Musikfestival "We Make Waves": "Wir sprechen Menschen an, die am Weiterkommen von Frauen interessiert sind"
Die Musikerin Caoimhe McAlister ist eine der Gründerinnen des Musikfestivals „We Make Waves“. Wir haben mit ihr über Sexismus in der Musikbranche, Empowerment von Frauen und Transpersonen und das Fehlen von weiblichen Acts auf Festivals gesprochen.
Projektmanagerin Caoimhe McAlister veranstaltet zusammen mit Melissa Perales von Donnerstag bis Sonnabend zum ersten Mal das Festival „We Make Waves“, das sich explizit an Frauen richtet. In der St. Elisabeth Kirche und im Club Acud werden Panels, Workshops und Konzerte stattfinden.
Caoimhe, Ihr Festival "We Make Waves" fällt in eine Zeit, in der Feminismus, Sexismus und Sichtbarkeit mehr denn je Themen in der Öffentlichkeit sind. Zufall?
Bereits seit Langem betrachten wir uns alle im Team als Langzeit-Feministen. Wir alle haben in der Musikindustrie Diskriminierung erlebt, und deshalb sind wir, wie viele andere Menschen auch, sehr froh darüber, dass feministische Themen und Geschlechter-Debatten aktuell im Fokus der Öffentlichkeit stehen. Allerdings hat es Frances Morgan, eine Kollegin und Mitstreiterin von uns, kürzlich in einem Interview sehr gut auf den Punkt gebracht: Das Problem ist, dass Themen wie gleiche Rechte und Identität eben nur so lange auf der Agenda stehen, bis damit Geld verdient werden kann. Wir wollen uns deshalb mit unserem Festival einbringen in die Debatte, und wir möchten vor allem auch unseren eigenen Weg in dieser Branche finden. Ohne Frage gibt es gerade viele zielgerichtete Diskussionen zu diesen wichtigen Themen, aber wir hatten das Gefühl, es fehlt noch eine Plattform und ein Netzwerk, um die verschiedenen Debatten zu verlinken. Wir denken, wenn wir alle zusammenarbeiten, können wir mit unseren Zukunftsideen wirklich etwas verändern.
Haben Sie selbst Ausgrenzungs- oder Diskriminierungserfahrungen in Ihrer bisherigen Musikkarriere erlebt und ist das Festival jetzt auch eine Reaktion auf diese Erfahrungen?
Jede von uns hat ihre eigene Geschichte. Ich persönlich habe in meinem bisherigen Berufsleben Situationen erlebt, in denen ich mich unterschätzt, herabgesetzt, eingeschüchtert und belästigt gefühlt habe. Aber es gibt eben auch dieses subtile Ungleichgewicht von Sprache und Verhalten, Erwartungen und Stereotypen, die massiv die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern mit beeinflussen. Es ist wirklich schwer zu sagen, welche Möglichkeiten und Entwicklungschancen ich gehabt hätte, wenn ich ein Mann gewesen wäre und auch so behandelt worden wäre. Bei diesem Spiel gibt es so verdammt viele unbekannte Faktoren. Deshalb sehen wir jetzt unsere Aufgabe darin, diese Faktoren einfach mal offen zu legen und zu gucken, wo wir überall Dinge tatsächlich verändern können.
Sie freuen sich wahrscheinlich über viele Besucher*innen. Aber gibt es Menschen, die Sie mit dem Festival gezielt ansprechen möchten?
Wir möchten vor allem die Menschen ansprechen, die am Empowerment und am Weiterkommen von Frauen, Transpersonen und nichtbinäre Menschen interessiert sind. Dabei möchten wir auch Menschen jeden Geschlechts, Alters und ethnischen Hintergrunds mit einbeziehen. Es gibt nach wie vor solch eine große Ignoranz gegenüber Menschen, die einfach eine andere Vorstellung von Geschlecht und Identität haben. Das zieht sich durch die Literatur und Pop-Kultur, mit der wir ja alle groß geworden sind und die größtenteils eben durch eine männliche Perspektive dargestellt wird. So lässt sich meiner Meinung nach auch erklären, warum so viele Menschen jetzt so schockiert sind über die vielen Geschichten von sexueller Belästigung und Übergriffen, von denen fast jede Frau berichten kann. Wir denken, dass ein Festival wie „We Make Waves“, das sich ganzheitlich mit dem Thema Gender beschäftigt, dabei helfen kann, eine größere Akzeptanz zu schaffen, und dass wir gesellschaftlich vorankommen.
