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Der Mönch Ashin Wirathu (Bildmitte), Oberhaupt eines Klosters, gilt als ideologisches Vorbild für die hetzenden Buddhisten.
© Soe Zeya Tun/Reuters

Myanmar: Buddhistische Mönche befeuern Hass gegen Muslime

In den Straßen Myanmars wächst die Gewalt gegen Muslime. Nicht zuletzt wegen Aussagen von buddhistischen Mönchen. Dabei gilt die Religion eigentlich als friedlich.

Ob man mit Muslimen auf Dauer friedlich zusammenleben könne, sei keine besonders kluge Frage, sagt U Sei Tun. Natürlich könne man das nicht. Muslime respektierten keine Gesetze, neigten leider zu Gewalt. Verwendeten alle Kraft darauf, möglichst viele Frauen zu heiraten. „Ich behaupte nicht, dass sie Tiere sind“, sagt U Sei Tun. „Ich behaupte nur, dass sie sich wie Tiere vermehren.“

In Myanmars Wirtschaftsmetropole Rangun muss man nicht lange suchen, um Menschen mit Einstellungen wie der von U Sei Tun zu finden. Der Mann betreibt einen Handyladen am Rand des Maha-Bandula-Parks, gegenüber glänzt die goldene Sule-Pagode in der Mittagssonne. Ginge es nach ihm, müsste die Regierung endlich härter gegen die Muslime vorgehen. Sonst breite sich der Islam weiter aus. „Das ist gefährlich. Sie kennen doch den IS, oder?“

Geschätzte fünf Prozent der 53 Millionen Einwohner Myanmars sind Muslime. Ein Teil von ihnen gehört zur Volksgruppe der Rohingya, die vergangenes Jahr in der Provinz Rakhaing zu hunderttausenden vertrieben wurden, tausende wurden vergewaltigt und ermordet. Aber auch in Rangun, 400 Kilometer südöstlich der Schauplätze dieser Taten, materialisiert sich der Hass. Zwei Koranschulen wurden auf Druck radikaler Buddhisten von der Polizei geschlossen, offizielle Begründung: Man könne die Sicherheit der Schüler nicht länger gewährleisten. In einem anderen Viertel suchte ein buddhistischer Mob nach Rohingya, die angeblich nach Rangun geflüchtet seien und sich hier versteckt hielten. Als die Männer keine fanden, griffen sie wahllos Muslime aus der Nachbarschaft an. In allen Fällen waren Mönche beteiligt.

Gilt der Buddhismus nicht als die friedlichste und sanfteste aller Religionen, als Lehre der Harmonie und inneren Ausgeglichenheit? Wie kann es sein, dass strenggläubige Buddhisten in Myanmar derart intolerant sind – und in ihrer Hetze offenbar dieselben Argumente benutzen wie deutsche Islamhasser?

Die Muslime Ranguns leben in einem eigenen Viertel etwas westlich der Sule-Pagode. Fast alle Männer tragen hier Bärte, manche Frauen Kopftuch. In der Chulia-Dargah-Moschee beginnt bald das Nachmittagsgebet. Draußen bieten Händler Gebetsketten und Gemälde mit Mekka-Motiven an, drinnen waschen sich die Gläubigen in einem großen Becken Hände und Füße. An der Decke drehen sich Ventilatoren. Kommt man hier mit Gläubigen ins Gespräch, hat fast jeder eine bedrückende Geschichte zu erzählen. Da ist der Taxifahrer, der sagt, manche Gäste weigerten sich, zu einem Moslem ins Auto zu steigen. Da ist der Student, der am liebsten ins Nachbarland Malaysia auswandern würde. Vor kurzem sei er von Fremden auf der Straße angesprochen worden: Ob er Moslem sei. Die Männer hätten aufgebracht gewirkt. Er habe nein gesagt. Nun bereue er seine Feigheit.

Ein anderer sagt, gegenüber Muslimen habe immer Argwohn bestanden. In der öffentlichen Verwaltung dürfen sie nicht arbeiten, im Militär nicht dienen, kein einziger sitzt im Parlament. Richtiger Hass sei jedoch erst gewachsen, nachdem die afghanischen Taliban im Frühjahr 2001, ein paar Monate vor den Anschlägen vom 11. September, die berühmten Buddha-Statuen von Bamiyan gesprengt hätten. Das habe in Myanmar wochenlang die Nachrichten bestimmt und die Vorstellung geprägt, Muslime seien unzivilisiert, die eigene Kultur müsse gegen sie verteidigt werden.

