Kreuzfahrt auf der Seine: Ankern bei Jeanne d’Arc
Die Seine fließt durch Paris. Und dann? Mit der „Arosa Viva“ kommt man fast bis zu ihrer Mündung in den Ärmelkanal.
Leises Klopfen unterbricht den Schlaf. Ist da jemand an der Kabinentür – mitten in der Nacht? Ach nein, es ist nur das Wasser, das rhythmisch gegen die Bordwand schwappt. Dabei sind wir doch gar nicht auf einer Hochseekreuzfahrt. Das Schiff, die „Arosa Viva“, liegt fest vertäut am Kai von Rouen. „In rund 80 Kilometern mündet die Seine in den Ärmelkanal“ wird Stadtführerin Erika später erklären, die Gezeiten des Atlantiks spüre man aber daher noch deutlich.
Der Liegeplatz in Rouen ist ideal. Binnen einer Viertelstunde ist man zu Fuß im Zentrum der großen Hafenstadt in der Normandie. Schmale Straßen, rechts herum, links herum, dann ist die Place du Vieux-Marché erreicht. Der alte Marktplatz ist von zahlreichen Fachwerkhäusern umstellt. Manche der dunkelbraunen Stützbalken sind im Laufe der Jahrhunderte ein bisschen krumm geworden. Grausames hatte sich im Mittelalter hier abgespielt: Im Jahr 1431 wurde die 19-jährige Jeanne d’Arc an dieser Stelle verbrannt. Ihr zu Ehren wurde 1979 eine Kirche eingeweiht. Wie ein Ufo scheint sie gelandet zu sein. Das ausladende Dach erinnert an einen umgedrehten Schiffskiel, tiefschwarze Zacken bilden die Ränder als Mahnung an die züngelnden Flammen des Scheiterhaufens.
Der kühne, mutige Bau des Architekten Louis Arretche gefällt nicht jedem. Wer hineingeht, ist versöhnt. Innen überrascht die Kirche der heiligen Jeanne d’Arc mit wertvollen Glasfenstern, die biblische Geschichten erzählen. Die Fenster stammen aus der 1944 bei Bombenangriffen zerstörten Kirche Saint-Sauveur, die ursprünglich an dieser Stelle stand. Die Fenster hatte man zuvor in Sicherheit bringen können. Der Architekt lehnte ihren Einbau ab, dabei entfalten sie gerade im Kontrast zur modernen Hülle ihre berührende Wirkung.
Rouen - zwischen Geschichte und Kunst
Dem Leben der Jeanne d’Arc kann man in einem neuen Museum mit viel digitalen Finessen nachspüren. Aber was taugen die, angesichts des furchterregenden Turmes, in dem die junge Frau einst verhört worden war. Trutzig steht er da, mitten in der Altstadt: Ein Mahnmal für die Ewigkeit.
25 Kirchen gibt es in der 110 000-Einwohner-Stadt Rouen. Die Nummer eins ist natürlich die Kathedrale. Viele kennen ihre Hauptfassade mit den drei Portalen und der darüberliegenden Fensterrose – von den Bildern Claude Monets. Gleich gegenüber hat er gewohnt in den Jahren 1892 und 1893. Und sie insgesamt 28 mal gemalt, im Morgenlicht, in der Abenddämmerung, während der vier Jahreszeiten. Zufrieden war der Maler nicht mit seinen Ergebnissen. „Mir wird es nie gelingen, etwas Gutes zu erreichen, es ist nur eine stupide Mischung von Farben, aber es ist keine Kunst“, notierte er. Unsinn. Denn wie unterschiedlich die Kathedrale, je nach Sonneneinstrahlung, wirkt, kann man selbst beobachten – bei einem Drink im Café gegenüber.
