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Eine tolle Kulisse hat sich diese Tanzgruppe ausgesucht: Prambanan, die größte hinduistische Tempelanlage Indonesiens in der Nähe von Jogyakarta auf Java.
© William Vorsatz

Java: Die Ehre der Diener

Das Sultanat Jogyakarta auf Java überrascht mit historischen Schätzen. Und gilt doch als innovatives Zentrum Südostasiens.

Wenn Ika Nimas Tee für den Sultan zubereitet, dann hat Zeit eine andere Dimension. Anderthalb Stunden dauert die tägliche Zeremonie. Nimas muss noch viel lernen von den Älteren. Mit 19 Jahren ist sie die jüngste Dienerin im Palast. Trinken wird Sultan Hamengku Buwono X. seinen Tee allerdings nicht, weil er vormittags draußen die Stadt Jogyakarta und die gleichnamige Provinz regiert. Jogja, wie die Einheimischen kurz sagen, liegt auf Indonesiens Hauptinsel Java.

Das Sultanat ist ein historisches Relikt in der Republik Indonesien. Zwar leben nirgends auf der Welt mehr Muslime als auf dem indonesischen Archipel. Dennoch ist der Islam nicht Staatsreligion. Und beim genauen Hinschauen ist sowieso vieles hier ganz anders, als es von außen scheint.

Nimas bekommt für ihre Arbeit als Dienerin kein Geld. Auch die anderen 2000 Dienenden erhalten lediglich einen symbolischen Lohn von maximal einem Euro – pro Monat. Dafür arbeiten sie ganz oder in Teilzeit im Kraton, wie der Sultanspalast auf Indonesisch heißt. „Es ist für die Diener eine Ehre, und sie versprechen sich davon einen spirituellen Gewinn“, erzählt die ungarische Filmemacherin Alida Szabo. Ihre Kamera läuft mit, wenn Nimas dient oder erzählt. Daraus soll später ein Dokumentarfilm entstehen.

Das Palastgelände bildet den religiösen Kosmos Javas ab

Seit Generationen leben viele der Bediensteten mit ihren Familien auf dem Gelände des Kratons Ngayogyakarta Hadiningrat. Es sind Häuschen innerhalb einer eigenen Welt, abgeschirmt durch die weißen Palastmauern. Dennoch steht der Kraton jedem offen, und der Besuch wird reichlich belohnt. Ein lebendiges Sultanat ist in der Welt selten zu besichtigen. Das Palastgelände mit seinen neun Toren bildet den religiösen Kosmos Javas ab.

Kebatin nennt sich dieser Mix aus Animismus, Hinduismus, Buddhismus und Islam. Die Architektur ist tropisch offen und filigran. Das Wasserschloss vis-à-vis erinnert dagegen eher an ein Märchen aus 1001 Nacht. Von hier aus haben die Vorfahren des jetzigen Sultans ihren Harem regelmäßig beim Baden beobachtet. Heute sitzen Studierende der Indonesischen Kunstakademie mit Farbpaletten im Schatten der Bäume und bannen den besonderen Zauber des Ortes auf ihre Leinwände.

Bildende Künste und Musik sind auch außerhalb des Kratons allgegenwärtig. Yogyakarta ist das kulturelle und traditionelle Zentrum der Insel Java, während die 500 Kilometer westlich liegende Hauptstadt Jakarta die Wirtschaft steuert.

Jogyakarta ist internationale Studentenstadt und Kunstmetropole

„Jogja ist die Seele Javas“, sagt Szabo. Sie ist in Ungarn geboren, hat dort Soziologie studiert, dann an der Humboldt-Universität in Berlin Südostasienwissenschaften. Die Künstlerin lebte bereits in Indien und hat verschiedene Gegenden Indonesiens bereist. Aber am stärksten zog es sie immer wieder nach Jogyakarta, der internationalen Studentenstadt und Kunstmetropole. Hier hat sie ihre Fotos ausgestellt und erlebt, wie offen die Menschen sind.