Muslimische Rohingya fliehen von Myanmar ins benachbarte Bangladesch.
Muslimische Rohingya fliehen von Myanmar ins benachbarte Bangladesch.
© dpa/Bernat Armangue

Mehr als 20 Gemeinden Myanmars haben sich inzwischen zu „no-go zones“ für Muslime erklärt. In verschiedenen Landesteilen wurden Moscheen angezündet, auch in der Nähe Ranguns. Manchmal standen Polizisten daneben und griffen nicht ein. Meist waren buddhistische Geistliche unter den Brandstiftern.

Der Mönch, der als ideologisches Vorbild für die hetzenden Buddhisten gilt, heißt Ashin Wirathu. Der 49-Jährige ist Oberhaupt eines Klosters in Mandalay und Führungsfigur gleich zweier islamfeindlicher Gruppierungen: der ultranationalistischen „Ma Ba Tha“ („Organisation zum Schutz von Rasse und Religion“) und der sogenannten „Bewegung 969“. Die Zahlenkombination steht für die neun Tugenden Buddhas, die sechs Attribute seiner Lehre sowie neun Regeln der Mönchsgemeinschaft. In Rangun kann man sie vielfach entdecken, in roter Schrift an Imbissfassaden oder auf T-Shirts an Souvenierständen.

Ashin Wirathu möchte sämtliche Muslime aus Myanmar vertreiben, nennt sie „tollwütige Hunde“ und „Kannibalen“. Muslime seien für fast alle Verbrechen im Land verantwortlich: Drogenhandel, Raub, Vergewaltigung. Vor allem wirft er ihnen vor, die Kultur und Identität Myanmars zerstören zu wollen. Wegen seiner Propaganda saß Ashin Wirathu schon im Gefängnis, kam im Rahmen einer Generalamnestie frei. Inzwischen steht seine Bewegung dem Militär nahe, das im Land trotz Öffnung und Wahlen weiter massiven Einfluss hat.

Die Gläubigen in der Chulia-Dargah-Moschee verziehen ihre Mienen, wenn sie Ashin Wirathus Namen hören. Sie sagen, die Zeiten seien besser gewesen, als der Mönch noch als extremistischer Außenseiter und Unruhestifter galt. Einige seiner Forderungen fänden mittlerweile breite Unterstützung in der Bevölkerung. Etwa die nach einer Gesetzesreform: Muslimische Männer sollen buddhistische Frauen nur noch dann heiraten dürfen, wenn eine Behörde dies genehmigt.

Einer der Gläubigen hat eine Tageszeitung mitgebracht. Die „Global New Light Of Myanmar“. Der heutigen Ausgabe liegt ein Sonderteil bei: ein Fahndungsaufruf mit Steckbriefen von 250 mutmaßlichen Terroristen. Seite für Seite sind dort Fotos aus Überwachungskameras abgedruckt, darunter die Namen der Gesuchten: Marmart, Abu Au, viele Mahammads. Die Männer sollen der muslimischen Rebellengruppe „Arsa“ angehören, die laut Regierung einen Dschihad anzetteln und auf dem Gebiet der Rohingya ein Kalifat errichten will. Dass diese Gruppe existiert und voriges Jahr dutzendfach Polizeistationen angriff, ist unbestritten. Ihre Motive sind allerdings unklar. Der Anführer behauptet, er kämpfe für Autonomie und einen säkularen Staat, in dem Muslime nicht mehr um ihr Leben fürchten müssten.

Das Militär reagierte auf die Attacken von Arsa mit der bis dahin schlimmsten Gewaltwelle gegen muslimische Zivilisten. Offiziell heißt es, die Soldaten hätten sich auf dem Gebiet der Rohingya nur verteidigt. Das sagte auch Ashin Wirathu, das Oberhaupt der radikalen Mönche, als er kürzlich die Provinz bereiste, um sich selbst ein Bild zu machen. Falls Muslime irgendwie zu Schaden gekommen seien, sei das nötig gewesen. Weit verbreitet ist in Myanmar allerdings auch die Lesart, im Bundesstaat Rakhaing hätten gar keine Kampfhandlungen stattgefunden. Die Rohingya hätten ihre Dörfer selbst angezündet, um sich dann als Verfolgte auszugeben und in Europa Asyl zu beantragen.

Rohingya-Flüchtlinge warten im Kutupalong-Lager auf Lebensmittel.
Rohingya-Flüchtlinge warten im Kutupalong-Lager auf Lebensmittel.
© REUTERS

Den Vereinten Nationen, Hilfsorganisationen und Journalisten bleibt der Zugang in den Landesteil weiter verwehrt. Trotzdem wird das Ausmaß der ethnischen Säuberungen immer deutlicher: Durch Zeugenbefragungen Überlebender und Auswertung von Luftaufnahmen konnten zahlreiche Massaker dokumentiert werden.

