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Elke Büdenbender hat sich als Richterin beurlauben lassen. Als Unicef-Schirmherrin war die First Lady gerade in Nepal.
© Sina Schuldt/dpa

Die Schattendiplomatin: Elke Büdenbenders Leben als First Lady

Praktisch jeder kennt Bundespräsident Steinmeier. Wenige wissen, was seine Frau Elke Büdenbender macht. In Nepal fiel ihr gerade eine besondere Rolle zu.

Sand, Staub, Ochsenkarren, Menschen, die Lasten auf dem Kopf transportieren. In blauer Outdoorjacke und Wanderschuhen geht Elke Büdenbender mit ihrer Entourage in der Mittagshitze durch Naktajhijh, ein Dorf in der Provinz Terai in Nepal. Die Bewohner säumen den Weg, Mauern aus Dung und Stroh begrenzen die Grundstücke. Vor den Häusern sind Rinder angebunden, die die ungewohnten Besucher beobachten. Der Deutschen entfährt der Satz: „Mein Gott, welche Armut!“

Sehr viel weiter kann sich die Frau des Bundespräsidenten kaum von ihrer eigenen Lebenswelt entfernen. Ja, auch sie hat sich hochgekämpft, aber die Voraussetzungen waren doch ganz andere.

Sie, die mit 16 in einem Metallbetrieb im Siegerland eine Ausbildung als Industriekauffrau gemacht hat, auf dem zweiten Bildungsweg das Abi nachholte, Jura studierte und zuletzt als Verwaltungsrichterin in Asylverfahren Entscheidungen traf – und 2017 mit ihrem Ehemann Frank-Walter Steinmeier ins Schloss Bellevue gewechselt ist. Bleibt es bei der bisherigen Planung, fängt sie am 1. April 2022 wieder am Gericht an. Bis dahin will sie auf keinen Fall nur die Frau an Steinmeiers Seite sein.

"Mein Gott, welche Armut!" Nepal ist eines der ärmsten Länder der Welt. In einem Dorf trifft Büdenbender die 13-jährige Radha.
"Mein Gott, welche Armut!" Nepal ist eines der ärmsten Länder der Welt. In einem Dorf trifft Büdenbender die 13-jährige Radha.
© Ingrid Müller

Auch deswegen steht sie nun im Staub von Nepal, genauer: vor dem Haus der Familie eines 13-jährigen Mädchens. Ihr Name ist Radha. Elke Büdenbender ist Unicef-Schirmherrin, und Radha besucht das Unicef-Programm „Gate“, mit dem zehn- bis 14-jährige Mädchen, die die Schule verlassen haben, fit gemacht werden sollen, wieder zurückzukommen.

In Nepal werden zwar 97 Prozent der Kinder eingeschult, aber ein großer Teil verlässt die Schule nach zwei Jahren, kann nicht einmal das Alphabet. Auch Radha ging nach nur zwei Schuljahren. Neun Monate im „Gate“-Programm sollen sie für die fünfte oder sechste Klasse vorbereiten, um einen Abschluss zu schaffen.

Sie wird fast wie ein Staatsgast empfangen

Vor dem unverputzten Haus sitzen die Mutter, der Vater und die 19-jährige Schwester samt ihrer zwei Kinder jetzt mit Radha auf einer Plane. Für Elke Büdenbender haben sie einen Stuhl hingestellt. Sie entschuldigt sich für die Invasion.

Nepal ist Büdenbenders zweite Reise als Schirmherrin von Unicef Deutschland. Ganz anders als die erste im Oktober 2018 in den Libanon. Dort lernte sie vor allem das Schicksal syrischer und palästinensischer Geflüchteter kennen. Allerdings in einem – trotz aller Herausforderungen – viel weiterentwickelten Land.

In Nepal wird sie fast wie ein Staatsgast empfangen. Seit Bundeskanzler Helmut Kohl 1987 und Bundespräsident Roman Herzog 1996 war kein hochrangiger Besuch mehr da. Elke Büdenbender hat zwar kein Amt, als First Lady hat sie nur eine unbezahlte Rolle. Aber ihr Besuch hier ist dennoch ein politisches Symbol. Und Symbole haben ihren ganz eigenen Wert.

