75 Jahre nach Kriegsende: Die Geschichte einer lebenslangen Suche nach dem kleinen Bruder
Bis heute gelten 1,3 Millionen Wehrmachtssoldaten als vermisst. Heinrich „Heiner“ Mensing war einer von ihnen. Die Geschichte einer lebenslangen Suche.
Alide Herbig, einst Alide Mensing, war 28, als für sie die lange Zeit der Ungewissheit begann. Ihr fünf Jahre jüngerer Bruder Heinrich, den sie stets Heiner nannte, meldete sich nicht mehr.
Sie wusste nur, dass sie ihn, der in Kürze seinen 23. Geburtstag feiern sollte, noch einmal losgeschickt hatten. An die Ostfront, obwohl er bereits dreimal verwundet worden und eigentlich bloß für den Garnisonsdienst tauglich war.
Doch die Ostfront verlief in diesem Frühling 1945 an der Oder. Ob jemand tauglich war, wurde inzwischen sehr großzügig gehandhabt. Und so mussten noch Zehntausende sterben, um das „Dritte Reich“ für ein paar weitere Wochen am Leben zu erhalten.
Heute ist der Zweite Weltkrieg seit beinahe 75 Jahren vorbei. Aber 1,3 Millionen ehemalige Wehrmachtsangehörige gelten nach wie vor als vermisst. Und mit einer Nachricht aus Berlin drängten die dramatischen Ereignisse in der Familie Herbig sieben Jahrzehnte später noch einmal an die Oberfläche.
Für Alide Herbig, die so lange gewartet hatte, traf sie allerdings zu spät ein.
Die Nachricht erreichte den Neffen
Sie erreichte stattdessen ihren Sohn Peter Herbig. Groß, schlank, graues volles Haar, steht er im Bremerhavener Fischereihafen. Von hier zog sein Onkel Heiner einst in den Krieg.
Peter Herbig war 1945 gerade ein Jahr alt. Natürlich hat er keine Erinnerung an den Mann, auf dessen Arm er als Baby gesessen haben soll. Und doch weiß er viel über ihn, der all die Jahre jung blieb, auf den Fotos, die seine Mutter aufbewahrt hatte.
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Fotos der Geschwister beim Paddeln und Zelten, da waren sie beinahe noch Kinder. Fotos, auf denen Heiner eine graue Uniform trägt. „Ich bin mir sicher, sein Verhältnis zu meiner Mutter war sehr eng“, sagt Herbig.
Das Uniform-Foto hat er bei sich. Er zieht es aus einem braunen Umschlag, der Teil seines Erbes ist. Herbig fand ihn, als nach der Mutter 2014 auch sein Vater starb, schenkte ihm zunächst wenig Beachtung. Das änderte sich, als die Nachricht aus Berlin kam.
Viele Briefe stecken in diesem dicken brauen Umschlag. Zwei hat sein Onkel aus dem Krieg geschickt, sie geben nicht viel preis. Vielleicht durfte er nicht offen sprechen, vielleicht wollte er niemanden beunruhigen. Nur so viel: "Ich wünschte, ich könnte bei euch sein", und "ich hoffe, wir sehen uns gesund wieder".
Vor allem sind da aber Briefe, die erst nach 1945 verschickt wurden, und zwar nicht von Heiner. Sie erzählen deutsche Nachkriegsgeschichte und zeugen von einer lebenslangen Suche.
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Es sind unbefriedigende Antworten auf Alide Herbigs immer gleiche Frage: „Wissen Sie, wo mein Bruder Heinrich Mensing ist?“ Sie stellte sie in Hamburg und Genf, in München und schließlich in Moskau.
Sie schrieb ans Rote Kreuz, an Heimkehrer-Verbände, an den „Suchdienst für vermisste Deutsche in der sowjetischen Besatzungszone“. Und sie schrieb nach Berlin, wo die „Deutsche Dienststelle für die Benachrichtigung der nächsten Angehörigen von Gefallenen der ehemaligen Deutschen Wehrmacht“ ihren Sitz hatte.
Die Antworten ähneln sich: Wir melden uns, wenn wir ihn finden.