Der Gruppe „Human Rights Watch“ ist eine der genauesten Rekonstruktionen des Grauens gelungen. Die Studie zeichnet die Ereignisse in Tula Toli nach, einem Dorf im Norden des Rohingya-Gebiets. Demnach führten Soldaten alle Bewohner zum nahegelegenen Flussufer und versprachen, ihnen werde nichts geschehen. Zunächst trennten sie Männer von Frauen und Kindern. Die Männer mussten sich in einer Reihe aufstellen, wurden mit Raketenwerfern und Maschinengewehren beschossen, ihre Leichen in einem Loch verscharrt. Die Kinder wurden vor den Augen ihrer Mütter erschlagen, manche mit bloßer Faust, manche mit Spaten. Dann wurden die Frauen in Bambushütten gebracht, vergewaltigt, zum Schluss erschossen, die Hütten angezündet.

Einige wenige haben die Schüsse überlebt und es auch durch die brennenden Bambuswände geschafft. Ein paar andere rannten davon, bevor das Militär das Dorf abriegelte. Human Rights Watch hat die Aussagen dieser Überlebenden protokolliert, mit Satellitenbildern abgeglichen. Die Beweise sind erdrückend, sagt Phil Robertson, der die Studie durchgeführt hat, am Telefon.

Und es gibt viele Tula Tolis. Insgesamt habe das Militär mehr als 340 Dörfer zerstört. Etliche Taten könnten wohl nie aufgeklärt werden, zumal die Regierung gerade Beweise vernichte: Bulldozer ebnen die Orte der Massaker ein, Massengräber inklusive, und es sei davon auszugehen, dass sich Aung San Suu Kyi, die Regierungschefin und einst gefeierte Friedensnobelpreisträgerin, aktiv an diesen Vertuschungen beteilige. Lange wurde über ihr Schweigen gerätselt – ob sie die Vertreibungen gutheiße oder nur zu schwach sei, sich gegen das Militär durchzusetzen. "Inzwischen ist klar, dass Aung San Suu Kyi Teil des Problems ist."

Die Planierarbeiten der Bulldozer haben laut Robertson noch einen zweiten Grund: So würden auch die letzten Reste Infrastruktur vernichtet, um eine Rückkehr der nach Bangladesch geflüchteten Rohingya unmöglich zu machen. Offiziell haben sich die Regierungen Myanmars und Bangladeschs auf den Plan geeinigt, die Vertriebenen sukzessive wieder in ihrer Heimat anzusiedeln. 1500 pro Woche. In ein Gebiet, zu dem internationale Beobachter auch künftig keinen Zutritt haben werden.

„Eine Abmachung über die Köpfe und Interessen der Betroffenen hinweg“, sagt Robertson. „Ich würde nach allem, was wir wissen, keinem Rohingya empfehlen, dieses Angebot anzunehmen.“ Es sei vermutlich lebensgefährlich. In seiner Studie über das Massaker in Tula Toli hat Human Rights Watch auch Forderungen an die internationale Gemeinschaft gestellt. Unter anderem müsse sie dringend Sanktionen verhängen. Genau das haben die EU-Staaten nun, ein halbes Jahr nach der blutigsten Vertreibungswelle, angekündigt. Aber die Maßnahmen beschränken sich auf EU-Einreiseverbote und Vermögenssperren gegen ranghohe Militärs sowie Exportverbote für Waffen. „Wir sind frustriert“, sagt Phil Robertson.

Die Muslime in der Ranguner Moschee fürchten, dass sich auch in der früher als liberal geltenden Metropole die Gewalttaten häufen werden. Vorwände fänden sich leicht. Da reiche es, wenn ein muslimisches Mädchen mit seinem Fahrrad aus Versehen einen Mönch anfahre, um eine Menschenmenge in Rage zu bringen. Genau das ist in einem Vorort Ranguns bereits einmal passiert. Am Ende brannten 70 Häuser, zwei Moscheen wurden eingerissen, ein Mensch starb.

Der Dalai Lama hat die Gewalttaten seiner Glaubensbrüder in Myanmar verurteilt. Das Töten im Namen von Religion sei undenkbar. „Aber jetzt lassen sich sogar Buddhisten dazu verleiten.“ Ashin Wirathu, der radikale Mönch, sagt, er respektiere den Dalai Lama nicht. Der sei nur ein politischer Strippenzieher.

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