Leipziger Buchmesse: Wie sich rechte Verlage geben – und was sie meinen
Sein Stand misst nur 14 Quadratmeter, doch die Aufmerksamkeit für Götz Kubitschek und andere rechte Verleger in Leipzig ist gewaltig. Die Buchbranche muss das Diskutieren noch üben.
Es gab schon grimmige Blicke an diesem Donnerstagvormittag, Mittelfinger, Beschimpfungen. Einer hat „rechte Sau“ gesagt. Eskalationsniveau: aushaltbar. Götz Kubitschek ahnt, dass es nicht so bleiben wird. Dass es hier in Halle 3, am Stand H 601, noch laut werden wird in den kommenden Tagen.
Götz Kubitschek ist Redner bei Pegida, Vertrauter von Björn Höcke. Er wollte mal in die AfD, war der aber zu rechts. In der Szene wird Kubitschek als Schöngeist gefeiert, als Philosoph. Er ist Oberleutnant der Reserve, er glaubt, er befinde sich in einem „geistigen Bürgerkrieg“, der über die Fortexistenz des deutschen Volkes entscheide.
Die Frage, ob und wie auf dieser Leipziger Buchmesse mit rechten Verlagen umzugehen sei, wurde in der deutschen Öffentlichkeit zuletzt dringlicher verhandelt als jene, welcher Autor wohl den diesjährigen Buchpreis verdient. Und als vorige Woche auch noch der Bestsellerschriftsteller Uwe Tellkamp bei einer Diskussionsveranstaltung im Dresdner Kulturpalast in Pegida-Logik verfiel, ist die Debatte darüber, was man im Literaturbetrieb doch wohl noch mal sagen oder schreiben darf, endgültig eskaliert. Im Fokus stehen dabei der Verlag Antaios und sein Gründer Kubitschek.
„Afrikanisierung“, „Aufschwärzung“, „Genozid“, „Vergewaltigungsepidemien“
Der Mann legt Wert auf Ästhetik. Seine Bücher präsentiert er in einem edlen Regal aus Kirschbaum, vorn ist das Verlagslogo ins Holz graviert. Die Buchumschläge sind pastellfarben. Welch ein Unterschied zum kaum besuchten Stand der NPD gegenüber. Da versuchen Mitarbeiter in schlecht sitzenden Anzügen billig wirkende Schwarz-Weiß-Drucke anzupreisen.
Antaios hat diverse Werke von Aktivisten der rechtsextremen, vom Verfassungsschutz beobachteten „Identitären Bewegung“ herausgebracht. Einer der Vorzeigeautoren heißt Martin Lichtmesz. Der schreibt von der „Umvolkung Europas“ durch „Afrikanisierung“ und „Aufschwärzung“ der Bevölkerung, was „Genozid“ an den Europäern sei. Er schreibt von „Vergewaltigungsepidemien“ durch Flüchtlinge und sagt, Bindemittel einer Gesellschaft sollten nicht Ideen und Überzeugungen sein, eher Herkunft und Hautfarbe.
Die Messeleitung hat entschieden, dass sich solche Verlage in Leipzig präsentieren dürfen. Man sei schließlich an die Meinungs- und Pressefreiheit gebunden. Und man hoffe, dass die Rechten nicht zu viel Aufmerksamkeit bekämen.
Was ist damit gemeint? Sollen Besucher sie einfach ignorieren? Oder soll man mit ihnen diskutieren? Sie auslachen? Protestieren? Und falls Protest: wie viel ist in Ordnung, wie viel geboten? Gegner haben zu Konfetti-Würfen aufgefordert, auch zu spontanen Demonstrationen. Kubitschek vermutet, jemand werde versuchen, seinen Stand zu zerstören. Bei der Frankfurter Messe im vergangenen Herbst hätten Unbekannte seine Bücher nachts mit Zahnpasta beschmiert, auch sei ihm ein Stuhl gestohlen worden. Verlagsveranstaltungen, bei denen Vertreter der „Identitären“ und Björn Höcke auftraten, wurden von linken Gegendemonstranten massiv gestört.
