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Winterwunderland? Am Wilden Kaiser in Österreich sind die Hänge grün.
© imago/Roland Mühlanger

Milder Winter: Viele Skigebiete leiden unter Schneemangel

Braune Flecken statt weißer Pracht, Schnitzeljagd statt Skifahren: In vielen Wintersportgebieten bleibt wegen zu warmer Temperaturen der Schnee aus. Ohne Kunstschnee läuft nichts mehr.

Thomas Kirsten ist glücklich. „Wir hatten unsere erste Liftfahrt“, freut sich der Bürgermeister der Stadt Altenberg im Erzgebirge, „endlich“. Lange hatten die Menschen im sächsischen Wintersportort auf den Schnee gewartet. Nun wird gefeiert. Ein Glas Sekt, einmal auf den Abfahrtsskiern den Hang heruntergebrettert, Kirsten ist erleichtert. Das war am letzten Dienstag. Doch die Freude dürfte nicht lange anhalten. Nicht im Erzgebirge und auch nicht in den anderen Wintersportregionen. An diesem Wochenende soll es wieder tauen. Wie gewonnen, so zerronnen.

„Es gibt Tauwetter auch in den höchsten Lagen“, sagt Dennis Dalter vom Wetterdienst Meteogroup. In den Bergen steige die Schneefallgrenze wieder auf 1500 Meter. Als ob die Liftbetreiber, Skiverleiher und Hoteliers nicht schon genug Probleme gehabt hätten. Nicht nur im Allgäu, dem Erzgebirge oder dem Schwarzwald, auch in den Alpen gab es bis Silvester vielerorts gar keinen Naturschnee. Und selbst als Berlin in dieser Woche ein dickes, weißes Kleid überstreifte, konnten die Langläufer, die unterdessen ihr Weltcuprennen im Allgäuer Wintersportort Oberstdorf austrugen, nur auf der eigens präparierten Loipe fahren, links und rechts davon eingerahmt von braunem Matsch.

Der Klimawandel ist Schuld

Wintersport ohne Winter? Glaubt man Klimaforscher Peter Höppe von der Munich Re, müssen sich die Tourismusvereine vor Ort immer häufiger auf ein solches Szenario einstellen. „In den Alpen ist die Durchschnittstemperatur um zwei Grad gestiegen“, sagte Höppe dem Tagesspiegel, der Klimawandel ist schuld.

Weihnachtsurlauber, die in Oberstaufen im Allgäu Ski fahren wollten, mussten sich stattdessen mit Schnitzeljagden vergnügen oder Nervenkitzel im Klettergarten suchen. „Die Skiverleiher haben ihre E-Bikes herausgeholt“, erzählt Andreas Presser vom Tourismus-Marketing Oberstaufen. Beschwerden habe es aber keine gegeben, Stornierungen auch nicht. Wie auch? Schneemangel berechtigt nur dann zum stornierungsfreien Rücktritt von der Reise, wenn dem Gast die Schneesicherheit garantiert worden ist.

Joggen statt Langlauf

Trotz des mangelnden Schnees seien die Touristen vergnügt gewesen, berichtet auch Altenbergs Bürgermeister Kirsten. Not macht erfinderisch: Sommerrodelbahn statt Steilhang, Joggen statt Langlauf, Pferdekutsche statt -schlitten. Und auch ohne Schnee können Gäste die Bobbahn heruntersausen oder sich über die Bergbau-Vergangenheit der Region informieren. 50 000 Übernachtungen zählte der Ort 1990, jetzt sind es 500 000. Viele Gäste reisen aus Berlin an. Doch bei aller Liebe zur Improvisation: Schnee wäre nicht schlecht. Die Schneekanone, die man in Altenberg hat, funktioniert nur bis minus zwei Grad, wenn’s wärmer wird, nicht. Bis Silvester war es daher nichts mit dem Kunstschnee. Der Bürgermeister träumt von einem neuen Hightech-Modell, das auch noch bei 15 Grad künstlichen Schnee macht. „So etwas kostet aber 500 000 Euro“, sagt Kirsten, bislang hat der Gemeinderat die Summe nicht locker machen wollen.

