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Selbst ist die Frau. Bei den Kuna hat Gleichberechtigung Tradition. So zieht ein frischgebackener Ehemann selbstverständlich zur Familie seiner Gattin.
© mauritius images / age

Panama: Im Einbaum zur Teufelsinsel

Der panamaische San-Blas-Archipel besteht aus 365 Eilanden. Hier wohnen die Kuna-Indianer. Und geben Touristen gern Einblick in ihren Alltag.

Michel Besson tritt kräftig auf die Bremse. Abrupt kommt unser Geländewagen auf einer der Bergkuppen im Regenwald an der Nordküste Panamas zum Stehen. Um halb sechs in der Frühe hatte uns der Schweizer Guide am Victoria Hotel in Panama City abgeholt.

Wir wollen den San-Blas-Archipel kennenlernen – eine Kette aus 365 Inseln in der karibischen See. Viele von ihnen sind unbewohnt, bisweilen nur winzige Ovale im Meer. Und selbst die bewohnten Eilande sind oft binnen zehn Minuten zu Fuß zu umrunden.

Rund vier Stunden dauert die Autofahrt, die auf der Panamericana beginnt. Wir überholen knatternde Überlandbusse. „Diablos rojos" (Rote Teufel) werden sie genannt. Die Besitzer haben sie je nach Geschmack bemalt, je greller, desto besser. Die Busse stoßen schwarze Abgaswolken aus. Laute Musik dringt aus ihren offenen Fenstern.

Wir müssen zunächst die mittelamerikanische Landbrücke Richtung Atlantischer Ozean durchqueren. Allmählich wird der Verkehr dünner. Halt an der Mautstelle zum Nusagandi-Naturschutzgebiet. 17 Dollar Eintrittsgeld werden fällig.

Wir können den Regenwald schon riechen. Und dann plötzlich diese Vollbremsung. Warum stoppt Michel, nur weil da ein Plastikschlauch auf dem Weg liegt? „Das ist eine giftgrüne Viper – suuuper gefährlich“, erklärt er. Natürlich darf man das Tier in einem Schutzgebiet nicht überfahren. „Einmal habe ich in dieser Gegend einen Affen über die Straße geführt, der saß einfach so in der Mitte“, sagt der 34-Jährige. „Und ob ihr es glaubt oder nicht, nachdem ich ihn auf der anderen Straßenseite losgelassen hatte und wieder im Auto saß, hat er mir zugenickt.“

Michel aus der Schweiz folgte seiner Frau Soguiguili nach San Blas

Nach einem Kaffee in der einfachen Lodge in Fonda Garduk – benannt nach einer Orchidee – fahren wir weiter durchs tropische Dickicht. Es ist der einzige Weg für alle, die zu den San-Blas-Inseln übersetzen wollen. Die artenreiche Umgebung ist noch weitgehend unberührt. Dachten wir. Doch kaum um die nächste Kurve gebogen, sehen wir, wie großflächig Bäume abgeholzt werden. Vor der Rodungsfläche kündet ein Bauschild von denen, die da kommen werden: www.sanblasgolf.com.

Solarpaneele liefern Lichtstrom.
Solarpaneele liefern Lichtstrom.
© Reinhart Bünger

Fliederfarben blühen üppige Jacaranda-Bäume, Marañon-Sträucher mit ihren roten Früchten säumen den Weg, blau gefiederte Hüttensänger, eine Drosselart, und kunterbunte Schmetterlinge flattern vor uns um die Wette. Wir erreichen den Hafen Galu Dibin.

Wer hier ankommt, will gleich weiter auf die San-Blas-Inseln. Und taucht ein in eine fremde Welt. Nur Kuna-Indianer dürfen dauerhaft auf den Eilanden leben. Und ihre angeheirateten Partner. Zu ihnen gehört auch Michel, der sich vor drei Jahren mit dem kleinen Touristikunternehmen „Sogui Tours“ selbstständig gemacht hat. Michel hat seine Frau Soguiguili, gebürtig auf einer der San-Blas-Inseln, in der Schweiz kennengelernt. Dort absolvierte sie eine Ausbildung zur Hotelfachfrau.