Ein Vorbild für Anders Breivik
Deshalb hat der Verlag jetzt einen privaten Sicherheitsdienst engagiert, dazu eine Menge junge Männer, die jeden filmen, der in Standnähe kommt und aussieht, als könne er protestieren wollen. Was die jungen Männer später mit dem Videomaterial machen werden, sagen sie nicht.
Antaios hat etliche Extremisten in seinem Verlagsprogramm. Thor von Waldstein etwa, der mal im Bundesvorstand der NPD war und den Holocaust als „US-amerikanisches Kulturprodukt“ bezeichnete. Den norwegischen Islamhasser Peder Are Nøstvold Jensen, Vorbild für den Rechtsterroristen Anders Breivik. Den Historiker Stefan Scheil, der den deutschen Überfall auf die Sowjetunion „Präventivkrieg“ nennt und Winston Churchill einen Rassisten, der massenhaft Deutsche töten wollte.
Zu Kubitscheks Autoren gehört auch Akif Pirincci, der Muslimen eine „krankhafte Beschäftigung mit allem, was nach Ficken und Gewalt riecht“ unterstellte und Flüchtlinge als „Moslem-Müllhalde“ beschimpfte. Er ist wegen Volksverhetzung verurteilt worden.
Anderen Szeneverlagen war Pirincci zu extrem, bei Antaios fand er Unterschlupf. Während der Buchmesse in Frankfurt betonte Kubitscheks Ehefrau, wie froh sie über Pirincci sei. Wie „zivilisiert und gentlemanlike“ er sich benehme, wie in seinen Manuskripten jedes Komma stimme.
Angela Merkel mit Kopftuch
Trotz seiner Randlage in Halle 3 hat der Stand von Antaios regen Zulauf, und es bleiben Menschen stehen, die nicht zufällig vorbeigeschlendert zu sein scheinen. Es kommen: ältere Männer. Junge, auffallend ordentlich gekleidete Männer. Ältere Frauen in Begleitung älterer Männer.
Der Stand der NPD dagegen ist immer noch leer, die Mitarbeiter sehen frustriert aus. Umso mehr Leute drängeln sich ein paar Meter weiter bei „Compact“, dem Magazin des Rechtspopulisten Jürgen Elsässer. Es liegen Aufkleber aus, auf denen „Fremd im eigenen Land“ steht oder die Angela Merkel mit Kopftuch zeigen. Ein Mann gratuliert Elsässer zu dessen kürzlich in „Compact“ niedergeschriebener Forderung „Freiheit für Beate Zschäpe!“ und fragt, ob er hier ein Schild mit der Aufschrift „Lügenpresse“ kaufen könne. Leider nein. Ein anderer will wissen, was für „Compact“ denn die große Lösung, das ganz große Ziel sei.
Na, erstmal alle Grenzen dichtmachen und totale Kooperation mit Russland, antwortet ein Standmitarbeiter. Danach endlich „die volle Souveränität Deutschlands“. Na, schön und gut, aber wie das denn konkret gehen soll, will der andere wissen. „Lassen Sie uns das jetzt bitte nicht hier besprechen.“
Ein „Gesinnungskorridor“ akzeptierter Meinungen
Eigentlich hätte es in Leipzig noch mehr Messestände rechter Verlage geben sollen, auch die Wochenzeitung „Junge Freiheit“ hatte sich angemeldet. Dass sie sich zurückzog, gilt als cleverer Schachzug der Messeleitung: Die Planer hatten ihren Stand direkt neben den der NPD gesetzt. In dem Umfeld wollte sich die „Junge Freiheit“ nicht präsentieren.