Auch für Deutschland. Nepal, eins der ärmsten Länder der Welt, hat es nicht leicht, sich zwischen China und Indien zu behaupten. Das demokratische Land, das sich nicht mit einem nationalistischen Kurs abschottet, zu stärken, daran hat die Bundesrepublik durchaus Interesse.

Mit Büdenbenders Besuch erhält Nepal Aufmerksamkeit, die dort auch innenpolitisch auf dem Weg zur Stabilisierung der Demokratie nach langer Monarchie und zehrendem Bürgerkrieg helfen kann. Das Land muss viele Herausforderungen gleichzeitig meistern – von der Föderalisierung bis zum Klimaschutz –, für die Deutschland sehr viel Zeit hatte. Gesellschaft und Wirtschaft versuchen gerade einen Spagat zwischen Mittelalter und Moderne.

Büdenbender muss und kann hier nichts versprechen. Aber sie trifft den Außenminister und die Präsidentin.

Sie hat als Frau des Bundespräsidenten in ihrer Rolle neues Ansehen und öffentliche Statur gewonnen. Unterwegs mit ihm, dem Politprofi, hat die Richterin seine Arbeit aus nächster Nähe erlebt – und sich das eine oder andere abgeguckt. Ohne Politikerin zu sein oder sein zu wollen. Manchmal sitzt ihr Mann bei einer ihrer Veranstaltungen in der ersten Reihe. Und hört ihr zu.

Ihre Chance: Menschen ins Gespräch bringen

Büdenbender hat die Unterstützung von Ausbildung und Bildung besonders für Mädchen und junge Frauen in allen Berufen und über alle gesellschaftlichen Bereiche hinweg zu ihrem Projekt gemacht, in der Welt und auch daheim. Vor einigen Wochen zum Beispiel hat sie neben Diplomatengattinnen Vertreter von Organisationen ins Schloss Bellevue eingeladen, die sich in diesen Bereichen engagieren. Ihre Rolle, sagt sie, biete ihr Möglichkeiten, die sie „als Richterin eher selten“ habe: Menschen miteinander ins Gespräch zu bringen. Zu vernetzen. Ihnen eine Stimme zu geben.

Jetzt also Nepal.

In dem Land mit den höchsten Bergen der Welt hoffen viele darauf, dass sich ihre Situation fünf Jahre nach dem schweren Erdbeben nachhaltig bessert. Die Regierung kann sich auf eine moderne Verfassung und progressive Gesetze mit einer 33-Prozent-Quote für Frauen im Parlament, Recht auf Arbeit und Rechten für Kinder stützen – manches fortschrittlicher als in Deutschland. Doch die Realität ist davon noch weit entfernt.

Die Schwester (links) wurde mit 16 verheiratet. Radha (Mitte) will wieder eine Schule besuchen. Unicef unterstützt sie.
Die Schwester (links) wurde mit 16 verheiratet. Radha (Mitte) will wieder eine Schule besuchen. Unicef unterstützt sie.
© Ingrid Müller

In dem kleinen Dorf in Terai, vor dem Haus der Familie der 13-jährigen Radha, beugt sich Elke Büdenbender nun lächelnd weit nach vorne in Richtung Familie und stellt vorsichtig ihre erste Frage.

Radhas Mutter im Sari hält eines der Enkel wie einen Schutzschild vor sich, sie wird nicht ein Wort sagen. Die Schwester auch nicht. Sie wurde mit 16 verheiratet. Der Vater erzählt, sie hätten das getan, weil sie arm seien. Das offizielle Heiratsalter ist 20. Obwohl Kinderehen auch in Nepal illegal sind, es eine achtjährige Schulpflicht und allerlei finanzielle Anreize gibt, hat Nepal eine der höchsten Kinderehe-Raten der Welt. Nach Unicef-Umfragen wurden 40 Prozent der heute 20- bis 24-jährigen Frauen und zehn Prozent der jungen Männer verheiratet, bevor sie 18 waren.