Es werden unter anderem Meredith Graves, The Chicks, Ah Mer Ah Su oder JD Samson zu erleben sein. War Ihnen bei der Auswahl der Künstler*innen etwas besonders wichtig?
Es ist nicht ganz einfach zu sagen, nach welchen Kriterien wir das Festival kuratiert haben. Wir wollten einfach interessante Künstler*innen dabeihaben, die zu uns passen und die Grenzen austesten. Aber ich freue mich neben den ganzen anderen tollen Acts vor allem auch auf die US-amerikanische Rapperin Dai Burger, die am Sonnabend in der St. Elisabethkirche auftreten wird. Sie muss man unbedingt gesehen haben.
Inwiefern unterscheidet sich Ihr Festival vom "Heroines of Sound Festival", das sich auch nicht gezielt an Cis-Männer richtet?
Es gibt viele Gemeinsamkeiten, aber auch viele Unterschiede. Wir versuchen mit unserem Programm, mehr Genres, unterschiedlichere Vortragsthemen und eine größere globale Perspektive zu vereinen. Zudem glauben wir einfach auch an die Kraft des Selber-Machens und betrachten unser Festival „We Make Waves“ als einen Vermittler zwischen Initiativen und einzelnen Personen, die ihre eigenen Ideen und Konzepte im Rahmen des Festivals miteinbringen und entwickeln können. Dennoch sind wir auch große Fans von „Heroines of Sound“, und wir freuen uns, dass am Freitag im Club Acud die Gründerin von „Heroines of Sound“, die Künstleragentin Mo Loschelder, sprechen wird. Grundsätzlich sagen wir auch: Je mehr feministische Festivals es gibt, desto besser! Wir haben unzählige Musikfestivals, dennoch gibt es ein massives Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern. So hat die Initiative female:pressure im Sommer aktuelle Zahlen veröffentlicht, und demnach sind auf internationalen Elektro-Festivals 79 Prozent männliche Acts. Daher ist es für uns ganz klar, den Fokus auf einen Mix von Frauen, Transpersonen und nichtbinäre Menschen zu richten.
Hatten Sie Schwierigkeiten, das Festival zu organisieren? Es wird ja immer noch gerne davon gesprochen, Berlin sei so offen.
Unabhängig davon, wie sehr sich Berlin in den letzten Jahren zum Schlechten geändert haben möge, aber während der Vorbereitungen haben wir immer noch den offenen Geist der Stadt verspürt, weswegen ja viele Menschen auch immer noch hierherkommen. Wir sind sehr glücklich über die überragende Unterstützung von unseren Geldgebern, der Community und das inspirierende Kollektiv aus Room 4 Resistance, Salt + Sass, Meet Up Berlin, New World Dysorder, female:pressure und vielen anderen. Aber auch an einem solch offenen und progressiven Ort wie Berlin sind wir auch auf Widerstand gestoßen und müssen um Gelder kämpfen. Trotz des guten Rufes der Berliner Musikindustrie müssen wir feststellen, der Männer-Club hier in der Stadt hat es lohnenswerten Projekten mit einem weiblichen Fokus in der Vergangenheit nicht gerade einfach gemacht. Aber wir finden es großartig, dass das Netzwerk Berlin Music Commission, das uns diese Woche auch mit dem “Listen To Berlin Award” ausgezeichnet hat, es offensichtlich verstanden hat und solch ein Engagement wie unseres honoriert.
Das Festival "We Make Waves" findet vom 9.11. bis 11.11. statt. Veranstaltungsorte sind das Kulturzentrum Acud, Veteranenstraße 21, und die St. Elisabeth Kirche, Invalidenstraße 3.
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