In Reinickendorf lagern die Wehrmachtsakten
Die Berliner Dienststelle mit dem langen Namen gibt es immer noch, in Reinickendorf am Eichborndamm. Das heißt, erst vor gut einem Jahr hat sie diesen Namen abgelegt, in dem sieben Jahrzehnte nach dem Krieg immer noch die „Wehrmacht“ auftauchte.
Seit dem 1. Januar 2019 ist das hier eine Zweigstelle des Bundesarchivs: mehrere dunkle Backsteinbauten, die zusammen einen verschachtelten Gebäudekomplex bilden.
Im Wartebereich hinter dem Eingang steht eine Glasvitrine, darin ein paar goldene Ringe, ein verbeultes Essgeschirr, Rasierer, Nagelscheren, Armbanduhren, ein Medaillon zum Aufklappen mit dem Foto einer jungen Frau. Persönliche Gegenstände, irgendwo gefunden, gestrandet in diesem Amt, das einmal zuständig war für die letzten Dinge von Millionen Menschen.
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Eingerichtet wurde die Dienststelle am 26.8.1939, sechs Tage vor Kriegsbeginn. Damals arbeiteten dort mindestens 2.000 Beschäftigte, und die Zahlen, mit denen sie hantierten, waren schon bald vertraulich. Natürlich sollte nicht bekannt werden, wie viele Karteikarten mit dem Eintrag „gefallen“ endeten.
Immer nach Feiertagen kommen die Anfragen
Nach dem Krieg waren Millionen Anfragen zu bewältigen. Inzwischen sind es weniger geworden. Es gibt kaum noch engste Angehörige, erklärt Birgit Wulf von der Abteilung PA für „Personenbezogene Auskünfte“. Dafür kommen die Enkel und wollen Einblick haben in Großvaters Akte, wissen, was er damals getan hat und wo er geblieben ist.
Vor allem nach Feiertagen wie Weihnachten oder Ostern, wenn die Familie beisammensitzt und die Rede irgendwann auf früher kommt. Oder wenn im Fernsehen Filme laufen wie der Weltkriegsmehrteiler „Unsere Mütter, unsere Väter“.
Offene Fragen gibt es immer noch genug. Wahrscheinlich liegen die mehr als eine Million Vermissten irgendwo verscharrt als unbekannter Soldat. Aber es gibt Fälle, zum Beispiel Erbschaftsangelegenheiten, in denen eine Sterbefallbeurkundung nötig wird. Etwa 1.000 solcher Urkunden werden von hier aus noch jedes Jahr veranlasst.
Birgit Wulf führt in eine kleine Halle, in der es ein wenig ungelüftet riecht. Es ist der Dunst von altem Papier, der aus Hunderten Kartons aufsteigt. In diesem Raum tragen sie die Namen von Orten wie Sewastopol und Tobruk, Zechin und Monte Cassino, Orte, an denen Tausende starben.
Einzel- oder Sammelgrab
Zieht man eine beliebige Karte heraus, stößt man auf Einträge wie „Kopf zerschmettert“ oder „Skelett unvollständig“, auf Kürzel wie EG oder SG, Einzel- oder Sammelgrab, und sehr oft auf den Hinweis „unbekannt“.
Im nächsten Raum sind es die Initialen von Namen auf dünnem Papier, die Namen von deutschen Soldaten, die in britische Gefangenschaft gerieten, immer 1.800 in einer Schachtel. Nebenan stehen die Kartons der Amerikaner, nur die Russen haben ihre Akten in Moskau behalten.
Es gibt hier Kisten voller Erkennungsmarken, Umschläge mit Eheringen, Schachteln mit Taschenmessern. Ein bisschen wie auf einem verstaubten Dachboden, wo Erinnerungen verblassen, von denen kaum einer weiß, dass es sie noch gibt.
Vor allem aber existiert hier die zentrale Personenkartei mit vielen Karten auf dünner gelber Pappe, die für jeden Soldaten angelegt wurden, von dem eine Meldung eintraf, ob er nun verwundet, gefallen oder vermisst war. Karten von mehr als 18 Millionen ehemaligen Soldaten.
