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Die US-Botschaft feiert auf dem CSD 2015 die Öffnung der Ehe in den USA.
© picture alliance / dpa

Gleichstellung von Homo- und Transsexuellen: Warum der CSD immer noch politisch ist

Homo- oder Transsexuell? Kein Problem! Von wegen, denn die Gleichstellung ist noch lange nicht erreicht - auch deswegen geht es beim Christopher Street Day auf die Straße.

„Kommt aus dem Schrank, geht auf die Straße“: Mit Sprüchen wie diesen ziehen Lesben, Schwule, Bi- und Transsexuelle beim Christopher Street Day durch die Stadt.

Am Sonnabend ist es in Berlin wieder so weit, Hunderttausende werden zum CSD erwartet. Die Parade erinnert an den Aufstand in der New Yorker Christopher Street im Jahr 1969. Damals wehrten sich erstmals Homo- und Transsexuelle gegen Polizeirazzien in ihren Clubs: Der Beginn der queeren Emanzipationsbewegung.

„Danke für nix“ heißt das Motto dieses Jahr – eine Anspielung darauf, dass sich zum Beispiel bei der Eheöffnung nichts tut; und dass gesamtgesellschaftlich das Klima rauer wird, wie etwa die Proteste gegen den Bildungsplan in Baden-Württemberg gezeigt haben. Wir haben zusammengefasst, was Homo- und Transsexuelle bereits erreicht haben – und was nicht. 

DAS IST BEREITS ERREICHT

Alte Strafgesetze sind getilgt

Die Medizin hält Lesbisch- und Schwulsein offiziell für eine Krankheit? Homosexualität ist strafbar? Zumindest in Deutschland ist das inzwischen unvorstellbar. Doch so lange ist die Pathologisierung und Kriminalisierung von Homosexuellen nicht her: Die Weltgesundheitsorganisation WHO strich Homosexualität erst 1992 von der Liste der Krankheiten.

Es dauerte noch einmal zwei Jahre länger, bis hierzulande der Paragraph 175 getilgt wurde, der Homosexualität seit dem Kaiserreich unter Strafe gestellt hatte. Entschärft hatte ihn die alte Bundesrepublik 1969, die DDR ein Jahr zuvor gestrichen. Der Justizminister will jetzt – 2016 – endlich auch die Rehabilitierung der Opfer des Paragraphen 175 angehen.

Die Gleichstellung ist vorangekommen

Als im Jahr 2001 die eingetragene Lebenspartnerschaft für Lesben und Schwule eingeführt wurde, war das ein Meilenstein. Heute sehen viele Homosexuelle darin eher eine Verbindung zweiter Klasse, während ihnen die „richtige“ Ehe verwehrt wird. Gleichwohl ist es mit der Gleichstellung vorangegangen. Viele Punkte, bei denen Lebenspartner anfangs gegenüber Eheleuten diskriminiert wurden, sind dank Urteilen des Bundesverfassungsgerichts korrigiert worden. Am offensichtlichsten ist das beim Thema Steuern, wo keine Unterschiede mehr zwischen Heteros und Homos gemacht werden.

Auch Diskriminierung am Arbeitsplatz aufgrund der sexuellen Orientierung ist seit 2006 verboten – wobei Deutschland im europäischen Vergleich damit relativ spät dran war.

Erste Erleichterungen für Transgender

Transgender müssen sich sterilisieren lassen, wenn sie ihr Geschlecht offiziell in ihren Personaldokumenten angleichen lassen wollen – 24 Staaten in Europa, davon 13 EU-Staaten, verlangen das tatsächlich noch immer. In Deutschland sind diese Zeiten dagegen vorbei. Hierzulande müssen sich Transpersonen für die Personalstandsangleichung auch nicht scheiden lassen, was in 22 europäischen Staaten ebenfalls der Fall ist. Die Situation für Transgender bleibt aber auch in Deutschland stark verbesserungswürdig.

DAFÜR WIRD GEKÄMPFT

Weltweit Kriminalisierung stoppen

In Deutschland ist Homosexualität nicht mehr strafbar, weltweit sieht das ganz anders aus. In sieben Staaten steht Homosexualität unter Todesstrafe, und die Gerichte verhängen diese auch: im Iran, in Mauretanien, Saudi-Arabien, im Sudan, Jemen sowie in Teilen von Nigeria und Somalia.

In mindestens 76 weiteren Staaten wird Homosexualität laut den Vereinten Nationen kriminalisiert, wobei die Strafen variieren.

Die Lage für Transgender weiter verbessern

Einen „klinisch relevanten Leidensdruck“ müssen sich Transgender bescheinigen lassen, wenn die Krankenkasse die Kosten für medizinische Geschlechtsangleichungen tragen soll. Ebenso müssen sie zwangsweise Psychotherapien oder Untersuchungen über sich ergehen lassen, was viele als entwürdigend empfinden.

Das Transsexuellengesetz, das die Änderung des Vornamens und die personenstandsrechtliche Angleichung regelt, wird von Verbänden ebenfalls kritisiert, weil es immer noch hohe Hürden für die Angleichung vorsieht: Wie das Vorlegen von gleich zwei Gutachten.

Die Ehe öffnen

Die Ehe ist erst in 21 von mehr als 190 Staaten für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet. Deutschland gehört nicht zu den Ländern mit der Ehe für alle, die Unionsparteien lehnen das ab. Und trotz aller Fortschritte bleiben Unterschiede zwischen Lebenspartnern und Eheleuten – bei rund hundert gesetzlichen Regeln.

Die bedeutendste Lücke besteht sicher im Adoptionsrecht: Lesbischen und schwulen Lebenspartner bleibt die gemeinsame Adoption von Kindern weiter verwehrt (in 17 Staaten weltweit dürfen sie dagegen gemeinsam adoptieren). Weniger bewusst dürfte vielen sein, dass es gerade bei den aktuellen Themen Einbürgerung und Asyl ebenfalls gewichtige Unterschiede gibt. So gelten bei der Einbürgerung und dem Nachzug von ausländischen Lebenspartner von Deutschen andere – und zwar schärfere – Regeln.

Gewalttaten verhindern

In Berlin registrierte die schwule Opferberatung „Maneo“ 259 homo- und transfeindliche Übergriffe im Jahr 2015. Bei den Strafdelikten lagen Körperverletzungen an erster Stelle, gefolgt von Beleidigungen und Nötigungen. Die Dunkelziffer liegt deutlich höher.

Nun sind Übergriffe nicht immer gewalttätig. Diskriminierungen geschehen oft subtil, sind dann durch Gesetze nicht zu fassen. Für Akzeptanz und Gleichberechtigung im Alltag müssen Homo-, Bi- und Transsexuelle immer wieder kämpfen – auch dafür gehen sie auf die Straße.

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