Abtreibung vom Mädchen ist in Nepal kostenlos

Radhas Vater spricht nicht aus, was eines der großen Probleme hinter den Kinderhochzeiten ist: die Mitgift. Sie steigt, je besser der Bräutigam ausgebildet ist, die Ausbildung des Mädchens spielt keine Rolle. Manche Frauen lassen deshalb inzwischen in Indien das Geschlecht ihres Kindes bestimmen. Das ist in Nepal verboten – die Abtreibung von Mädchen aber kostenlos.

Als ihre Schwester verheiratet wurde, musste wohl auch Radha die Schule verlassen und daheim helfen. Die Schwester lebt mit ihrem Mann inzwischen in Indien, ist auf Besuch. Der Vater selbst hat keinen Schulabschluss, kein Farmland, arbeitet wie viele seiner Landsleute im Ausland.

Als Lastenträger in Malaysia kommt er nur alle drei, vier Jahre für drei Monate nach Hause, erzählt er. Er verdient 800 Dollar im Monat. Ja, sagt er, Radha solle jetzt zur Schule gehen, sie wolle wohl Lehrerin werden. Die 13-Jährige überlegt einen Moment, dann widerspricht sie. Sie will Krankenschwester werden.

Dann kommt ein Junge aus dem Haus, steht in Macho-Pose auf dem Treppenabsatz. Einer von zwei Brüdern – die beiden gehen zur Schule, keine Frage.

Elke Büdenbender ist nahbar, behutsam.
Elke Büdenbender ist nahbar, behutsam.
© Ingrid Müller

Elke Büdenbender ist die Anwesenheit ihrer Delegation, der deutschen und nepalesischen Sicherheitsleute jetzt sichtlich unangenehm. Am liebsten wäre sie wohl einfach Elke Büdenbender. Nahbar, behutsam. Zumindest versucht sie es, so gut es unter den Umständen eben geht.

Daheim in Deutschland gibt es eine Frau, die diese Zugewandtheit immer bewundert hat. Hilde Vitt, Elke Büdenbenders Freundin seit Kindergartentagen in Netphen-Deuz. „Sie redet mit den Leuten nicht oberflächlich, sie interessiert sich wirklich“, sagt Vitt bei einem Besuch in Berlin vor einigen Wochen.

Und das sei bei so vielen Menschen nicht einfach. Vitt trägt die Brille in die Haare geschoben, wie es Elke Büdenbender auch so oft tut. „Sie ist die Schwester, die ich mir ausgesucht habe“, sagt Vitt, die Steinbildhauerin ist. Drei-, viermal im Jahr kommt sie aus dem Taunus nach Berlin, diesmal zum Neujahrsempfang. Den Kontakt wollen beide nicht abreißen lassen. So lange „Elke das macht“ – Vitt meint Büdenbenders Rolle als Präsidentengattin – „richte ich mich nach ihr“.

Sie ist quasi mit dem Bundespräsidenten eingekauft

Hilde Vitt findet es allerdings befremdlich, dass ihre Freundin für „den Fulltimejob“, den sie auch jetzt habe, nicht bezahlt wird, sondern praktisch mit dem Bundespräsidenten eingekauft worden sei.

Den Neujahrsempfang für die PartnerInnen der Botschafter hat Elke Büdenbender zu einem Netzwerktreffen gemacht.
Den Neujahrsempfang für die PartnerInnen der Botschafter hat Elke Büdenbender zu einem Netzwerktreffen gemacht.
© Ingrid Müller

Und es ist ein Vollzeitjob. Bevor Büdenbender für ihren fünftägigen Trip nach Nepal aufgebrochen ist, reiste sie an der Seite ihres Mannes nach Israel in die Gedenkstätte Yad Vashem und nach Polen in das ehemalige deutsche Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz.

75 Jahre nach Kriegsende erfuhren sie dort das Leid, das der Holocaust bis heute bedeutet. Ganz besondere Momente der Präsidentschaft. Am Ende der Woche besuchten beide den Ball des Sports in Wiesbaden. Im offiziellen Terminkalender von Elke Büdenbender tauchen diese Veranstaltungen nicht einmal auf.

Es sind Strapazen, die sich Elke Büdenbender, die seit 2010 mit einer von ihrem Mann gespendeten Niere lebt, nicht anmerken lässt. Als sie in Nepal eine Krankenstation besucht, verschwinden ihre weißen Handschuhe danach diskret wieder in der Tasche. Handdesinfektionsmittel und Mückenspray haben die Sicherheitsleute für sie dabei.

