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Hinein ins Schneevergnügen - mit kleinen Kindern ist das teilweise ein Hindernislauf.
© Felix Hörhager/dpa

Familienurlaub mit zwei Kleinkindern im Schnee: Einen Skizauber muss man sich erarbeiten

Es ist ein Wagnis und im Tiroler Nauders irgendwie gelungen: Eltern nutzen jede Sekunde kinderfrei und fahren wie irre. Die Kinder entdecken, wie schön Schnee eigentlich ist.

Minus zwölf Grad auf 2650 Metern über dem Meer. Schneeflocken zerplatzen auf der Skibrille. Aus der Haarsträhne, die unter der Mütze hervorlugt, ist eine Eisskulptur geworden. Und jetzt will der Skilehrer Hely auch noch, dass ich eine Kugel bin: „Wie ist deine Fallrichtung?“

Wir befinden uns im Dreiländereck am Reschenpass. Nauders gilt als eines der familienfreundlichsten Skigebiete Österreichs. 120 Pistenkilometer, längste Rodelbahn Tirols, gut ausgestattete Skischule.

Ich deute mit dem Skistock bergab. Dort müssen irgendwo die Kinder sein. Der Ältere, vier, ist in der Bambini-Gruppe im Outdoor-Kinderland, der Jüngere (anderthalb) in der Kinderbetreuung in der Bergstation der Umlaufbahn.

Ich verlagere – wie von Hely gewünscht – ungefähr 90 Prozent meines Gewichts auf den Talski und rase los. Glasklare Luft füllt meine Lungen. Es schlottert herrlich in den Knien, bei jeder Kurve knackt das Plastik der Skistiefel. Wo ist die Bergkastelspitze? Kein Panorama lenkt vom Eigentlichen ab. Skifahren hat nichts von seinem Zauber verloren. Diesen Zauber würde ich gerne weitergeben.

Früher waren die Skilehrer harte Hunde mit Obstler-Atem

Es hat sich viel geändert, seit ich vor 30 Jahren Skifahren gelernt habe. Früher hieß es „Idiotenhügel“ und „Armausreißerlift“. Heute gibt es das „Kinderland Nauderix“ und Zauberteppiche. Früher hieß es „Schneepflug“ und „Schuss“, heute „Pizza“ und „Pommes“. Früher waren die Skilehrer harte Hunde mit Obstler-Atem, heute liest eine superfreundliche Angela aus dem Buch „Der Regenbogenfisch“ vor und verteilt Geschenke aus einer Schatztruhe.

Ist ein Skiurlaub mit kleinen Kindern so möglich, dass alle Beteiligten ihn genießen können?

In diesem Moment sieht es fast so aus. Wir Eltern nutzen mit Hely jede Sekunde kinderfrei und fahren wie irre, obwohl dichtes Schneetreiben herrscht und die Sicht gefährlich schlecht ist. Doch wir haben nur diese vorgeplanten 60 Minuten, um unsere Carving-Technik aufzufrischen.

Als wir mit rot gefrorenen Gesichtern vor dem Kinderland stoppen, steht der Große am Hang und schnieft. Weil neben dem Zauberteppich zur Unterhaltung der Bambini eine Hexenfigur steht, und wer mag schon Hexen? Der Große nicht.

Von zehn bis zwölf dauert sein Skikurs, drei Tage lang – wir schaffen es, jedes Mal zu spät zu kommen.

Der Kleine verlangt einen Schnuller, der Große einen Apfel

Frühstück im Hotel Hochland gibt es ab acht Uhr. Wir frühstücken eine halbe Stunde. Dann ins Zimmer hinauf, umziehen und packen. Ein kritischer Moment. Bis die Kinder Skiunterwäsche, Fleecepullover, Schneeanzüge, Mützen und Handschuhe tragen, vergeht eine weitere halbe Stunde. Erster Schweißausbruch im beheizten Skiraum des Hotels. Der Kleine kommt in die Kraxe und wird angeschnallt. Hat er etwa die Hosen voll? Alles auf Anfang.

Zum Glück ist die Skibushaltestelle vor der Tür. Wir schleifen drei Paar Skier, zwei Paar Stöcke, einen Extra-Rucksack mit Snacks, Getränken und Ersatzklamotten sowie uns selbst und einmal sogar einen Schlitten am staunenden Fahrer vorbei in den Omnibus.

„Ja. Grüß Gott!“ – „Grüß Gott.“

Hechel, hechel.

Durst.

Schlepp, krach, schepper.

Interessierte Blicke der anderen Urlauber. Einer wedelt mit einem Handschuh, der mir aus der Tasche gefallen ist.

Der Kleine verlangt einen Schnuller, der Große einen Apfel. Um diese Zeit ist sonst Obstfrühstück in der Kita.

Kauend fragt er: „Muss ich heute wieder in die Skischule?“

„Wenn du möchtest. Dann kannst du vielleicht bald Ski fahren.“

„Ich möchte aber nicht.“

„Und wenn du wieder mit dem Skibob fahren darfst?“

„Dann vielleicht.“

Dieser Urlaub bringt die Eislaufmutter in mir hervor

Papa hat ganz schön zu tun...
Papa hat ganz schön zu tun...
© Esther Kogelboom

Um 9.50 Uhr steigen wir in eine Minigondel der Umlaufbahn. Wir schweben über schneeschwere Tannenwipfel. Durch das geöffnete Schiebefenster sehen wir Flocken tanzen. Es wird ganz ruhig. Die Kinder lieben es. Vielleicht auch, weil sie einen Moment lang nichts an- oder ausziehen sollen, nicht angetrieben werden.

