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Idyll im Landschaftsschutzgebiet. Schloss Elmau liegt versteckt, und ist – fürs Ereignis – gut abzuriegeln.
© Peter Kneffel/dpa

Schloss Elmau: Die Stille vor den Helikoptern

Das Luxusresort Schloss Elmau, zwischen Karwendel, Wetterstein und Zugspitze gelegen, bereitet sich auf das G -7-Treffen im Juni vor.

Selten war es so leicht, sich mit einer einzigen Frage ins Abseits zu begeben wie derzeit auf Schloss Elmau. Mit „Wo wird denn Barack Obama schlafen?“ würde man sich sofort als Promi-Geier entlarven. Denn, wenn sich am 7. und 8. Juni die Delegationen der führenden sieben Industrienationen treffen, geht es schließlich um die großen drängenden Fragen der Menschheit – Überbevölkerung, Ernährung, Klimaschutz, Weltfrieden und freier Handel. Wer da wo schläft, ist erstens unerheblich und zweitens ohnehin eine Entscheidung des Protokollchefs aus Berlin und der Sicherheitskräfte des Weißen Hauses, nicht der Hotelleitung in Elmau.

Andererseits hat sich Hausherr Dietmar Mueller-Elmau selbst offensichtlich schon vor Jahren mit der Zimmerfrage beschäftigt. In seinem gerade erschienenen Büchlein „Schloss Elmau – Eine deutsche Geschichte“ heißt es: „Ich wollte mit dem Bau von acht identisch großen Familiensuiten die Chancen eines G-8-Gipfels (sic!) in Schloss Elmau erhöhen.“ Diese und 39 weitere Suiten sind just fertig geworden. Als „Schloss Elmau Retreat“ bilden sie jetzt ein eigenes Hotel neben dem fast 100 Jahre alten Schloss Elmau. Mit eigenem 2000 Quadratmeter großen Spa, mit zwei Pools, Bar, Bibliothek, Yoga-Saal, Terrassen und zwei Restaurants.

So viel Aufwand, nur um eventuell einmal einen G 8 beziehungsweise G -7-Gipfel hierher zu holen? Im Gespräch in seiner neuen Lobbylounge winkt Mueller-Elmau ab: „Vor allem wollte ich nach dem Brand vor zehn Jahren die ursprüngliche Zimmerzahl von Elmau wiederherstellen.“ Und was den Gipfel betrifft – um so etwas könne man sich ja nicht offiziell bewerben. Aber nicht unwichtig war wohl, dass Angela Merkel bei einem Besuch im Jahr 2005 Gefallen an diesem sehr speziellen Ort auf 1008 Meter Höhe bei Garmisch-Partenkirchen gefunden hatte.

Ganz ohne Dresscode und Etikettetütü

Was dem Städter hier sofort auffällt: die Stille. Ganz leise nur plätschert der Ferchenbach, Vogelgezwitscher, entfernte Kinderstimmen vom Spielplatz, gelegentlich mal das leichte Knacken einer Sonnenliege auf einem benachbarten Holzbalkon. Hundegebell fehlt gänzlich, denn in Elmau sind die Vierbeiner nicht willkommen. Ob es für die Möpse von Stammgast Loriot seinerzeit eine Ausnahme gab?

Im Vergleich zu Mueller-Elmaus Kinderzeiten, als die vielen Stammgäste sich als eingeschworener Kreis verstanden, gilt heute fast schon eine kultivierte Regellosigkeit ohne Dresscode und Etikettetütü. Damals war es verpönt, nach einem Konzert zu klatschen oder beim gemeinsamen Tanz miteinander zu sprechen. Das alles und noch viel mehr ging dem Hausherrn von heute fürchterlich auf die Nerven. Elmau wurde ihm zum Gefängnis seiner Jugend. Es zog den jungen Rebellen fort – zunächst nach München, dann in die USA, schließlich nach Indien.