Mädchen sind eine Last? Manche Eltern sparen ihr ganzes Leben, um ihre Töchter so früh wie möglich zu verheiraten.
Mädchen sind eine Last? Manche Eltern sparen ihr ganzes Leben, um ihre Töchter so früh wie möglich zu verheiraten.
© Ingrid Müller

Am Tag nach dem Besuch bei Radhas Familie sitzt Elke Büdenbender in der Früh bei einstelligen Temperaturen in einem Vorort der Provinzhauptstadt Janakpur in einem Hof auf bunten Hockern mit Mädchen zusammen, die wieder in die Schule gehen und im Unicef-Programm „Rupantaran“ weiter begleitet werden, bis sie 19 sind. Wieder ist das Thema Kinderhochzeiten.

„Hier denken Mutter und Vater, wir Mädchen sind eine Last, wenn wir nicht verheiratet werden“, erzählt die 14-jährige Ranani Khatun. Mindestens 2.000 Dollar in bar seien fällig, dazu komme aber noch ein Motorrad, ein Bett, Küchenausstattung, Möbel, Kleidung für die Schwiegerfamilie – viele Eltern von Mädchen sparten quasi ihr ganzes Geld, um die Mitgift zu finanzieren, rechnen Mitarbeiter des Kinderhilfswerks vor.

Da könnten schon mal 20.000 Euro zusammenkommen. Wer die nicht habe, verkaufe Land oder nehme einen Kredit auf. Unicef-Mitarbeiter versuchen, die Familien zu überzeugen, auch die Mädchen zur Schule zu schicken. Doch nicht einmal jede Geburt ist registriert.

Sie hat eine Meinung. Aber sie schweigt

Eine Stunde lang hört Büdenbender zu. Jeder einzelnen, die ihre Geschichte erzählt, wendet sie sich zu. Die Mädchen berichten, sie würden jetzt auch daheim dafür eintreten, dass sie eine Ausbildung machen dürfen und so später doch zum Familieneinkommen beitragen. Ranani Khatun findet, dass ihre Eltern für sie keine Mitgift zahlen sollten, doch auch die Nachbarn fragten ständig, warum sie noch zur Schule gehe. „Ihr scheint sehr stark zu sein“, sagt Büdenbender voller Bewunderung. „Bleibt auf dem richtigen Weg.“

Elke Büdenbender bestärkt Mädchen wie Ranani Khatun (Mitte) in ihrem Wunsch, eine Ausbildung zu machen.
Elke Büdenbender bestärkt Mädchen wie Ranani Khatun (Mitte) in ihrem Wunsch, eine Ausbildung zu machen.
© Ingrid Müller

Doch so kämpferisch Ranani auftritt, sie ist auch enttäuscht, weil sich „noch nichts geändert hat“. Die Ungeduld, die so gern die Tugend der Jugend genannt wird, sie kann zur Gefahr werden. Denn nur, wenn auch die Jugendlichen bei der Stange bleiben, wird sich etwas ändern.

Elke Büdenbender weiß, Nepal muss in den nächsten Jahren genug Jobs schaffen, damit die engagierten Mädchen, die sie kennengelernt hat, mit all ihren Hoffnungen eine Zukunft haben.

Für sie selbst geht es in Berlin weiter. Eine Ausstellung der Björn-Schulz-Stiftung aus Pankow ist ihr nächster Termin. Die Stiftung betreibt ein Kinderhospiz.

Doch noch bevor Büdenbender Nepal verlässt, erreichen sie Eilmeldungen aus der deutschen Politik: die Nachrichten über Thomas Kemmerich, den FDP–Mann, der sich in Thüringen mit Stimmen der CDU und der AfD zum Ministerpräsidenten wählen ließ. Jene Causa, über die letztlich auch die CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer stürzt. Als Bürgerin hat sie dazu eine klare Meinung. Als Frau des Bundespräsidenten schweigt sie.

Auch ihre Gastgeber sprechen das Thema nicht an. In Nepal sind andere Dinge wichtig, um die Demokratie zu stabilisieren.
Die Reise wurde von Unicef unterstützt.

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