Die Karteikarte von Heinrich Mensing
Natürlich gibt es auch eine für Heinrich Mensing. Seine Schwester Alide hat den Namen Herbig erst nach ihrer Hochzeit angenommen. Viel kann man der Karte nicht entnehmen, nur, dass er am 3. März 1922 geboren wurde, in einem Teil Bremerhavens wohnte, der damals noch Wesermünde hieß, und Maschinenschlosser lernte. Im Januar 1942 bekam er die Einberufung, seine Firma bedauerte, ihn ziehen zu lassen.
Mensing wurde einer Maschinengewehrkompanie zugeteilt, kämpfte in Russland in der Nähe von Leningrad, das heute wieder Sankt Petersburg heißt. Die Wehrmacht hatte die Stadt beinahe 900 Tage eingeschlossen, drinnen verhungerten die Leningrader, draußen kämpfte die Rote Armee erbittert.
Für seine dritte Verwundung bekam Mensing ein silbernes Abzeichen, ein Projektil war in die Lunge eingedrungen, ein weiteres ins Knie, Granatsplitter verletzten Oberschenkel und Unterarm, das war im August 1943.
Nicht mehr fronttauglich
Mensing wurde in eine Reservekompanie auf der dänischen Insel Fanö geschickt. Das hieß: nicht mehr fronttauglich. Wahrscheinlich wurde er Ausbilder, es gibt Aufzeichnungen von ihm, die auf eine Schulung schließen lassen.
In den Akten taucht er nun erst nach seiner Versetzung in eine Marschkompanie wieder auf, bereit zum Marsch an die Front. Er wurde dem Grenadierregiment 300 zugeteilt, ein Regiment, das erst im Januar 1945 in Döberitz aufgestellt wurde, gleich hinter Staaken, heute vielen Berlinern durch die Ruinen sowjetischer Kasernen an der Bundesstraße 5 bekannt. Ein Regiment aus Soldaten, von denen es eigentlich hieß, sie hätten es hinter sich.
Peter Herbig ist wie Mutter und Onkel in Bremerhaven aufgewachsen, hat die Stadt nie verlassen. „Hat sich natürlich alles sehr verändert“, sagt er und beschreibt mit dem Arm einen Bogen über die beiden Becken des Fischereihafens. „Die Trawler lagen ja hier noch in den 1980er Jahren dicht an dicht“, heute ist nicht viel los im Becken.
Dort hat Heiner Mensing Maschinenschlosser gelernt, immer noch unterhalten Schiffsausrüster ihre Werkstätten in großen Wellblechhallen. Aber 75 Jahre sind eine lange Zeit. In einer der Werkstätten erinnern sie sich nicht mal mehr an die Firma Söhle, die es hier einmal gegeben haben muss, in der der damals 14-jährige Heiner seine Lehre begann.
Die älteren, sagt Herbig, die hätten ja noch gelegentlich von seinem Onkel gesprochen. Doch als Kind hätte er nicht so genau zugehört.
Das Schweigen nach dem Krieg
Ob der Krieg selbst in diesen Erzählungen eine Rolle spielte, weiß Herbig nicht. Sein Vater jedenfalls, der auf einem Torpedoboot an vielen Einsatzorten zwischen dem Schwarzen Meer und der See vor Norwegen war, sprach zu Hause nie über jene Jahre. Vielleicht war das in seiner Stammkneipe am Hafen anders. Vielleicht schwiegen sie auch dort.
Die Dokumentarfilmerin Regina Schilling hat dieses Phänomen 2018 in ihrem preisgekrönten Film „Kulenkampffs Schuhe“ am Beispiel beliebter Schauspieler der 60er Jahre eindrücklich nacherzählt. Wer wusste schon, dass sich der Quizmaster Hans-Joachim Kulenkampff in Russland die erfrorenen Zehen amputiert hat, Fernsehinspektor Horst Tappert in der Waffen SS diente.
