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Die Räume für queere Menschen in der Coronakrise werden weniger (Symbolbild).
© Michele Spatari / AFP

Virtuelle Beratungen für LGBTs: Wenn der queere "Safe Space" online geht

Die Räume für queere Menschen werden in der Coronakrise weniger. Ein Verein aus Hannover bietet jetzt bundesweite Online-Beratungen für LGBT-Personen an.

Eine Krise in der Krise: Durch das Coronavirus mussten so gut wie alle Räume des öffentlichen Lebens schließen. Davon betroffen sind auch so genannte "safe spaces” für queere Menschen – Räume, die LGBTQI* erlauben, sich mit ihresgleichen ohne Angst vor Diskriminierung auszutauschen.

Einer dieser Räume ist der "Andersraum" in Hannover: Ein queeres Zentrum, das seit 2012 als Beratungs- und Anlaufstelle fungiert. Nun ist dieses wegen der Pandemie geschlossen - versucht aber, auf anderen Wegen queere Menschen weiter zu unterstützen.

Die Beratung findet nun online statt

Corinna Weiler ist die Projektleiterin des “Andersraum”: “Wir sind ein gemeinnütziger Verein, der die Vision hat, dass du sein kannst wer du bist”. Was erst einmal schlicht klingen mag, ist durchaus politisch. Denn: “Es geht um Menschenrechte”.

Für queere Menschen sind Freiheit und Selbstbestimmung in der Gesellschaft noch keine Selbstverständlichkeit – deswegen sind Räume wie der “Andersraum” so wichtig. Vor allem in Zeiten, in denen die Meldungen von homo- und transfeindlichen Angriffen bundesweit weiter steigen.

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Und nun? Was passiert in der Coronakrise, in der alle Angebote, die sonst face-to-face stattfinden, eingestellt sind? “Die Beratung, das war uns sehr wichtig, findet nun online statt", sagt Weiler.

Webinare für queere Menschen

Queere Menschen können sich auf der Website einen Termin geben lassen, “Webinare” besuchen, Podcasts lauschen oder das Angebot der Bibliothek nutzen.

Die queere Community hat schon ganz andere Krisen überstanden, im “Andersraum” gibt man nicht auf und ist sich seiner Verantwortung bewusst: Zwar ist das queere Zentrum eigentlich eine Anlaufstelle für Menschen aus Hannover und Niedersachsen, online können jedoch bundesweit alle die Angebote nutzen.

Dabei gilt die Devise wie für das analoge Programm auch: “Wir versuchen die Balance zu halten zwischen ernsten Gesundheitsthemen und Live-Techno-Decks."

So sieht es im "Andersraum" aus, wenn gerade keine bundesweite Kontaktsperre gibt. Rund 30 Gruppen werden dort angeboten.
So sieht es im "Andersraum" aus, wenn gerade keine bundesweite Kontaktsperre gibt. Rund 30 Gruppen werden dort angeboten.
© Andersraum/Mark Mühlhaus

Ein wichtiger Pfeiler der Arbeit im “Andersraum” ist die Beratung für trans Menschen und ihre Angehörige. Es geht um die Auseinandersetzung und Akzeptanz mit und von sich selbst und der Familie. “Heimlich schwul zu sein geht noch irgendwie, heimlich trans sein nicht”, stellt Corinna Weiler fest.

Trans Menschen sind von der Krise in besonderem Maße betroffen

Trans Menschen treffe die Krise in besonderem Maße, sagt Weiler: Therapien und OP-Termine müssen verschoben werden, lang vorbereitete Ziele rücken ferner in die Zukunft.

Auch das Angebot für Sexarbeiter und Süchtige ist in Gefahr, da Gruppentreffen nicht mehr stattfinden können. Das erzeuge Stress und Druck – noch mehr, als queere Menschen in einer heteronormativen Gesellschaft ohnehin erfahren.

Die Krise bedroht marginalisierte Gruppen

Weiler macht sich auch Sorgen um Menschen, die nun in brenzligen Situationen gefangen sind: “Ich habe heute einen Anruf bekommen, dass in einer Unterkunft für Geflüchtete die Stimmung sehr gereizt ist, die Menschen werden nicht ausreichend informiert, wodurch es zu queerfeindlicher Diskriminierung kommt.” Insgesamt bedrohe die Krisenstimmung zuallererst schwache und marginalisierte Gruppe.

(Lesen Sie hier mehr, wie es queeren Geflüchteten in der Coronakrise geht.)

Das Coronavirus stellt die Gesellschaft auf die Probe

In "normalen" Zeiten wird der Verein an drei Stellen aktiv, sagt Weiler: “Wir haben ein queeres Zentrum, ein queeres Jugendzentrum und wir organisieren den ‘Christopher Street Day’ in Hannover.” Hauptsächlich ehrenamtliche Mitarbeiter organisieren die etwa 30 Gruppen in dem queeren Zentrum, die sechs Gruppen im Jugendzentrum sowie die Bibliothek, die jetzt ebenfalls online zugänglich ist.

Das Coronavirus stellt die Gesellschaft auf die Probe. Was am Ende bleibt, ist die Hoffnung und die Gewissheit, dass auch schwere Zeiten vorübergehen. Oder wie Britney Spears einst sang: “Now I’m stronger than yesterday”.

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