. Daneben der „Möbel-Hübner-Marsch“ aus dem Jahr 1936, Textauszug: „Schön war es mit Hildgretchen und den anderen lieben Mädchen, aber, Freundchen, mit der Zeit macht sich die Erkenntnis breit, das ist nicht das Glück! Schluss! Denn das kann Dir nichts nützen. Mal ein eignes Heim besitzen – das hat Sinn doch allemal! Sag’ zur schönsten Deiner Wahl: Komm mit zu Möbel Hübner, nicht morgen, sondern gleich! Es hat der Möbel Hübner ein großes Möbelreich.“
Den Schweinebraten begleiten ein Dutzend Kartoffeln
Es hat der Möbel Hübner heute auch eine „Kräftige Tomatensuppe“, in der knackiges Gemüse schwimmt, etwas Thymian obenauf, könnte glatt (Cantina!) als Minestrone durchgehen. Das bunte Salatbuffet mit Minimozzarella, Thunfisch und gebratenem Gemüse ist schon etwas geplündert, aber bitte, wer zu spät kommt ... Also einmal „Marinierte Chicken Wings mit Pommes Frites und Salat“ (5,70). Die feinen Kartoffelstifte sind knusprig, die Marinade bringt das saftige Hühnchen auf eine höchst pikante Spur. Nur einen Dekorationswettbewerb wird der freundliche Kellenschwinger an der Essensausgabe nicht gewinnen.
Raumteiler in Aubergine mit Blumenornamentik, Resopaltische, die Orchideen aus Plastik werden dieses Jahrtausend locker überleben. Zwei weitere Gäste, wo kommen die denn her? Der bezopfte Kassenwart sagt „Meine Dame“, „Mein Herr“, das grenzt schon an wienerische Höflichkeit. Den Schweinebraten begleiten ein Dutzend Kartoffeln, schön bissfest. Rotkohl sämig zerkocht, Fleisch angenehm mürbe geschmort, die Sauce – nun, den Flokati des Schweigens drüber.
Nach diesem Ausflug ins Berlin von Harald Juhnke macht sich Müdigkeit breit, denn die Portionen sind so bemessen, als müsste man auf der Baustelle gegenüber malochen. Besser gleich nebenan ins Bett „Mr Salerno“ gelegt, die Decke „Molly“ hochgezogen und das Haupt aufs Kissen „Milo“ gebettet. Bitte nicht stören!
Möbel Hübner, Genthinerstr. 33, 10–16 Uhr, moebel-huebner.de, restaurant-lubitsch.de
Wollt ihr Köttbullar, Kinder?
Ikea
Ich hab’ Hunger, Papa. Ja, wir sind doch schon da. Gleich gibt’s was. Stellen wir uns links an oder rechts? Ist egal, glaube ich. Vorsicht, geh mal weiter, ich fahr dir sonst mit dem Tablettwagen in die Hacken. Hat was von Geriatrie mit den Rollwägelchen hier, oder? Oder von Passkontrolle, mit den vielen Gängel-Geländern. Boah, ist hier voll.
Mama, kann ich Kuchen? Nee. Warum steht denn die Torte ganz am Anfang in der Auslage. Schönen Dank auch, Ikea. Sehr kinderfreundlich. Wollt ihr Köttbullar, Kinder? Nein, Nudeln! Ok. Und du, möchtest du von dem gebeizten Lachs? Nee, ich glaube, das wird zu viel. Ich nehme die Köttbullar, die muss man ja probieren. Und du? Ich glaube, den gekochten Lachs. Der kostet echt nur 4,95 Euro? Ach, guck mal, es gibt auch Süßkartoffelpommes statt Püree. Ja, aber das kostet extra. Geh doch bitte mal weiter, ich komme sonst nicht durch.