Die Zeit verfliegt in Rouen. Jede Straße offenbart neue herrliche Gebäude – 800 sind als historisch klassifiziert. Dazu die ungezählten Chocolaterien. Bloß nicht schwach werden, an Bord wird in Kürze das Menü serviert. Heute Abend etwa mit gelierter Bouillabaisse mit Safran-Mayonnaise, gefolgt von „Lammhaxe de Normandie“ mit Karotten-Schwarzwurzel- Schaum und in Oliven-Kräuter-Öl gebackenen Kartoffeln. Als Dessert gibt’s Mangomousse mit marinierten Himbeeren oder Crêpes mit Apfelmus. Die Küche an Bord der Arosa-Schiffe ist immer erstklassig – da macht „Viva“ keine Ausnahme.
Mondäne Seebäder und Künstleroasen
Während das Schiff anderntags in Rouen bleibt, buchen die Passagiere Ausflüge. Zum Beispiel ins mondäne Seebad Deauville, das bei unserer Tour, lange vor der Hochsaison, recht trostlos wirkt. Die schönen Villen der reichen Pariser, noch sind sie verriegelt und verrammelt. Die pompösen Säle des Casinos – verwaist. In den Boutiquen langweilen sich die Verkäuferinnen, am Strand ist jetzt viel Platz. Im Sommer wird sich Deauville verwandeln. Elegante Damen werden ihre frisch ondulierten Pudel ausführen, Badegäste unter eleganten Sonnenschirmen liegen und teure Cabrios die Küstenstraße befahren.
Honfleur dagegen ist zu jeder Jahreszeit einladend. Während sich in der Hochsaison ungezählte Touristen durch die Gassen des östlichsten Ortes an der sogenannten Blumenküste drängeln, kann man im Frühling und Herbst in Ruhe flanieren. So viele interessante Galerien. „Können wir hier etwas länger bleiben?“ bittet eine Ausflüglerin. Natürlich nicht. Der Busfahrer muss seine Kreuzfahrer schließlich pünktlich zum Dinner an Bord abliefern. Soupe Lyonnaise, Wildragout Bourguignon und dazu ein Gläschen mehr vom ausgezeichneten Cabernet d’ Anjou. Es sind ja nur wenige Schritte bis zum „Schlafzimmer“.
In der Nacht macht sich die „Arosa Viva“ leise auf den Weg und verblüfft die Passagiere anderntags mit einer völlig anderen Kulisse: Les Andelys. Wie weich und melodisch diese Silben über die Zunge rollen. Der Ort liegt wie hingekuschelt unter einer mächtigen Burgruine. Richard Löwenherz, König von England und Herzog der Normandie, hatte im 12. Jahrhundert auf einem Felsvorsprung das Château Gaillard bauen lassen. Im Laufe der Zeit wurde es immer wieder belagert und schließlich zu Beginn des 17. Jahrhunderts zerstört. Nun trotzen die Reste Wind und Wetter und bieten von oben einen herrlichen Panoramablick.
An der Promenade, unweit vom Schiff, ist ein Werk des Malers Henri Lebasque befestigt. Darauf sieht man im Hintergrund die malerische Burgruine, während vorn ein Boot auf der Seine dümpelt. Drinnen sitzt eine Frau im gestreiften Kleid, den Sonnenschirm in der Hand, die Beine kokett übereinandergelegt. Die Normandie huldigt ihren Malern an vielen Orten. Immer wieder sind entsprechende Tafeln angebracht.
Die meisten Passagiere steigen heute in den Ausflugsbus nach Giverny, in den Garten von Claude Monet. Wir bleiben in Les Andelys. Nahe am Schiff beginnt ein hübscher Spazierweg entlang liebevoll bepflanzter Privatgärten – mitten in den Ort. Dort gibt es eine Rue Charles Chaplin. Aber der Filmkomiker war nie hier. Die Straße wurde nach dem gleichnamigen Maler und Kupferstecher benannt (1825–1891).
