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Klassenkampf. Ulrich Clemens ist sein Job wichtig – trotz aller Anfeindungen. Dankbarkeit für seinen Einsatz zu erwarten, hat er sich abgewöhnt.
© Kai-Uwe Heinrich

Gewalt gegen Lehrer: „Ich kann nicht mehr“

Ulrich Clemens ist Lehrer in Berlin. Er wurde verprügelt, erpresst, gedemütigt. Und er ist nicht der einzige. Ein Frontbericht. Unser Blendle-Tipp.

Als der Vater fluchend in den Klassenraum stürmt, seinen Sohn und dessen Freunde im Gefolge, wird der schlimmste Albtraum des Lehrers wahr.

Ulrich Clemens arbeitet seit mehr als 30 Jahren im Berliner Schuldienst, fast immer an Brennpunktschulen. Der Vater packt ihn am Hemdkragen, brüllt ihn an, „Du Psycho“, boxt auf ihn ein. Er wehrt sich nicht, sondern flüchtet im Zickzackkurs aus dem Raum ins Direktorenzimmer. Der Vater rennt hinter ihm her.

Clemens zittert, seine Knie sind weich. Er ist ein großer, kräftiger Mann, steht aber unter Schock und sagt zur Direktorin: „Bitte helfen Sie mir.“ Die reagiert nicht besorgt, sondern erwidert: „Ich verstehe das gar nicht, sie sind doch viel größer als der Mann.“ Dann sagt sie noch, die Kinder hätten ihr am Mittag erzählt, dass er sie angegriffen habe.

Der Vorfall ist schon eine ganze Weile her, aber heute, wenn Clemens, 62 Jahre, die Geschichte erzählt, merkt man ihm an, wie sehr das Erlebnis ihn berührt hat. Es ist etwas kaputtgegangen damals, nichts Körperliches, aber sein Glaube an so etwas wie Gerechtigkeit.

An einer Schule in Gesundbrunnen wurde erst im November ein Lehrer verletzt

Gerade hat die Senatsverwaltung für Schule und Bildung auf Anfrage des SPD-Abgeordneten Joschka Langenbrinck die neuesten Gewaltzahlen veröffentlicht: Die Gewaltvorfälle gegen Lehrer, Erzieher oder Sozialarbeiter sind gestiegen. 636 verbale oder tätliche Übergriffe auf Schulpersonal wurden im Schuljahr 2015/16 gemeldet. Allein in Lichtenberg sollen es 100 gewesen sein. Auch die Fallzahlen zu anderen Taten, bei denen Lehrer nicht involviert waren, wachsen an, etwa schwere körperliche Gewalt, Beleidigungen, Mobbing, Vandalismus. Die Senatsverwaltung fügte allerdings an, dass diese Zahlen nicht einzuordnen sind. Sie sagten nichts über das tatsächliche Vorkommen von Gewaltfällen aus, sondern nur über die Bereitschaft, Fälle zu melden. Die Schulen verfahren völlig unterschiedlich. Fälle von Mobbing, Beleidigung, Drohung oder Tätlichkeit – sie gehören zum sogenannten Gefährdungsgrad 1 – mussten bisher gar nicht gemeldet werden. Erst jetzt wird es sich ändern.

Neben dem Gefährdungsgrad 1 gibt es noch 2 und 3, darunter fallen Amokdrohungen, andere Bedrohungen, sexuelle Übergriffe, Waffenbesitz oder auch Geiselnahmen, Suizide, Brände. Die Polizei hat viel weniger Vorfälle registriert, was daran liegt, dass die Meldungen nicht an die Polizei, sondern an die Schulverwaltung gehen. Eine Meldepflicht bei der Polizei gibt es nicht. Als der Tagesspiegel bekannt machte, dass es beispielsweise an der Ernst-Reuter-Schule in Gesundbrunnen in einem Schuljahr elf Strafverfahren wegen Körperverletzungen und fünf wegen Beleidigung gab, konnte die Polizei nicht sagen, ob das viel oder wenig sei. Weil sie selbst keine derartige Schulstatistik führt. Der jüngste Gewaltvorfall, in den ein Lehrer und ein Schüler der Reuter-Schule verwickelt waren, ereignete sich Anfang November.

Die Polizeigewerkschaft sagt, die Meldezahlen der Schulen entsprechen generell „nicht der Realität“, die Dunkelziffer sei sehr viel höher....

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