Inmitten des weltlichen Jogyakarta mit seinen knapp 1,5 Millionen Einwohnern bildet der Kraton das Zentrum einer Achse. Das Nordtor des Palastes richtet sich genau auf den 35 Kilometer entfernten Gunung Merapi, den Feuerberg. Wenn die Wolken aufreißen, wird der riesig klaffende Vulkankrater sichtbar. Aus dem zerborstenen Gipfel steigt Rauch auf.

Der Merapi ist einer der aktivsten Vulkane weltweit. Am 26. Oktober 2010 ist er zuletzt ausgebrochen, 353 Berganwohner wurden getötet. Etwa 350 000 Menschen mussten die Region vorübergehend verlassen. Dabei ist der Merapi ein wichtiger spiritueller Ort. Viele Javaner glauben, dass sich dort ein unsichtbares Königreich befindet. Der Hofstaat des Kratons rückt einmal im Jahr zr Labuhan-Zeremonie zu Fuß und auf Pferden an, um den Geistern Kleidung, Haare und Fingernägel des Sultans zu opfern.

Wie hohle Zähne ragen einzelne Mauern aus dem Lavagröll hervor

Reich verziert: Blick in den Sultanspalast von Jogyakarta.
Reich verziert: Blick in den Sultanspalast von Jogyakarta.
© Gryffindor

An einem Ausläufer des Feuerbergs ziehen sich einen halben Kilometer lang Bretterbuden an beiden Seiten der Straße hin. Jeeps warten auf Vulkantouristen. Schnell ist eine Tour vereinbart. „Früher hatten wir hier Häuser und waren Bauern auf unserem Land“, erzählt Manto, der Fahrer. Jetzt führt die Piste über Wüsten aus grauem Lavageröll und Vulkanasche. Wie hohle Zähne ragen einzelne Mauern hervor, Dachbalken sind verkohlt. In den Ruinen stehen vereinzelt noch Reste von Möbeln sowie Metallteile, die der Feuerwolke getrotzt haben.

Je weiter hinauf der Geländewagen klettert, desto stärker erinnert die Umgebung an die Oberfläche des Mondes. Dann ist Schluss. Direkt zum Gipfel geht es nur noch zu Fuß über die Nordwand. Die Tour dauert rund vier Stunden. Nachts um ein Uhr starten die Guides mit ihren Gästen, um morgens um fünf oben zu sein. Im dunklen Schlund glüht die Lava, schweflige Gase erschweren das Atmen. Es ist eisig. Erst gegen 6 Uhr 30 schickt die Sonne ihre wärmenden Strahlen und leuchtet ein Panorama aus weiteren Vulkanen aus.

Nach über 1000 Jahren wurde die Tempelanlage Borobudur wiederentdeckt

Um diese Zeit ist die Tempelanlage Borobudur nordwestlich von Jogja schon bestens besucht. Buddha und die Touristen blicken von der neunten Etage des Tempels direkt auf den Feuerberg. An ihm hängt das Schicksal des wohl größten buddhistischen Bauwerks der Welt und auch das des benachbarten Prambanan, des größten hinduistischen Tempels Indonesiens.

Nach einer kurzen Blütezeit hat sie der Merapi um 928 nach Christus zerstört. Lavaasche und Geröll begruben die beiden Tempel für mehr als 1000 Jahre. Erst dann entdeckten Engländer und Holländer die Überbleibsel. Wiedererstanden sind die gigantischen Anlagen unter der Leitung und mit Geld der Unesco, zu deren Kulturerbe sie heute zählen.