Der verträumte Ort lockt auch jetzt noch Künstler an. Einer von ihnen ist Frédéric Duclos, den man nahe der Seine in seinem Atelier besuchen kann. Unter den impressionistischen Kreationen finden wir ein wie hingetupftes kleines Seerosenbild. Der Preis ist erschwinglich. „Anders als ein Monet ist es schon“, sagt ein Giverny-Rückkehrer mit Kennermiene, „aber es ist interessant.“ Am nächsten Tag will er sich selbst bei Duclos umsehen. Zu spät. Denn da erwachen wir schon wieder in Paris. Wenn auch nicht unterm Eiffelturm – sondern in gehörigem Abstand dazu, im Vorort Saint-Denis. Für die Innenstadt ist das Schiff mit seinen 135 Metern Länge und knapp zwölf Metern Breite viel zu groß. Mit der U-Bahn ist man schnell im Zentrum der französischen Hauptstadt. Einen ganzen Tag lang kann man sich dort noch verzetteln. Wir gehen schnurstracks ins Musée d’Orsay. Dort hängt sie in mehrfacher Ausführung, Monets Kathedrale von Rouen.
Nur so erreichbare Orte erkunden
Nur ein Berliner, vielleicht Mitte 40, bleibt auf dem Schiff. Er ist Stammgast und bucht niemals Ausflüge. „Wenn alle unterwegs sind, kann ich das Schiff doppelt genießen“, erklärt er. Alle 80 Sonnenliegen an Deck seien dann meist frei, das Spa habe er für sich allein, und wenn er Durst habe, bestelle er sich den Drink seiner Wahl. Ist ja alles inklusive. „Für mich sind die Flussfahrten auf Arosa-Schiffen die schönste Art zu entspannen“, sagt der Mann. Die nächste Tour, dann mal wieder auf dem Rhein, hat er schon gebucht.
In Les Andelys ist er allerdings auch zur Burgruine gestapft, hat lange dort oben verweilt und den tollen Blick auf die Seine genossen. „Den schönen Ort hätte ich ohne diese Schiffstour vielleicht nie kennengelernt“, sinniert der Berliner.
Dass die Seine seit diesem Jahr im Programm ist, läge an den drängenden Nachfragen der Passagiere, heißt es seitens der Reederei. Rhône und Saône hätten die Flussgäste schon entdeckt, die Seine fehlte ihnen noch. Es gibt die Tour auch in der Sieben-Tage-Variante – für alle, die näher ans Meer kommen wollen.
Informationen zur Kreuzfahrt
ALLGEMEINES
Zur Arosa-Flotte gehören sieben Schiffe. Die Fahrtgebiete sind Donau, Rhein, Main und Mosel sowie in Frankreich die Flüsse Saône, Rhône und Seine.
KURZTRIP
In diesem Jahr finden noch mehrere Kurztrips (vier Nächte) auf der Seine statt. Ein Höhepunkt ist etwa die Tour „Weihnachtszauber“ (22. bis 26. Dezember). Der Preis beträgt ab 719 Euro pro Person in der Doppelkabine. Wer mehr Platz möchte und Wert legt auf einen französischen Balkon, zahlt rund 200 Euro mehr. Im Preis enthalten ist die „Vollpension Plus“ mit Frühstücks- und Mittagsbüfett, Kaffee und Kuchen sowie dem Abendmenü. Inklusive
sind auch alle Getränke an Bord. Auf einigen Reisen kann auch der Basic-Tarif gebucht werden. Dann sind nur das Frühstücksbüfett und der Transfer ab/bis Flughafen inklusive.
SIEBEN-TAGE-TOUR
Auf der Seine werden im kommenden Jahr auch Touren für eine Woche angeboten. Bei sieben Nächten beginnen die Preise bei 999 Euro pro Person. Wer bis zum 30. November bucht, profitiert von attraktiven Frühbucherrabatten.
AUSKUNFT
Arosa-Servicecenter, Telefonnummer: 03 81/202 60 01, sowie unter a-rosa.de/flusskreuzfahrten