Mit der Entwicklung des Hotelreservierungssystems Fidelio wurde er reich und unabhängig. Gut für Elmau, denn nach seiner Rückkehr bestand dringender Investitionsbedarf. Der Wiederaufbau nach dem Brand im Jahr 2005 verschlang viele Millionen. Gut angelegtes Geld, denn das neue Elmau meldet eine Belegungsrate von 85 Prozent, trotz ambitionierter Preise ab 213 Euro im Einzelzimmerchen unter der Woche in der Nebensaison.

Elmau ist noch nicht ganz fertig

Rebell geblieben zu sein reklamiert der 60-Jährige immer noch für sich. Die Tanzstunden hat er längst abgeschafft, den einstigen Kulturolymp geerdet und den esoterischen Mief weggeblasen. Mit mehr als 200 Konzerten, Lesungen und Filmvorführungen pro Jahr hat dennoch keinesfalls die Kulturlosigkeit Einzug gehalten.

Aber sobald etwas fertig ist, so sagt der Hausherr, interessiere es ihn nicht mehr. Und Elmau ist noch nicht ganz fertig. Dem alten Gasthof des ihm gehörenden Gutshofs nebenan soll neues Leben eingehaucht werden, drumherum sollen sich elf Chalets gruppieren. Elmau spricht von einer Art ursprünglicher Almsiedlung. Ihm schwebe da ein Luxusniveau zu Drei-Sterne-Preisen vor. Den Gemeinderat habe er auf seiner Seite, betont er. Gleichwohl: In Kreis und Land häufen sich die Irritationen, auch weil Hochglanzbroschüren schon gedruckt sind, bevor der Bebauungsplan steht.

Hat der selbst ernannte Rebell denn nicht auch Sympathien für die aktuell gegen den Gipfel protestierenden Gegner? Nicht, wenn es Feinde der Freiheit sind, betont er. Dem harten Kern von vielleicht 400 Gewalttätern gehe es ja nur darum, mit dem Gipfel ein „Symbol des Kapitalismus“ zu beschädigen. Die eher vom Naturschutz beseelten Gipfel-Kritiker aus der Region sieht er sogar auf seiner Seite. Denn die beschwörten ja genau wie er immer die einzigartige Schönheit von Elmau. Und die wolle er natürlich auch erhalten.

Der Ärger: Drei Wochen lang fließt keine Kurtaxe

Das "Retreat"
Das "Retreat"
© imago/Astrid Schmidhuber

Da ist zum Beispiel die Sache mit dem Hubschrauberlandeplatz oberhalb des Hotelgeländes. Bei erhofft gutem Wetter werden die Staats- und Regierungschefs hier ankommen – bei Regen drohen verstopfte Straßen. Zwei neugierige ältere Einheimische auf Mountainbikes schauen sich die gigantische voll asphaltierte Fläche an und erregen sich: „Vorher war das ein staubiger Wanderparkplatz, jetzt ist es doch viel praktischer. Aber nach dem Gipfel kommt der Asphalt wieder weg, weil die Ökos das so wollen.“ Dass dabei neue Teiche entstehen werden und wieder aufgeforstet wird, vergessen die beiden Radler zu erwähnen.

Überhaupt stehen Ansichtssachen gerade hoch im Kurs. Die einen freuen sich über die vielen Millionen, die gipfelbedingt in die Infrastruktur der Gemeinden Krün und des Dörfchens Klais geflossen sind: Die erstklassige neue Straße nach Elmau lässt ja nicht nur Touristen ungeschüttelt ankommen. Der Anschluss von Elmau an die öffentliche Kanalisation beschert dem tiefer liegenden Klais endlich so viel Durchlauf, dass es vorbei mit der zeitweiligen Geruchsbelästigung ist. Die neuen Bahnsteige im Dorf sehen tipptopp aus. Und dass Mittenwald jetzt ein so modernes digitales Funknetz wie München aufweisen kann, wäre wohl auch nicht so schnell passiert.

