zum Hauptinhalt
Das Dômes Charlevoix in Kanada gehört zu den Hotels, in denen man gut Sicherheitsabstand halten kann - es hat nur drei Zimmer.
© Promo

Weihnachtliche Buchtipps aus der Redaktion: Reisen zu verschenken

Der Skitrip fällt aus, das Strandhotel ist abgesagt. Reisen? Höchstens mithilfe von Büchern. Ein paar Geschenkideen, um die Sehnsucht zu stillen

Dieses Jahr ist alles anders. Wegen der anhaltenden Corona-Pandemie fallen viele Urlaube aus, doch die Lust auf die Ferne ist ungebrochen. Dagegen hilft nur eins: in Büchern versinken. Und vielleicht ein paar Anregungen für die Zeit danach sammeln.

Für Zeitreisende

Die besten Reisen sind die, die niemandem weh tun. Der Umwelt nicht, dem Portemonnaie nicht – und der Gesundheit auch nicht. Zeitreisen sind die Mobilitätsform der Stunde. Das Buch von Kathrin Passig und Aleks Scholz beginnt nach einem kulturellen Überbau als Erstes ganz herrlich mit den Weltausstellungen. London 1851 – da haben Sie nach Meinung des Duos nicht viel verpasst. Kerzenleuchter, Stoffe und so – und als Highlight die Blutegelwettervorhersage.

Kurz und knackig sind ihre Ausflüge. Dass diese so gegenwärtig wirken, liegt nicht allein an dem Präsens, das die beiden benutzen. Passig und Scholz, die schon ein Buch übers Verirren zusammen geschrieben haben, sind muntere Erzähler, schön ironisch, mit Sinn fürs sprechende Detail. Als Bewohner des 21. Jahrhunderts versetzen sie sich in die Vergangenheit hinein: ein großes Was-wäre- wenn-Spiel.

Mit der größten Selbstverständlichkeit bewegen sie sich durch die Jahrhunderte und Kontinente, von Granada im Jahr 1333 in die DDR und zurück in die Kreidezeit. Diese Leichtigkeit und Freiheit überträgt sich auf den Leser. Auf spielerische Art erfährt man eine Menge über die Vergangenheit – und Gegenwart. Das Buch sei allen Jammerern des Früher-war-alles-besser ans Herz gelegt: War es nicht.

Wie in einem richtigen Reiseführer sprechen Passig und Scholz die LeserInnen direkt an, raten zu und ab und geben praktische Tipps, etwa in punkto Bezahlen. Danach wird niemand mehr über die gemeinsame europäische Währung wettern. Eine beflügelnde Lektüre gegen schlechte Laune und Vergesslichkeit. (Kathrin Passig und Aleks Scholz: Handbuch für Zeitreisende. Von den Dinosauriern bis zum Fall der Mauer. Rowohlt Verlag, 335 Seiten, 20 Euro)

Diese Kirche in Neuseeland könnte Wes Anderson gefallen - deshalb hat sie Platz gefunden im Buch "Accidentally Wes Anderson"..
Diese Kirche in Neuseeland könnte Wes Anderson gefallen - deshalb hat sie Platz gefunden im Buch "Accidentally Wes Anderson"..
© Kalpeshs Tailor/ "Accidentally Wes Anderson"/ 2020 DuMont Buchverlag

Für Filmromantiker

Das ist das Schöne an der Kunst: Sie öffnet einem die Augen. Man läuft mit einem anderen Blick durch die Welt, sieht in Supermarktregalen und menschenleeren Straßen plötzlich Fotos von Thomas Struth oder Andreas Gursky, den Stars der Düsseldorfer Schule, und hat beim Einchecken im New Yorker „The Jane“ das Gefühl, im Grand Budapest Hotel gelandet zu sein. Überall ist Wes Anderson. Als hätte der Regisseur sie inszeniert, so sehen die Häuser und Hütten, die Telefonzellen und Schaltzentralen, die Hunde und Hotels vor Bergpanorama aus, die hier versammelt sind: poppig oder pastell bunt, manchmal melancholisch, immer absurd, oft symmetrisch, seriell.

Und immer ganz real. Für den Band „Accidentally Wes Anderson“ hat der Film-Fan und passionierte Reisende Wally Koval die leuchtenden Bilder aus der ganzen Welt versammelt. Immer frontal fotografiert, konzentrieren sie sich aufs Wesentliche. Fast menschenleer sehen die Gebäude aus, als würden sie schlafen oder träumen. So liebevoll die Gestaltung, auf mattem Papier, sind auch die kleinen Geschichten, die Koval zu den Orten erzählt.