Kein Fernseher, keine Schränke, kein WLAN

Der Stamm der Kuna lebt in der Tradition des Matriarchats. Das bedeutet, dass der erwählte Mann bei der Familie der Frau einzieht. Rund 55.000 Kuna gibt es noch, ihr Stammesgebiet Guna Yala ist geschützt und erstreckt sich rund 180 Kilometer bis zur kolumbianischen Grenze. Von Statur sind die Kuna klein, nach den Pygmäen das zweitkleinste Volk der Welt, wie Ethnologen herausgefunden haben wollen. Doch sie sind von schier unerschöpflicher Energie, heißt es.

Noch bewegt sich der Tourismus auf den San-Blas-Inseln auf einem sehr schlichten Niveau. In der Hütte stehen Bett, Stuhl und Tisch. Kein Fernsehapparat, keine Klimaanlage, kein W-Lan. Schränke sucht man vergebens. Die Kleidung hängt, wo immer jemand einen Nagel eingeschlagen hat. Strom gibt es nur, wenn der Generator läuft. Einige Solarzellen auf den Hüttendächern spenden abends Energie für LED-Licht.

„Seit zwei Jahren engagieren wir uns hier im Tourismus“, sagt Michel. „Wir bieten Touren von ein bis drei Tagen an – die meisten Gäste stammen aus Europa und aus den USA. Die „Gringos“ kommen den Kuna ganz recht – denn sie bringen Geld. Gegen bare Münze versorgen die Einheimischen Besucher mit Essen und weisen ihnen eine Hütte zu. Vielen gefällt das. „Das ist hier nicht das Paradies, sondern der Himmel auf Erden“, haben Oliver und Katrin aus Estland ins Gästebuch auf der Isla Diablo geschrieben.

"Keine Kontamination, verstehen Sie?", fragt der Dorfälteste

Leopoldo Richard.
Leopoldo Richard.
© Reinhart Bünger

Wir haben das Eiland mit einem kleinen Ausflugsboot und großem Außenbordmotor nach zwanzig Minuten erreicht. Eine rasante Fahrt. Wir sitzen auf den blanken Holzbänken und müssen uns festhalten, um nicht herauszufallen. Zum Glück ist das türkisfarbene Wasser im Archipel so flach, dass man sogar zu Fuß zur Teufelsinsel laufen könnte.

Dort begrüßt uns ein Teufelskerl im feingerippten Unterhemd. Es ist Leopoldo Richard, der Stammesälteste. Der 79-Jährige hat auf der Insel das Sagen. Und freut sich über Besuch. „Vielleicht liegt es am Frieden hier, dass die Menschen gern zu uns kommen – keine Kontamination, verstehen Sie?" Richard schüttelt sich vor Lachen.

Jan den Besten, ein Arzt aus Den Haag, sah das zunächst anders. Kaum war er mit seinem Freund angekommen, wollten die beiden gleich wieder weg. Die Teufelsinsel erschien ihnen zu klein und ohne jede Abwechslung. Sand, Strand, Hütten – das war’s. Wie sollte man hier die Tage herumbringen? Doch genau das ist ein Wert auf dieser Insel.

Das Bett aus Bambus ist hart

Wer zivilisationsmüde oder überarbeitet ist, kann hier nach zwei Tagen seinen Nachnamen in Zeitlupe buchstabieren. Es ist, als bliebe die Zeit einfach stehen. „Die Kuna sind friedlich und sehr nett – komfortabel ist es allerdings nicht“, sagt der Niederländer. Das Bett ist aus Bambus und hart, die Hütten sind mit Palmenschilf gedeckt, manchmal ist noch eine Plastikplane gegen den Regen eingeflochten – ein Raum, drei Betten, sonst nichts. Macht 79 Dollar pro Person und Tag, drei Mahlzeiten inklusive.