Nur jedes zweite Skigebiet ist "schneesicher"

Im Erzgebirge hat es endlich Schnee gegeben. Doch für die kommenden Tage ist wieder Tauwetter angesagt.
Im Erzgebirge hat es endlich Schnee gegeben. Doch für die kommenden Tage ist wieder Tauwetter angesagt.
© dpa

Für den Skitourismus in den Alpen waren die Schneekanonen dagegen zwischen den Festtagen die Rettung – egal ob in Österreich, Schweiz oder in Deutschland. Schneekanonen haben etwa in Grainau, dem Zugspitzdorf, dafür gesorgt, dass nicht nur auf Deutschlands höchstem Berg, sondern auch den darunter liegenden Pisten Skifahren möglich war. „Es wird beschneit“, heißt es bei der Kurverwaltung, „sonst geht das nicht mehr“.

Schneekanonen schaden der Natur

In den bayerischen Alpen gilt heute nur noch die Hälfte der Skigebiete als schneesicher, 2007 waren es noch 70 Prozent. Auch in der Schweiz und in Österreich läuft ohne Schneekanonen nichts mehr. Die Technik wird immer ausgefeilter. Anlagen, die mit Bakterienproteinen arbeiten, lassen Wasser auch bei Plusgraden gefrieren, andere Maschinen recyceln das Abwasser der Touristen und machen daraus Schnee. Immer mehr Schneekanonen, immer mehr Kunstschnee – der Alpenverein Österreich sieht diese Entwicklung aber mit Sorge. Um einen Hektar ordentlich zu beschneien, sind nämlich enorme Ressourcen nötig: bis zu 1,5 Millionen Liter Wasser und 21 000 Kilowattstunden Strom. Doch das ist nicht alles. Der technische Schnee führt dazu, dass zahlreiche Pflanzen ersticken oder absterben, rund um die Pisten stirbt das Land. Wildtiere finden nicht genug zu fressen und leiden unter dem Lärm der Schneekanonen. „Für die eigene Gewinnmaximierung wird das Allgemeingut Natur geschädigt, beraubt und missbraucht“, kritisiert der Alpenverein.

Treiber der Entwicklung sind vor allem die Liftbetreiber. In Österreich setzen die Seilbahnunternehmen jährlich knapp 1,3 Milliarden Euro um, nach Informationen des „Handelsblatts“ investieren die Seilbahnbetreiber allein in dieser Wintersaison 570 Millionen Euro. Gut ein Viertel davon fließt in die Beschneiung der Pisten, 230 Millionen in neue Gondeln. Von den 7300 Hektar Skipisten werden in Österreich inzwischen 5500 Hektar künstlich beschneit.

Immer weniger Menschen können sich das leisten

Das hat seinen Preis – nicht nur für die Natur, auch für die Gäste. Skifahren wird immer teurer. Ein Skitag im österreichischen Lech kostet eine vierköpfige Familie inzwischen gut 150 Euro, und das nur für die Tickets. In der Schweiz, in Zermatt, kostet eine Einzel-Tageskarte stolze 85 Euro, in Garmisch-Partenkirchen muss ein Erwachsener 41 Euro für den Ein-Tages-Skipass hinblättern.

Vielen wird das zu teuer, vor allem Familien springen ab. Kein Wunder, dass sich die österreichischen Tourismuswerber ins Zeug legen, um schlummernde Potentiale zu aktivieren. „Wieder Skifahren, willkommen zurück“, heißt eine neue Kampagne. Skischulen in Vorarlberg, Kärnten, im Salzburger Land und in Tirol bieten spezielle Kurse für Wiedereinsteiger ein.

Doch nicht nur die hohen Kosten, auch die wachsende Konkurrenz setzt den etablierten Wintersportgebieten zu. Immer mehr Skifahrer würden auf die schneesicheren Skigebiete in den USA oder auf die preiswerteren Ziele in Polen, Tschechien oder Slowenien ausweichen, heißt es beim Deutschen Reiseverband. Oder sie fahren gleich in die Wärme. „Die Alpen sind sauteuer“, sagt Verbandssprecher Torsten Schäfer. „Für das Geld können Sie doch auch nach Florida, Thailand oder Kuba fliegen.“

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