Ähnliche Fälle gab es viele, kaum jemand sprach über den Krieg, auch nicht der Humorist Vicco von Bülow, bekannt als Loriot, als Wehrmachts-Leutnant ausgezeichnet mit dem Eisernen Kreuz Erster Klasse und dem Panzer-Kampf-Abzeichen. Loriots Bruder fiel in den letzten Kriegstagen an der Oder.
Entgegen aller Wahrscheinlichkeit
Peter Herbig fand die Briefe, die seine Mutter bis zu ihrem Tod 2003 verwahrt hatte, erst, als auch sein Vater 2014 starb. Nun erfuhr er, wie hartnäckig seine Mutter gesucht, wie sehr sein Vater sie darin unterstützt hatte – entgegen aller Wahrscheinlichkeit.
„Dabei gab es doch bereits damals kaum eine Chance, dass der Heiner mit dem Leben davon gekommen war“, sagt er und schiebt einen Brief seiner Mutter an die Deutsche Dienststelle über den Tisch, geschrieben im Juni 1949. Sie berichtet von der Aussage eines Soldaten, der gesehen haben will, wie Heiner Mensing im April 1945 bei Küstrin fiel, eine Aussage, die allerdings niemand bestätigen konnte.
1952 schickte das Rote Kreuz das Protokoll eines anderen Veteranen, danach sei Mensing im März 1945 von einem nächtlichen Einsatz an der Oder nicht zurückgekommen. „Doch meine Mutter gab die Hoffnung nicht auf, dachte, er sei vielleicht in russische Gefangenschaft geraten.“
1955 kamen die letzten ehemaligen deutschen Soldaten des Weltkriegs aus der Sowjetunion zurück. Konrad Adenauer, damals Bundeskanzler, hatte die Freilassung zum Thema seines ersten Staatsbesuchs in Moskau gemacht.
Heiner Mensing war nicht dabei. „Meine Mutter dachte, vielleicht habe er ja in Russland eine Frau gefunden und inzwischen eine Familie gegründet.“
Drei Jahre später schrieb das Rote Kreuz, dass auf eine Anfrage der Schweizerischen Liga für Menschenrechte die sowjetische Partnerorganisation erklärt habe, „alle Nachforschungen um den Aufenthaltsort ihres Angehörigen seien ergebnislos geblieben“.
Neue Hoffnung
1974 schickte wieder das Rote Kreuz ein Gutachten, das mit den Worten endet: „Es gibt keinen Hinweis, dass der Verschollene in Gefangenschaft geriet. Alle Feststellungen zwingen zu der Schlussfolgerung, dass er gefallen ist.“
Alide Herbig schrieb, dass sie es ablehne, ihn ohne eindeutigen Beweis für tot erklären zu lassen, „dies kann ich mit meinem Gewissen nicht vereinbaren“.
Sie schöpfte noch einmal Hoffnung, als 1990 nach der Wiedervereinigung die verschollen geglaubte Gräberkartei der Wehrmachtsauskunftsstelle in Schloss Dornburg an der Elbe geöffnet wurde. Wieder fand sich nichts über den Bruder.
2003 starb Alide Herbig. 2005 begann der „Verein für die Bergung Gefallener in Osteuropa“ mit seinen Grabungen bei Klessin im Oderbruch. Albrecht Laue ist der Vorsitzende des Vereins, der mit dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge und dem brandenburgischen Landesdenkmalamt kooperiert.
Laue ist 47 Jahre alt. Sein Großvater fiel in Russland, wurde dort beigesetzt. So kam der Enkel zu seiner ehrenamtlichen Arbeit, die er 1994 in der ehemaligen Sowjetunion begann.
Der Gutshof Klessin lag auf einem Höhenzug, dem Reitweiner Sporn. Von da oben kann man die Oder sehen, im März 1945 hatte die Rote Armee bereits Pontonbrücken über den Fluss gelegt, die andere Seite erreicht. Vom Hügel konnte die deutsche Garnison sie mit ihrer Artillerie erreichen.
Antreten zum letzten Angriff
Doch der Hügel war inzwischen von der Roten Armee komplett eingeschlossen. Trotzdem sollte der Posten um jeden Preis gehalten werden. „Fällt Klessin, fällt auch Berlin“ hieß es in einer Order.
