Lebenspartnerschafsgesetz: Kritik der Grünen: Wo queere Lebenspartner benachteiligt bleiben
Die Bundesregierung will die Lebenspartnerschaft besser stellen. Dennoch bleiben verparnterte Lesben und Schwule bei rund 100 Regelungen benachteiligt, kritisieren die Grünen.
Man nehme das Sprengstoffgesetz. Das regelt, wer in Deutschland mit Sprengstoff handeln darf, benötigt wird dafür eine Lizenz. Diese Lizenzen sind vererbbar – allerdings mit Ausnahmen. Während heterosexuelle Ehegatten selbstverständlich die Lizenz zum Sprengstoffhandel von ihrem Angetrauten erben dürfen, ist das lesbischen und schwulen Lebenspartner_innen noch immer untersagt.
Bei 100 gesetzlichen Regelungen sind Lebenspartner benachteiligt
Das Beispiel mag kurios anmuten. Zwar plant die Bundesregierungen jetzt weitere Angleichungen, das "Gesetz zur Bereinigung des Rechts der Lebenspartner" (so der offizielle Titel) soll an diesem Donnerstag spät abends im Bundestag diskutiert werden. Dennoch werden auch nach der Verabschiedung zahlreiche Ungleichbehandlung von Lebenspartnern fortbestehen - auch die bei den Sprengstofflizenzen. Nach Einschätzung der Grünen wird es weiterhin etwa 100 gesetzliche Regelungen geben, in denen Lebenspartner nicht gleich behandelt werden.
In einer kleinen Anfrage hatten die Grünen bereits im Frühjahr nach Gründen gefragt, warum die Bundesregierung an der Schlechterstellung von Lebenspartnern festhält. Damals antwortete die Bundesregierung auf viele Fragen, ihre Meinungsbildung sei noch nicht abgeschlossen.
Volker Beck, innenpolitischen Sprecher der Grünen im Bundestag, hält das für „willkürliches Herumdoktern am Lebenspartnerschafsgesetz“ und „Verzögerungstaktik“: Der Bundesregierung sei gar nicht an der Beseitigung von Diskriminierung gelegen – obwohl Union und SPD in ihren Koalitionsvertrag festgeschrieben hätten, rechtliche Regelungen, die Lebenspartnerschaften, beseitigen zu wollen.
Die Grünen fordern die Ehe für alle
Und so fragen die Grünen – die bekanntermaßen für die Öffnung der Ehe für Lesben und Schwule sind - jetzt erneut detailliert nach, warum Lebenspartner in vielen Bereichen weiterhin nicht gleichgestellt werden. Eingeleitet werden fast alle der 50 Fragen dabei süffisant mit der Wendung: „Ist die Meinungsbildung der Bundesregierung zu folgendem Thema inzwischen abgeschlossen?“ Die kleine Anfrage liegt dem Queerspiegel, dem LGBTI-Blog des Tagesspiegels, vor.
Die bedeutendste Lücke: Das Adoptionsrecht
Die bedeutendste Lücke besteht dabei sicher im Adoptionsrecht: Lesbischen und schwulen Lebenspartner bleibt die gemeinsame Adoption von Kindern weiterhin verwehrt.
Weniger bewusst dürfte vielen sein, dass es gerade bei den aktuellen Themen Einbürgerung und Asyl ebenfalls gewichtige Unterschiede gibt. So gelten bei der Einbürgerung und dem Nachzug von ausländischen Lebenspartner von Deutschen weiter andere - und zwar schärfere - Regeln. In Asylverfahren entfällt für Asylsuchende nur dann die Pflicht in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, wenn sie gegengeschlechtliche Partner heiraten. Mit einem gleichgeschlechtlichen Partner dürften sie dagegen nicht zusammenziehen.
Benachteiligung beim Transsexuellengesetz
Auch darf ein Standesbeamter weiterhin die Mitwirkung an der Schließung einer Lebenspartnerschaft verweigern, selbst wenn alle rechtlichen Voraussetzungen gegeben sind - bei Ehegatten ist Standesbeamten eine solche Verweigerung untersagt. Beim Transsexuellen-Gesetz bleiben Lebenspartner benachteiligt.
Viele andere Schlechterstellungen mögen für Außenstehende wie Kleinigkeiten wirken. Für Beck sind das aber Zeichen, dass „die Beamten längst den Überblick verloren haben, was noch zu tun ist und was sie schon getan haben.“
Für Betroffene stellen sie ohnehin Diskriminierungen dar. Warum sollten Lebenspartner etwa beim Infektionsschutzgesetz schlechter gestellt sein? Hier geht es um Ansprüche auf Versorgung bei Impfschäden. Vereine, die sich zur Förderung des Schutzes der Ehe gründen, werden als gemeinnützig anerkannt; Vereine zur Förderung des Schutzes der Lebenspartnerschaft dagegen nicht. In 20 Verordnungen über die Laufbahn, Ausbildung und Prüfung für den Dienst in verschiedenen Bundesbehörden sowie in Approbationsordnungen für Ärzte und Zahnärzte werden Ehegatten und Lebenspartner ebenfalls anders behandelt.
Eine Generalklausel lehnt die Regierung ab
Einfacher könnte die Gleichstellung laufen, wenn man zumindest eine Generalklausel einführen würde, wonach alle ehebezogenen Vorschriften in Bundesgesetzen in gleicher Weise für Lebenspartnerschaften gelten soll. Dass sich die Bundesregierung auch dagegen sperrt, kritisieren die Grünen ebenfalls. Sie wollen nun von der Regierung wissen, wie sie die Ungleichbehandlungen im Hinblick unter anderem auf das Diskriminierungsverbot der Europäischen Menschenrechtskonvention und in Hinblick auf das Gleichbehandlungsgebot der EU-Grundrechtecharta rechtfertigt.
In der Regel dauert es zwei bis drei Wochen, bis die Bundesregierung auf kleine Anfragen antwortet.
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