So zeugen sie heute erneut von der langen Zeit vor dem Islam. Erst vor 800 Jahren brachten Händler die neue Religion mit. Vom Borobudur wirken die Moscheen in der Umgebung fast klein und wie Zweckbauten. Eine Momentaufnahme zeigt das friedliche Miteinander: Direkt vor dem Prambanan formiert sich eine Zwölfergruppe jugendlicher Tänzer, alle in knöchellangen Röcken. Die Frauen tragen Kopftücher, die Männer Turbane. Aus dem Ghettoblaster dröhnt westlicher Pop. Schon führt die Ballettgruppe lächelnd ihre einstudierte Choreografie vor. Zwischendurch schießen sie mit ihren Handys Erinnerungsfotos.

Der Tross des Kratons bringt der mythischen Königin Opfergaben

Das Südtor des nahen Kratons im Herzen von Yogja weist auf den geheimnisvollen Küstenort Parangtritis. Nur 33 Kilometer sind es bis dorthin. Zuerst säumen Reisfeldern und Bananenplantagen die Straße. Dann machen sich Sanddünen breit. Und plötzlich liegt vor dem Besucher ein breiter, schwarzgrauer Strand. Es duftet nach Blumengebinden.

Der Ort gilt als Tor zum Südlichen Meer, wie der Indische Ozean hier heißt. Dort verehren die Pilger die mythische Königin Nyi Roro Kidul. Sie gilt als spirituelle Gemahlin des Sultans sowie aller seiner Vor- und Nachfahren. Die weibliche Energie und das Wasser bilden den Gegenpol zum Merapi, der Männlichkeit und Feuer symbolisiert. Auch hierher überbringt der Tross des Kratons alljährlich die Opfergaben des Sultans.

Der stadtnahe Strand ist gleichzeitig ein beliebtes Ausflugsziel. Die Besucher können Pferde für einen Strandritt mieten oder sich im Zweisitzergespann kutschieren lassen. Im Sand sitzen abends verliebte Pärchen und schauen einfach in die magisch schön untergehende Sonne. Andere scharen sich um Musiker. Durch das flache Wasser waten Fischer mit Netzen in den Händen.

Die Szene ist interdisziplinär und international

Wenn die Sonne dann in den Ozean getaucht ist, zieht es die meisten Ausflügler wieder in die Stadt zurück. Auch Alida Szabo ist dort oft unterwegs. „Jogja wird das Berlin Südostasiens genannt“, erzählt sie. Schnell wird klar, was Szabo meint. Viele Kreative schließen sich in Gruppen zusammen und schaffen sich Räume für ihre Kunst. Heute hier, morgen da. Alles ist vertreten, ob experimentelle Musik, Video oder Straßenkunst.

Die Szene ist interdisziplinär und international. Dazwischen öffnen immer mehr kommerzielle Galerien. Aus zahllosen Clubs schallt Livemusik auf die Straße. Dort dampfen unterdessen fahrbare Garküchen. Gesättigt kann es mit einem Pferde- oder Fahrradtaxi weitergehen.

Tipps für Jogyakarta

ANREISE

Garuda beispielsweise fliegt täglich von Berlin über Amsterdam nach Jakarta und von dort nach Jogyakarta. Ab 860 Euro (garuda-indonesia.com)

EINREISE

Deutschen Staatsbürgern wird bei der Einreise am Flughafen ein 30-tägiges Visum erteilt (etwa 22 €).

UNTERKUNFT

In der Stadt gibt es Guesthouses und Hotels in allen Preislagen, etwa das Eastparc Hotel mit einem nachhaltigen Energiekonzept. Doppelzimmer mit Frühstück ab 70 Euro pro Nacht (eastparchotel.com). Stylisch und dabei sehr preiswert ist das Zodiak@Cokro und mit einer Skybar, die allabendlich gute Live Musik bietet. Doppelzimmer mit Frühstück ab 26 Euro (zodiak-hotel.com)

AUSKUNFT

Ausführliche Informationen über die Regionen des Landes und notwendige Impfungen unter der Rufnummer 069 175 37 10 38, im Internet: tourismus-indonesien.de

William Vorsatz

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