Hier kann man die Seele baumeln lassen.
Hier kann man die Seele baumeln lassen.
© Reinhart Bünger

Zelten ist auch möglich, erzählt Roger Perea, der für die Panamakanalgesellschaft arbeitet. Er macht ab und an mit seinen Eltern Urlaub auf der San-Blas-Insel „Isla Aguja“ und bucht sich in der Anlage „Icodub“ ein.

Von sechs Uhr morgens bis zehn Uhr abends gibt es dort Strom. Macht 150 Dollar pro Person und Nacht inklusive Parkgebühr, Ausflüge, drei Mahlzeiten täglich, Hin- und Rückfahrt nach Panama City. Inzwischen landen auch Ausflugsboote großer Kreuzfahrtschiffe Passagiere an. Doch die bleiben immer nur ein paar Stunden.

Es ist nicht gut, wenn der Mensch allein ist, glauben die Kuna. Daher: „Gegessen wird zusammen“, sagt Leopoldo Richard. Jetzt gibt es erst mal Fisch, frisch gefangen von den Männern, die ihn gerade in ihrem Einbaum herangerudert haben.

Kokosnüsse fallen einem leicht auf den Kopf

Die San-Blas-Inseln sind nicht nur ein exotisches Ziel, sie seien auch ein formidabler Drogenumschlagsplatz, erzählt Michel Besson. Die Kuna müssten eben sehen, wie sie zu Geld kommen. Die einen versuchen es im Tourismus und verkaufen den Besuchern in mehreren Lagen bunt bestickte Stoffbilder, die sogenannten Molas. Andere stellen ihre Inseln eben für einen schnellen Deal zur Verfügung.

Der Panamakanal ist ganz in der Nähe, Schnellboote kommen aus Kolumbien, bringen Waren, die von Frachtern in Richtung Europa oder Amerika mitgenommen werden. „Überall, wo Du gut ausgestattete Inseln mit Stromgeneratoren ohne Touristen siehst, ist etwas im Busch“, behauptet der Schweizer.

Zum Schluss hat er noch zwei Tipps für den Besuch auf den San-Blas-Inseln: „Am besten eine Isomatte zum Abfedern mitnehmen. Und passen Sie auf die Kokosnüsse auf – die fallen einem leicht auf den Kopf.“

Von der Hauptstadt per Kleinflugzeug an die Karibikküste

ANREISE

Mit Condor von Frankfurt am Main über Santo Domingo nach Panama ab rund 700 Euro. Ab 800 Euro findet man auch Flüge mit Lufthansa oder Air France/KLM über Paris/Amsterdam.

ÜBERNACHTUNG

in Panama Stadt: Clarion Victoria Hotel and Suites Panama, Businesshotel im Zentrum, Doppelzimmer ab 66 Euro mit Frühstück. Buchbar zum Beispiel über Tui.

INSELAUSFLUG

Der Lateinamerika-Spezialist Miller-Reisen bietet einen dreitägigen Ausflug auf die San-Blas-Inseln an. Dazu gehört ein kurzer Flugtransfer an die Küste und die Bootsfahrt zur gut ausgestatteten Yandup Island Lodge. Ausflugsmöglichkeiten zu anderen Inseln. Die Tour mit Übernachtungen und Vollpension kostet ab 557 Euro. Näheres bei Miller- Reisen, Telefonnummer: 07529/97130.

ADRESSEN

Wer individuell auf die Inseln möchte, bekommt Rat und Hilfe unter den Internetadressen folgender Veranstalter: mamallena.com/sanblasisland, sanblastourspanama.com, panamatravelunlimited.com/san-blas-island-tours

REISEFÜHRER

Hans Zaglitsch und Linda O’Bryan: Panama, individuell entdeckt, Verlag Reise Know-How, 2013, 23,90 Euro.

Reinhart Bünger

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