Am 20. März 1945 erhielt das Grenadierregiment 300, zu dem Heinrich Mensing inzwischen gehörte, den Befehl, den Belagerungsring um das Gut anzugreifen und den Posten auf der Höhe zu versorgen. Vor ihnen lagen 800 Meter freies Feld und mehrere mit sowjetischen Soldaten besetzte Gräben.
Um 5 Uhr 30 begannen die Deutschen mit ihrem Beschuss der Gräben. Dann gingen 1.295 Mann gedeckt von einigen Panzern vor. Es gibt einen Augenzeugenbericht: Ein Soldat schildert in seinem Tagebuch, wie er als MG-Schütze gemeinsam mit einem anderen vorrückte, „den ich schon in Dänemark als Ausbilder hatte“. Ein „kampferprobter Mann“, wie er schreibt. Möglich, dass es sich um Mensing handelte.
Er schildert den Lärm der Abschüsse und Einschläge, die Schreie der Verwundeten, die Rufe des Leutnants, der droht, „jeden umzulegen, der stehenbleibt“. Den Geruch von Pulver, der die Lunge reizt, und wie sein Nebenmann schließlich ruft: „Mich hat's erwischt“.
Eine Erkennungsmarke wird entdeckt
Nur 66 Mann erreichten den Posten auf dem Hügel. Spät am Abend unternahmen sie einen zweiten Versuch, er scheiterte ebenfalls unter hohen Verlusten. Drei Tage später räumten die Soldaten auf dem Hügel ihre Stellung, viele von ihnen fielen diesem Rückzug zum Opfer.
Im Herbst 2014 stieß Laues Verein bei einer Grabung zum wiederholten Male auf im Erdreich verscharrte menschliche Gebeine, Russen und Deutsche. Sie lagen in keinem anatomischen Zusammenhang mehr, einzelne Skelette waren nicht mehr zu identifizieren.
Aber zwischen den Knochen lag eine deutsche Erkennungsmarke, wie sie die Soldaten damals um den Hals trugen.
Laue ist aufgrund des Fundortes überzeugt, diese Männer fielen am 20. März 1945 beim Vorstoß auf Gut Klessin, wahrscheinlich bereits in der ersten Welle. Die Erkennungsmarke wurde zum Eichborndamm nach Berlin geschickt.
Dennoch dauert es noch ein Jahr, ehe Peter Herbig Post von der Deutschen Dienststelle in Reinickendorf erhält.
Die Marke ist als die Heinrich Mensings identifiziert worden. Sein Tod nach 70 Jahren gewiss. Seine Gebeine befinden sich nun auf einem Friedhof in Wuhden unweit Klessins.
Der Zustand des Skeletts ließ darauf schließen, dass Heinrich Mensing wie die anderen Opfer noch Monate unter freiem Himmel auf dem Acker bei Klessin lag. Es gab auch niemanden, der sie hätte bestatten können. Die Rote Armee zog weiter nach Berlin, alle Zivilisten waren längst geflohen. Sie kamen erst später zurück.
Die gefährliche Bergung der Opfer
Fotos zeigen, wie sie 1946 versuchten, zwischen ausgebrannten Panzerwracks das Feld zu bestellen. Immer noch wurden verweste Leichen aus dem verminten Gelände in die alten Schützengräben gezogen und mit Erde bedeckt. Ein gefährliches Unterfangen. Noch 1950 kamen 19 Personen im Kreis Lebus, zu dem auch Klessin gehört, bei Minenexplosionen ums Leben.
„Ich weiß nicht, wie mein Onkel gedacht, woran er geglaubt hat“, sagt Peter Herbig heute. Ob er etwa versucht hätte, sich diesem sinnlosen Angriff zu entziehen, oder mit Überzeugung gekämpft hat. „Doch wer kann heute schon sagen, wie er in solch einer Situation gehandelt hätte.“
Eines hat er sich noch vorgenommen: Er wird in Berlin anfragen, ob er die Erkennungsmarke seines Onkels bekommen könnte. Er möchte sie gern ins Grab seiner Eltern geben, zu Alide.