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Die Lesben kommen - auf dem Berliner Dyke*March (Archivild).
© Nadine Lange

Dyke*March demonstriert für Sichtbarkeit von Lesben: "Wir brauchen mehr lesbische Vorbilder"

Parallel zum CSD findet der Dyke*March statt. Warum es eine stärkere Debatte über die Rechte von lesbischen Frauen geben muss, erklärt Dana Müller aus dem Orgateam.

Am Samstag (25. Juli) findet parallel zum hautpsächlich online gestreamten Berliner Christopher Street Day der Dyke*March statt - und zwar auf der Straße. Dana Müller ist Redakteurin beim lesbischen Magazin "L-Mag" und eine der Organisator*innen der Demo, die um 15 Uhr am Neptunbrunnen startet.

Worum geht es beim Dyke* March?
Um lesbische Sichtbarkeit. Lesben werden als Frauen und Homosexuelle doppelt diskriminiert und erleben Ausgrenzung, Abwertung und Vorurteile. Gleichzeitig gehen ihre Belange in politischen und gesellschaftlichen Debatten unter. In der Pride Saison berichten viele Medien über den CSD als die "Schwulenparade", zeigen Fotos von Drags und nackten durchtrainierten Jungs.

Dabei ist der LGBT-Regenbogen viel bunter. Und genau deshalb geht der Dyke* March für gewöhnlich am Vorabend des CSD auf die Straße und zeigt lesbische Vielfalt, als Ergänzung zum CSD. Dieses Jahr findet er coronabedingt am selben Tag statt.

Was möchten Sie erreichen?
Ziel ist eine öffentliche Debatte. Wir brauchen eine stärkere Debatte, um die Bedürfnisse und Rechte von lesbischen Frauen. Außerdem ist es ein erhebendes Gefühl, zwischen tausenden Lesben selbstbewusst, laut und kraftvoll auf die Straße zu gehen. Das ist auch für jede Teilnehmerin etwas Besonderes und gibt Kraft für den Alltag.

Wo führt die Demo lang und wie wird mit der Coronasituation umgegangen?
Wir starten um 15 Uhr auf dem Alexanderplatz am Neptunbrunnen und laufen zum Brandenburger Tor. Aufgrund der aktuellen Lage verzichten wir auf eine Abschlusskundgebung und eine Party. Wir haben bei der Polizei und den Gesundheitsbehörden ein Hygienekonzept eingereicht, um auch in diesen Zeiten demonstrieren zu können, ohne dabei die Pandemie zu befeuern.

[Das Interview ist eine Leseprobe aus dem Tagesspiegel-Newsletter Queerspiegel, der immer am dritten Donnerstag erscheint. Hier kostenlos anmelden: queer.tagesspiegel.de]

Wieso ist es so wichtig, dass lesbische Frauen sichtbarer werden?
Weil wir es eben noch immer nicht sind. Wie viele berühmte Lesben gibt es? Wie viele Sportlerinnen, Schauspielerinnen, Politikerinnen sagen offen, dass sie lesbisch sind? Wenn über Probleme von Homosexuellen gesprochen wird, dreht es sich überproportional um schwule Belange. Auf LGBT-Podien ist die Lesbenquote erschreckend gering und Fördergelder für LGBT-Projekte gehen häufig an den cis-männlichen Teil der Community.

Dana Müller.
Dana Müller.
© Brigitte Dummer

Seit Beginn der homosexuellen Bewegungsgeschichte kämpfen Lesben an der Seite von Schwule, gleiches gilt für die feministische Bewegung. Trotzdem werden sie in der öffentlichen Wahrnehmung oft an den Rand gedrängt. Es ist höchste Zeit das zu beenden! Wir müssen über lesbische Bedürfnisse, Wahrnehmung und Probleme reden!

Welcher Stigmatisierung sind Lesben ausgesetzt?
Lesben werden in ihrer Sexualität und ihrer Identität einfach negiert. Die Vorurteile sitzen tief im Patriarchat. Heterosexueller Sex geht in dieser Logik vom Mann aus und Frauen wird in der männlich dominierten Perspektive keine eigenständige Sexualität zugestanden. Noch immer müssen wir darum kämpfen, dass wir für unsere Lust und unsere Sexualität keinen Mann brauchen. Entweder werden wir als Porno für den heterosexuellen Mann verunglimpft oder als mangelhafte Sexualität abgestempelt, bei der etwas fehle.

Setzen sich die Stadt genug für lesbische Frauen ein?
Das Land Berlin hat 2018 den Preis für lesbische Sichtbarkeit ausgerufen, der nun alle zwei Jahre vergeben wird. Außerdem hat die rot-rot-grüne Regierung in ihrem Koalitionsvertrag die lesbische Sichtbarkeit verankert. Das ist ein guter Anfang. Aber es braucht mehr Aufklärung an Schulen und Bildungseinrichtungen. Kinder müssen schon früh Vielfalt erleben und lernen, dann haben Vorurteile keine Chance. Und lesbische Projekte brauchen mehr Fördergelder. Gerade jetzt in der Krise sind kleine Organisationen und die lesbische Infrastruktur besonders betroffen.

Was muss sich ändern?
Wir brauchen mehr lesbische Vorbilder. Mehr lesbische und queere Promis müssen sich outen und zu ihrer sexuellen Identität stehen. Das hilft jungen Lesben, aber eben auch einer vielfältigen Gesellschaft. Und wir brauchen eine breitere Debatte, um die Rechte und Bedürfnisse von Dykes. Aufklärung muss schon früh beginnen und lesbenfeindliche Gewalt muss als solche benannt werden.

Sebastian Goddemeier

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