Der Nächste, bitte. Papa, kann ich Apfelschorle? Ja, gleich. Guck mal, wir hätten uns doch rechts anstellen sollen. Da ist niemand. Macht dann insgesamt 14,90 Euro. Guck mal, der trinkt und macht seinen Becher noch mal voll, Papa. Das darf man hier. Echt? Ja. Und renn bitte nicht ständig in den Wagen. Guck mal, da gibt es Eis, Papa. Und da einen freien Platz. Setzt euch mal. Haben wir genug Servietten? Ja, ja.
Wie wäre es nachher noch mit einem Hot Dog?
Und? Die Köttbullar schmecken wie Kindergeburtstag, aber die Sauce ist mir suspekt. Die hat was von Pattex. Nicht mit den Fingern, hab’ ich gesagt. Die Senfsauce ist auch etwas kompakt geraten. Dafür ist der Lachs als solcher wirklich tadellos. Vielleicht ein bisschen salzig. Ich mag das ja. Mal probieren, Kinder? Lecker! Wir hätten noch den gebeizten Lachs nehmen sollen. Papa, kann ich auch Lachs? Magst du die Nudeln nicht? Nee. Lass mal probieren. Mhhh, die Sauce schmeckt doch wie Marmelade.
Ich will auch Lachs! Ok, aber bitte nicht mit den Fingern, ihr habt doch im Bällebad alles angetatscht. Und nehmt mal von dem Brokkoli. Bäh, bitter! Was? Kann gar nicht sein, der ist so zerkocht, der schmeckt doch nach gar nix mehr. Mehr Lachs! Ich auch! Hast du noch ’ne Serviette? Hier. Bist du schon satt? Ja, hat doch gereicht. Pass mit der Schorle auf. Ich brauch jetzt ’nen Kaffee, den gibt es mit der Family-Karte doch geschenkt, oder? Ja, aber nur den Filterkaffee. Echt? Na toll. Dafür ist das W-Lan umsonst. Pass mit der Apfelschor ... na super. Dann geh ich mal eine neue holen und bringe mehr Servietten mit. Wie wäre es nachher noch mit einem Hot Dog? Jaaaaa, Papa! Hot! Dog! Hot! Dog! Hot! Dog!
Ikea Lichtenberg, Landsberger Allee 364, Restaurantöffnungzeiten: Mo–Sa 9–20.30 Uhr, ikea.com/de/de
Möbel Olfe
Was für eine Verhältnismäßigkeit! Meterhohe grasgrüne Buchstaben stehen auf dem Hochhausdach am Kottbusser Tor, und der Laden, um den es geht, hat höchstens die Größe eines Showrooms im Erdgeschoss. Möbel Olfe. Neu-Kreuzberger könnten vermuten, es handle sich um ein besonders verrücktes osteuropäisches Einrichtungshaus, in das man nur abends hineinkann und in dem Möbel recht sparsam verteilt sind. Stehtische, Barhocker, ein faszinierender silberner Wandschmuck, der wie der riesige Armreif einer indianischen Häuptlingstochter aussieht.
Sehr viele Männer interessieren sich für das leibliche Wohl an diesem Ort, einem früheren Möbelhaus. Polnisches Bier, „Vorsicht, Kopfschmerzgefahr!“, raunt einer, Wodka mit Apfelsaft, Wodka ohne alles, ist das schon Warschau oder noch Kreuzberg? Ein Maskottchen hat das Olfe auch: einen Plumpbeutler, ein „Beuteltier mit zur Kloake geöffnetem Beutel“, wie es auf der Website heißt. Und ein eigenes Verb. Olfen. „Ich olfe heute abend.“ Übersetzt: Ich verzichte auf feste Nahrung und gehe gleich zu flüssigen Inhaltsstoffen über, während im Hintergrund verdammt tolle elektronische Musik läuft. Denn außer Zitronenscheiben im Wodka-Lemon gibt es hier gar nichts zu essen. Der Stimmung ist das eher zuträglich. Prost!
