Die Krustenechse im Tierpark: Schön tödlich
Scheu ist sie, die Krustenechse. Und faszinierend. Denn das Gift des Reptils ist auch für den Menschen gefährlich.
Der Tod versteckt sich. In einem hohlen Holzstamm hat er sich verkrochen. Still lauert er im Halbdunkel, nur die breite Schnauze vorne am rund 70 Zentimeter langen Körper lugt ein wenig ins hell vom Sonnenlicht erleuchtete Terrarium. Nun gut, wir sind auch selbst schuld. Vielleicht ist ein strahlender Mittag nicht der beste Zeitpunkt, um eine nachtaktive Krustenechse zu beobachten ... Aber die zwei tödlich giftigen Echsen gehören nun mal zu den Attraktionen des Tierparks und nachts, wenn die Reptilien aktiv werden, ist der bekanntermaßen geschlossen.
Seit 2014 lebt das Echsen-Paar dort im Reptilienhaus in der Nähe zum Schloss Friedrichsfelde. 2003 wurden die Tiere geboren. Allerdings nicht in den Wüsten Nordamerikas, wo die Spezies ursprünglich beheimatet ist. Das Paar stammt aus einer deutschen Nachzucht.
Die Gefahr fasziniert
Der Hausherr kommt ein wenig ins Schwärmen, wenn man ihn fragt, warum der Tierpark nach einigen Jahren, in denen er ohne sie auskommen musste, wieder welche angeschafft hat. „Giftechsen gehören einfach dazu“, sagt Falk Dathe, Zoologischer Leiter des Tierparks. Da spielt sicher auch der Nervenkitzel eine Rolle, den mancher Besucher sucht. Von der Gefahr geht immer eine gewisse Faszination aus. „Außerdem sind das sehr schöne Tiere.“
In der Tat. Der gedrungene, mit hellen Hornschuppen bedeckte Körper der Echsen schillert gelb-braun. Ein Warnsignal an potenzielle Fressfeinde. Heute im Halbschatten kann man das leider nur erahnen. Aber was soll man machen? Ans Licht zerren kann und will man die Tiere mit den extrem kurz wirkenden Beinchen ja schlecht.
Das wäre auch gefährlich. Wird ein Mensch von einer Krustenechse gebissen, kann das tödlich enden. Das in den Unterlippendrüsen erzeugte und dann durch Kanäle zu den Zähnen im Unterkiefer weitergeleitete Gift, das nicht nicht nur als Waffe, sondern auch der Verdauung dient, kann schwere Lähmungserscheinungen des Atemzentrums nach sich ziehen. Wenn sich die Krustenechse verbeißt, mampft sie durch Kaubewegungen das Gift in die Bisswunde ein. Auch im Tierpark dürfen deshalb nur die erfahrenen Pfleger mit den Tieren umgehen.
Nach dem Essen ist tagelanges Verdauen angesagt
Aber so häufig kommen die auch nicht mehr mit den Tieren in Kontakt. Alle zehn Tage gibt es Mäuse oder mal eine Ratte. In freier Wildbahn futtern die Tiere, die zwischen vier und zwölf Nachkommen pro Wurf bekommen, auch Vögel oder Eier. Aber selbst dann ist nach dem Futtern erst mal tagelanges Verdauen angesagt.
Früher, noch vor der Wende, gab es mehr Kontakt zwischen Mensch und Reptil. Da wurden die Gifttiere des Tierparks regelmäßig gemolken, wie Dathe erzählt. Der Volksmund sprach sogar von der „Schlangenfarm“. Das Gift von Schlangen und Echsen, das diese milliliterweise ausspeien, wurde damals gesammelt und dann zum Beispiel ins Serumwerk Bernburg geschickt, wo daraus Vipratox, eine Art Voltaren, oder auch Mittel gegen Epilepsie hergestellt wurden. Heute sind Schlangengifte für die Arzneimittelproduktion nicht mehr nötig, sagt Dathe. „Inzwischen wird das alles synthetisch gemacht.“
Der Tod freut sich. Er wird in Ruhe gelassen. Und verdöst friedlich den Nachmittag.
DIE KRUSTENECHSE IM TIERPARK
Lebenserwartung: rund 20 Jahre
Interessanter Nachbar: Pantherschildkröte
Moritz Honert