In Sichtweite von Compact und Antaios stehen junge Frauen und verteilen Flyer. Sie gehören zur Initiative „Verlage gegen Rechts“, sie wollen Antaios & Co. das Feld nicht unwidersprochen überlassen, wollen Besucher aufklären. Es soll in den nächsten Tagen Diskussionsrunden geben, dazu eine Unterschriftenaktion. Einer der Erstunterzeichner, selbst Verlagschef, erklärt, man habe sich nach hitziger Debatte intern darauf verständigt, dass man auch mit Vertretern der Rechten diskutieren wolle – sofern die an einem Gedankenaustausch interessiert seien und nicht nur provozieren wollten.
Dass derartige Versuche oft missglücken und sich die regelmäßig schlecht vorbereiteten Dialogsuchenden hinterher wundern, dass sie rhetorisch vorgeführt wurden, hat in Deutschland Tradition. Thomas Gottschalk scheiterte einst am Versuch, den Republikaner-Chef Franz Schönhuber in die Enge zu treiben, am Ende nutzte Schönhuber die Fernsehbühne zur Selbstdarstellung. Talkmaster und Ex-„Spiegel“-Chef Erich Böhme posaunte: „Wir werden den Mythos Haider entzaubern“ – um sich dann von Jörg Haider überrumpeln zu lassen. Meist liegt es daran, dass es Zeit und Genauigkeit braucht, um krude Behauptungen als Lügen zu entlarven. Dass es noch keinen Faktencheck in Echtzeit gibt. Auf der Buchmesse versuchen sie es an diesem Donnerstag trotzdem. In Nachbarhalle 5 hat der Börsenverein des deutschen Buchhandels Susanne Dagen aufs Podium geladen. Die Dresdner Buchhändlerin hat im vergangenen Herbst mit einem Offenen Brief, einer „Charta 2017“, auf die Vorkommnisse auf der Frankfurter Buchmesse reagiert. Das, was dort zum Beispiel Kubitscheks Antaios-Verlag widerfuhr, mache deutlich, dass die Gesellschaft „nicht mehr weit von einer Gesinnungsdiktatur entfernt“ sei.
Ob sie die Schriften gelesen hat?
In einem Interview bekannte sie, bei der Bundestagswahl AfD gewählt zu haben. Ihr Geschäft wurde zwei Mal unter die „Buchhandlungen des Jahres“ gewählt. Sie hat Verständnis für Pegida, lobt Aktionen der rechtsextremen Identitären. Sie klagt, dass Kunden und befreundete Schriftsteller nicht mehr in ihren Laden kämen. Thema der Diskussionsrunde: „Wie politisch ist der Buchhandel?“
Susanne Dagen beschwert sich, inzwischen dürfe man nicht mal mehr „95 Prozent“ sagen! Sie meint den Anteil Flüchtlinge – von dem der Schriftsteller Uwe Tellkamp, einer der Unterzeichner ihrer „Charta“, in der vergangenen Woche im Dresdner Kulturpalast sprach – der angeblich nach Deutschland käme, um in die hiesigen Sozialsysteme einzuwandern. Weil die allermeisten eben nicht vor Krieg flüchteten, sondern auf der Suche nach Wohlstand seien. Das ist empirisch grob falsch. Aber das müsse man doch behaupten dürfen, ohne gleich in die rechte Ecke gedrängt zu werden, sagt Dagen. Sie nimmt Tellkamp an diesem Tag immer wieder in Schutz. Sie sind Schicksalsgenossen. Da sagt man etwas und kriegt Widerspruch. Das soll Meinungsfreiheit sein?
Dann erklärt Dagen, in ihrem Laden biete sie selbstverständlich „keine rechtsextreme Literatur“ an. Und erwähnt später beiläufig, dass sie die Werke von Antaios sehr wohl auslege; erst vorige Woche hatte sie eine Veranstaltung mit einer Antaios-Autorin bei sich im Laden.
Ob sie die Schriften der Autoren gelesen hat? Ob sie die Stelle kennt, wo Johannes Poensgen von „Vergewaltigungsorgien von Orientalen und Afrikanern“ schreibt? Oder jene, an der sich Martin Lichtmesz über die Terroranschläge vom 11. September freute, weil es damit den USA endlich „heimgezahlt“ worden sei? Oder die, an der Till-Lucas Wessels einen Kino-Blockbuster mit dunkelhäutigen Schauspielern als „filmgewordenes Schokoladenfondue“ verhöhnte?