Möbel Olfe, Reichenberger Str. 177, Di–So ab 18 Uhr, moebel-olfe.de
Der Kuchen sieht ok aus, das findet auch eine dicke Fliege
Stilwerk
Nudelsalat wie bei Muttern, das klingt schon mal gut. In der Kühlvitrine steht er fertig in Plastik, auch zum Mitnehmen. Die lustige Verkäuferin („Selbstbedienung!“) schüttet Spirelli mit Fleischwurststückchen und Dosenmais auf einen Teller. Dazu eine Bio-Limo, weil der Entsafter deutlich sichtbar von Karottenresten verstopft ist. „Oder vielleicht ’n Bierchen?“, fragt sie mitfühlend. Feierabendzeit. Wo sind wir? Im Lichtenberger Baumarkt? Nö. Im Stilwerk an der Kantstraße, dem „perfekten Ort für Liebhaber guter Gestaltung“, im Atrium zwischen Palmengeschäft und Lampenladen. Am Nebentisch: zwei Ladys mit gefüllten Sektgläsern. „Auf dein neues Bett!“
Trocken und fad die Spirelli, so wie über Nacht im Kochtopf vergessen. Dressing muss her! Mit einem Tässchen Balsamico („Selbstbedienung!“) und etwas Salz ist der „Salat“ irgendwie essbar. Allein der Kuchen sieht okay aus, doch das findet leider auch eine dicke Fliege.
Beim Zahlen dann der Schock: 8,40 Euro! Dafür gibt’s im „Good Friends“ schon Wan Tan mit Shrimps und süßsaurer Sauce.
Stilwerk, Kantstraße 17, Mo–Sa 10–19 Uhr, stilwerk.com/de/berlin
Sorgenfrei
Es soll ja Leute geben, die kaufen alles online – Schuhe, Betten, Sofas. Wie soll das gehen? Die muss man doch mit den eigenen Augen sehen, anpacken und ausprobieren. Muss sich auf Stühle setzen. Am besten in Echtzeit. Also, nicht mal nur ein Minütchen, sondern ganz gemütlich.
So funktioniert der Möbelkauf im Schöneberger „Sorgenfrei“. Das Laden-Café hat sich auf Vintage spezialisiert, alles original 50er, 60er Jahre, vom Mainzelmännchen bis zum Nierentisch. Man setzt sich also auf so ein Sesselchen, bestellt sich einen Käsekuchen, der schmeckt wie in den Sixties, das heißt richtig gut, cremig, quarkig, ohne Chemie und mit dünnem Boden. Der Americano dazu ist ganz von heute. Die beiden Betreiber bedienen selbst, auf charmante Weise ein wenig unbeholfen, im Tempo der 60er Jahre, als die Welt sich noch gemächlicher drehte. Umso mehr Zeit hat man zum Gucken. Ob man den Garderobenständer mit nach Hause nehmen soll, der aussieht wie bei Tante Inge daheim? Oder das Jugendzimmerregal, einschließlich eines Sets Nesthäkchen? Oder doch nur einen alten Aschenbecher? So trödelt man ein wenig herum, versinkt wieder im Sesselchen, gabelt und sucht nach den Preisschildern, die sehr dezent an den guten Stücken kleben.
Die herzhafte Kost ist auf die Antiquitäten abestimmt, Toast Hawaii oder Wiener Würstchen mit Kartoffelsalat (gewürzt mit Gürkchen und Trockenpetersilie), dazu blasser Toast (6,90 Euro). Der Kuchen entspricht vielleicht noch mehr dem heutigen Geschmack. Und das Eis wird stilecht in den Metallschälchen der Kindheit serviert. Eine Zeitreise, die jedem Gast ein Lächeln entlockt.
Sorgenfrei, Goltzstraße 18, Di–Fr 12–19 Uhr, Sa 10–18 Uhr, So 13–18 Uhr, sorgenfrei-in-berlin.de
Björn Rosen, Norbert Thomma, Moritz Honert, Esther Kogelboom, Susanne Kippenberger, Ulf Lippitz