Etwa, wie das Aussichtsfernglas, das wie ein Gesicht aussieht, nach Newport Beach kam – und wie der Ort so populär wurde. Ganz en passant erfährt man, dass das Amalienbad – außen Beton, innen Art Déco –, nach der ersten Frau benannt wurde, die in den Wiener Gemeinderat gewählt wurde und sich dort für den Bau öffentlicher Bäder einsetzte. Das Buch macht große Lust aufs Reisen. Bis es denn tatwieder möglich ist, stimmt es in diesen trüben Zeiten außerordentlich heiter. (Wally Koval: Accidentally Wes Anderson. Aus dem Englischen von Mia Pfahl. DuMont Verlag, 368 Seiten, 28 Euro)

Ein kleines Hotel in Ruanda: die Bisate Lodge.
Ein kleines Hotel in Ruanda: die Bisate Lodge.
© Daniel Fernandez Campos

Für Abstandhalter

Wir dürfen doch noch träumen dürfen! Von Zukunftsreisen und unfassbar aufgeräumten Zimmern. Zum Beispiel mit diesem quadratisch praktischen Band (passt super ins Handgepäck) über kleine Hotels. Florian Siebeck hat dafür 40 sehr geschmackvoll eingerichtete Häuser ausgewählt – und hoffentlich auch besuchen können –, die alle etwas gemeinsam haben. Sie verfügen über wenige Zimmer.

Im Fall des Central Hotels sogar nur eines, das über dem gleichnamigen Café in Kopenhagen liegt. Gestaltet von einem Setdesigner, der diese Mansardenhöhle mit Fundstücken aus aller Welt und einem flinken Finger auf Ebay ausgestattet hat. In solchen Unterkünften steht das Wohlfühlerlebnis im Vordergund. Der Gast kann Abstand halten und braucht sich keine Sorgen um den hustenden Geschäftsmann vor dem Fahrstuhl machen.

Oder wie wäre es mit dem Casa Popeea im rumänischen Braila? Ein Boutiquehotel mit elf Suiten, das mit minimalistischen Eichenmöbeln und Fischgrätparkett genauso gut in Südtirol stehen könnte. Es sind solche Entdeckungen, die das Kompendium lohnen. Hier kommen eben nicht nur bekannte Ziele wie Italien und Indonesien vor, sondern auch der Iran, Ruanda und Tasmanien.

Siebeck sucht überall nach dem Besonderen, sei es ein Zimmer im Prager Fernsehturm oder ein Refugium in einem norwegischen Leuchtturm, und erzählt dazu in kurzen Texten die Geschichte des Hauses. Aber eigentlich will man nur gucken, staunen und schwelgen. Und ein bisschen auf eine Gehaltserhöhung hoffen. Denn obwohl keine Preise in dem Buch gelistet sind, braucht es nur wenig Fantasie, um sich manche Rechnung beim Check-out vorzustellen. (Florian Siebeck: Tiny Hotels, Prestel Verlag, 224 Seiten, 30 Euro)

Unendliche Weiten in Grönland.
Unendliche Weiten in Grönland.
© dpa

Für Kaltduscher

Eine Frau, alleinstehend, Mitte 40, kinder- und elternlos, begibt sich auf eine Schiffsreise zur Arktis. So beginnt in diesem Fall weder eine Reportage noch ein Roman, sondern eine Erzählung. So nennt die Journalistin und Songschreiberin Arezu Weitholz ihr Hybrid. Sie ist mehrmals in den kalten Norden gereist, stand vor der Landschaft Labradors, unfähig die Gefühle genau zu erklären, gewiss nur in dem Glauben, dass diese Härte der Eiswelt etwas macht mit den Besuchern, die zu ihr aufbrechen.

Also ist sie öfter gefahren, nach Grönland oder Manitoba, hat gelernt, das Meer, das Eis, die Natur genau zu beobachten und die Schattierungen von Geröll und Wasser zu benennen. Sie berichtet von verlassenen Minen in Grönland, Bootsausflügen zu Eisbergen und den Depressionen der Inuit, die sich früher einfach auf eine Eisscholle setzten und dem Nirwana entgegenschipperten.

Die reportagigen Elemente der Polarmeerexkursion sind alle wahr, die zwischenmenschlichen erfunden. Und deshalb schlittert manche Passagierbegegnung am Klischee vorbei (die Funktionsjackenträger). Das Buch ist am stärksten, wenn es darüber reflektiert, was eine Expedition in die Unwirtlichkeit mit uns anstellt. Es gibt keine Safariprosa („Niemand wird ein Walross oder einen Narwal sehen, und ein Eisbär wird sich nur in sehr großer Entfernung blicken lassen“, steht gleich im Vorwort), dafür Nachdenkenswertes über den Rand der Welt, wie wir darauf blicken und was das über uns sagt. „Wir waren so weit von allem entfernt, dass man schon von einem Entdecken sprechen kann, wenn wir mal barfuß über einen Strand liefen.“ Eine Reise ins weiße Flimmern da draußen und in uns drin. (Arezu Weitholz: Beinahe Alaska, Mare Verlag, 192 Seiten, 20 Euro)

Zur Startseite