Auf dem Podium hakt niemand nach, auch der Moderator nicht. Später wird er sich darüber freuen, dass die Diskussion so „zivilisiert“ verlaufen sei.
Ziegen streicheln, Kuchen backen
Götz Kubitschek lebt im Süden Sachsen-Anhalts, im Dorf Schnellroda, auf einem Rittergut. Björn Höcke war dort öfter zu Gast, in der Gaststätte des Dorfs hielt er 2015 seine viel diskutierte Rede, in der er behauptete, Afrikaner würden sich wie Grasfrösche, Ameisen oder Blattläuse vermehren. Gern lässt sich Kubitschek von Reportern der Mainstream-Medien besuchen und zeigt ihnen sein Landleben. Die Reporter schreiben dann zuverlässig, wie Kubitschek auf seinem Grundstück Ziegen streichelt, wie die Familie Pflaumenkuchen backt und dass seine Kinder Namen wie Brunhilde, Undine und Wieland tragen.
Viele Antaios-Autoren streben nach einer "konservativen Revolution". Aber welches "konservativ" meinen sie? Sind es wirklich die Werte der Bundesrepublik, die da bewahrt werden sollen? Zu den großen Vorbildern der Strömung gehört der neurechte Vordenker Armin Mohler, der in einem seiner Werke die Massenvergasung von Juden in Auschwitz anzweifelte und noch 1995 auf die Frage, ob er Hitler bewundere, antwortete: „Er hat immerhin eine richtige Führung geschaffen. Die Kader, die er heranzog, hatten Stil.“ Es sind aber auch Schwergewichte wie Carl Schmitt, der vom „großartigen Kampf des Gauleiters Julius Streicher“ schwärmte, und Edgar Julius Jung, der die „Tatsache wertvoller und minderwertiger Rassen“ predigte. Der Antaios-Verlag hat von beiden Autoren Bücher neu aufgelegt.
Störungen. Spätestens am Wochenende
Gegen Mittag gesellt sich Susanne Dagen, die pegidanahe Buchhändlerin, an den Antaois-Stand. Es gibt Kekse. Kubitschek gratuliert ihr zum "super Auftritt", Kubitscheks Frau nennt Dagen eine "Powerfrau". Susanne Dagen klagt erneut darüber, dass man sie ständig in die rechte Ecke stelle.
In den kommenden Tagen, vor allem am Wochenende, soll es diverse Diskussionsrunden und Buchvorstellungen der rechten Verlage geben. Das Podium steht schon bereit, ebenfalls in Halle 3. Götz Kubitschek wird moderieren, Jürgen Elsässer auch, für Sonntag haben die beiden Verleger eine gemeinsame Gesprächsrunde geplant. Spätestens am Wochenende, fürchten sie, werde es Störversuche ihrer Gegner geben. In Frankfurt kamen die mit Schildern und Sprechchören. Sie waren so laut, dass eine Veranstaltung von Antaios abgebrochen werden musste. Am Ende stand Kubitschek neben seinen Autoren der „Identitären Bewegung“ und rief: „Schande! Schande! Schande! Schande!“ Schändlich sei gewesen, dass die Polizei nicht härter gegen die Demonstranten vorging.
Wenn man Götz Kubitschek an seinem Stand stehen und um sich schauen sieht, ahnt man, dass dies für ihn hier viel mehr sein muss als eine Messe. Mehr eine Raumnahme. Im Internet hat er betont, dass sein Stand gewachsen sei. Vergangenen Oktober in Frankfurt sei der zwölf Quadratmeter groß gewesen, diesmal sind es 14. Er erwähnt das wie ein Indiz dafür, dass seine Bewegung nicht mehr aufzuhalten ist.