Manche sehen aber lieber die Nachteile: Drei Wochen lang bleiben die Touristen aus und die an ihrer Stelle im Landkreis schlafenden Journalisten, Sicherheitsleute und Polizisten zahlen keine Kurtaxe. Man muss sich den Garmischer und Mittenwalder dieser Tage wohl als zwiegespaltenen Menschen vorstellen ...

Hat sich Bush wirklich den Magen verdorben?

Ganz anders Mario Corti. Der zugereiste Küchendirektor und Herr über 130 Köche und Kellner gibt sich vor dem Gipfel tiefenentspannt. „Ich war zehn Jahre lang bei Mandarin Oriental. Da habe ich für viele Staatschefs gekocht.“ Also ist das jetzt nicht das wichtigste Essen Ihres Lebens? Ein amüsiertes Lachen ist die Antwort. Nachhaltig will der 38-Jährige kochen, mit Produkten aus der Region – Saiblingen aus dem Ferchenbach, Fleisch vom selten gewordenen Werdenfels-Murnauer Rind aus der eigenen Herde und Mini-Gemüse von einem Bauern seines Vertrauens in der Nähe von Innsbruck. Hummer, Kaviar und Stopfleber werde es sicher nicht geben.

Er hat seine Menüvorschläge nach Berlin geschickt und wartet jetzt auf die Entscheidung. Dass sich beim jüngsten deutschen Gipfel in Heiligendamm ausgerechnet US-Präsident George W. Bush und ein Teil seiner Entourage angeblich den Magen verdorben hatte, lässt ihn auch nicht zittern. „Ich habe mit dem damaligen Küchenchef Tillmann Hahn gesprochen. Er hatte ja nur für die Staats- und Regierungschefs gekocht, und nicht für die Delegationen.“

Tillmann Hahn, der inzwischen in Kühlungsborn ein Gasthaus betreibt, erinnert sich an die Sache übrigens noch facettenreicher: „Das Ganze ist eine Legende – niemand hatte sich den Magen verdorben. Bush hatte nur eine Ausrede gesucht, um den Gipfel einen Tag früher verlassen zu können. Für ihn war nämlich eine Audienz beim Papst in Rom verabredet.“

"Na, dös glab i net. I sperr nämli zua"

Personalprobleme hat Gipfelkoch Mario Corti übrigens nicht. Das angekündigte Ereignis hat ihm schon vor Monaten eine Fülle von Bewerbungen ins Haus gespült. Und da zwischen Ende Mai und Mitte Juni auch niemand in Urlaub gehen wird, kann er personell aus dem Vollen schöpfen.

Hausherr: Dietmar Mueller-Elmau
Hausherr: Dietmar Mueller-Elmau
© Stefan Quante

Ein in diesem bildungsbürgerlich-luxuriösen Umfeld exotisch wirkender Zaungast sieht sich das Treiben vor dem Gipfel mit milde interessierter Gelassenheit an: Gerhard Haase sitzt in der Mittagssonne vor seinem fensterarmen Holzhäuschen mitten zwischen Schloss Elmau und dem neuen „Retreat“. Der längst pensionierte Leiter der Haustechnik wohnt hier schon seit mehr als 50 Jahren. Ein alter Vertrag sichert ihm lebenslanges Wohnrecht in der ehemaligen Zwergschule des Weilers Elmau zu.

Und weil der General Manager Nikolai Bloyd ihn gut leiden kann, lässt er ihm jeden Mittag Köstliches aus der Schlossküche servieren. Darauf freut er sich gerade in seinem violettfarbenen T-Shirt, mit dem grünen Basecap und der übergroßen Sonnenbrille. Dürfen Sie denn während des Gipfels hier bleiben? „Na, da muss i wohl ausziehen.“ Und in Ihr Häuschen zieht dann wohl der Obama ein? „Na, dös glab i net. I sperr nämli zua!“

Stefan Quante

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