Das ändert sich, sobald die Bergstation in Sicht ist. „Zuerst Papa, dann du mit großem Schritt und zügig wegtreten, dann ich, zack, zack“, höre ich mich mit panischem Timbre kommandieren.

Dieser Urlaub bringt die Eislaufmutter in mir hervor. Da es für Selbstironie zu kalt ist, male ich eine weitere Fettschicht in die Gesichter der Kinder, bis sie glänzen wie Speck am Brettl.

Der Ausdruck des Großen spricht: Er will eigentlich nicht Ski fahren, mag uns jedoch nicht enttäuschen. Sollen wir ihn weiter überreden? Ihm vermitteln, dass es sich lohnt, dranzubleiben? Oder lieber mit ihm Moosbeerschmarrn essen, einen Schneemann bauen und es nächsten Winter wieder versuchen? Der Vater ist für die erste Variante, ich bin pädagogisch wohl eher der Schmarrn-Typ.

Rodeln befreit

Wir einigen uns auf eine Stunde Skischule, danach rodeln zur Stieralm, wo vor Kurzem fernab von der Massenabfertigung ein kleines Restaurant eröffnet hat.

Siehe da, der Große übersteht die Skischule. Wir beobachten aus sicherer Entfernung, wie er den flachen Hügel hinunterfährt und unten von einem zweiten Lehrer aufgeschnappt wird. Es gibt sogar ein Karussell, das die Kinder in Gummireifen durch den Schnee zieht. Zur Entspannung dürfen alle Skibob fahren.

Auch der Kleine lacht, legt erst die Puppe schlafen und wenig später sich selbst. Die Erzieherin in der Kinderbetreuung ist herzlich. Bonus: Außerhalb der Ferienzeit ist er das einzige Kind im Spieleparadies. Dafür zahlen wir gerne acht Euro in der Stunde.

Rodeln befreit, die Stieralm liegt malerisch an der Talabfahrt. Zufällig treffen wir den Bürgermeister von Nauders. Er hat Insiderinformationen: „Der Wowereit macht hier immer Urlaub, jedes Jahr im Februar. Und der Gysi auch. Und einmal war sogar ein deutscher Bundespräsident...“

Für die Bespaßung der Kleinen wird einiges getan.
Für die Bespaßung der Kleinen wird einiges getan.
© Esther Kogelboom

Wir trinken Zirbenschnaps und essen Tafelspitz. Die Hütte ist voller Einheimischer, ein Geheimtipp – der letzte Senner, der hier wirtschaftete, wurde angeblich in den 50er Jahren von einem Stier aufgespießt.

Der Rest ist Hase-und-Igel. Wir ziehen schwitzend den Schlitten hoch zur Bergstation – der Bürgermeister überholt uns sehr zur Freude des Älteren auf einem blinkenden und tutenden Skibob. Wir gondeln ins Tal hinab – der Bürgermeister ist schon unten. Wie hat er das nur angestellt? Wir wissen es bis heute nicht.

Die Kinder sind total zappelig vor lauter Müdigkeit

Skibus, zurück ins Hotel Hochland. Ein Familienbetrieb mit Spa, welches ich exakt einmal betrete, um mir schnell einen Rooibos-Guarana-Tee zu holen. Wenn die Kinder schlafen, hat die Wellnessabteilung leider längst geschlossen. Zum Glück reicht das Babyphone bis in den Speisesaal, und tatsächlich schaffen wir es einmal, die Kinder zwischen Vorspeise und Hauptgericht ins Bett zu bringen.

Eltern können sich vorstellen, wie Kinder gelaunt sind, wenn sie den ganzen Tag an der frischen Luft waren, danach im Hallenbad und dann brav am Tisch sitzen bleiben sollen. Total zappelig vor lauter Müdigkeit.

Wir hätten zwar das Frühstücksbüfett und die lustige Lage gegenüber der Après-Ski-Institution „Monkey Bar“ (Hit 2016: „Biste Braun, Kriegste Fraun“ von Mickie Krause) vermisst, aber wahrscheinlich wäre eine Ferienwohnung geeigneter gewesen.

Pause mit Vorlesen aus dem Zauberfisch-Buch.
Pause mit Vorlesen aus dem Zauberfisch-Buch.
© Esther Kogelboom

So einen Skizauber kann man nicht erzwingen. Und doch passiert am letzten Tag Entscheidendes. Der Große wirft sich mehrmals hintereinander jauchzend in einen frischen Schneehaufen am Wegesrand. Ohne Skier. In bequemen Schuhen. Einfach so, ohne Anleitung.

Mir dämmert: Das Kind ist mit der weißen Pracht überhaupt nicht vertraut. Im Laufe seines bewussten Lebens hat er keinen Schneewinter in Berlin erlebt.

Wieder zu Hause in Berlin, schiebt er Schneereste von parkenden Autos und schaufelt sie mir in die Jacke. Ich bin urlaubsreif.

Tipps für Nauders

Übernachten: Das Hotel Hochland hat freundlichen Service, ein tolles Spa und Familienzimmer (ab 70 Euro HP/pro Person).

Der Gästekindergarten in der Bergstation ist Sonntag bis Freitag von 10–12 und 13–15.30 Uhr geöffnet (8 Euro pro Stunde).

Die Tarife der Skischule Nauders stehen auf der Website.

Esther Kogelboom

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