Berlin-Kreuzberg: "Taz"-Gebäude wird Zentrum für queeres Leben
Die „Taz“ verlässt ihr altes Redaktionsgebäude und macht Platz für Neues: Zuerst kommen Start-ups, danach soll ein queeres Kulturhaus einziehen.
In der Rudi-Dutschke-Straße 23, wo bis vor ein paar Tagen noch die „Taz“ residierte, hängt am Eingang des ehemaligen Cafés ein kleiner Zettel: „Wegen Umzug geschlossen“. Nebenan stapeln sich alte Möbel und ausgemusterte Bürotische, die es nicht mit zur neuen Adresse der Tageszeitung, gleich ums Eck in der Friedrichstraße, geschafft haben.
Das sechsstöckige Gebäude bleibt jedoch nicht lange leer. Noch in diesem Jahr wird das Betahaus, Berlins bekanntester Coworking-Space für Start-ups und Freelancer, aus der Prinzessinnenstraße hierherziehen. Der Grund dafür sind Umbaumaßnahmen am alten Standort.
Doch das Betahaus wird nur vorübergehend im ehemaligen Taz-Gebäude unterkommen, bis Ende 2021 voraussichtlich. Wenn alles nach Plan verläuft, wird hier ein Jahr darauf ein ganz anderes Projekt seine Pforten eröffnen, das Elberskirchen-Hirschfeld-Haus – das queere Kulturhaus für Berlin.
Koalition sichert Unterstützung zu
Im aktuellen Koalitionsvertrag wird dem Projekt volle Unterstützung zugesichert, der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg deutet bereits grünes Licht an, und eine von der Senatsverwaltung für Kultur unterstützte Projektstudie wurde erarbeitet. Allein die Frage, wie eine derartige Einrichtung längerfristig finanziert werden soll, muss noch geklärt werden.
Bislang acht Institutionen aus dem schwul-lesbischen und feministischen Spektrum haben sich zum Verein der Freund*innen des Elberskirchen-Hirschfeld-Hauses zusammengeschlossen und Bereitschaft signalisiert, in das neue Leuchtturmprojekt des queeren Berlins einziehen und es mitgestalten zu wollen. Das Haus soll, so heißt es in einer Selbsterklärung des Vereins, „ein lebendiger Ort der Wissenschaft, Bildung und Begegnung, der Archive, Bibliotheken und Sammlungen“ werden. Geplant sind Ausstellungs- und Seminarräume, Ateliers, Kulturräume und ein offenes Café. Kurz: ein offenes, vielfältiges und sichtbares Zentrum für queeres Leben.
Vereinsvorstand: Vergleichbaren Ort gibt es bislang nicht
Jan Feddersen, Vorstand des Vereins und „Taz“-Redakteur, sagt, einen vergleichbaren Ort in dieser Größenordnung gebe es weltweit nicht. Er ist sich sicher, dass dieser für eine offene und vielfältige Stadt wie Berlin genau das Richtige sei. Und nicht nur für Berlin. Seine Vorstandskollegin Christiane Härdel spricht von einer geplanten Institution, „die unserem Land bislang einfach fehlt“.
Der Name, Elberskirchen-Hirschfeld-Haus, kommt dabei nicht von ungefähr. Johanna Elberskirchen war eine feministische Schriftstellerin, die ab den 1920er Jahren in Berlin lebte, sich für lesbische Belange einsetzte und über Sexualität forschte. Und Magnus Hirschfeld leitete in Tiergarten sein berühmtes Institut für Sexualwissenschaften, das kurz nach der Machtübernahme der Nazis 1933 zerstört wurde. Indem man sich auf genau diese Namen beruft, soll explizit an den freigeistigen und progressiven Umgang mit Sexualität in der Weimarer Republik erinnert werden und gleichzeitig an Hirschfelds Arbeit in dessen Institut in neuer Form angeknüpft werden.
Unideologisch und offen für alle
Jan Feddersen ist zwar Redakteur bei der „Taz“, sagt aber, die Zeitung selbst werde nichts mit dem geplanten queeren Kulturhaus zu tun haben, lediglich als Vermieter agieren – gemessen an der Lage am Checkpoint Charlie, wird allerdings nur eine vergleichsweise geringe Miete für das geplante Projekt fällig, heißt es. Das Elberskirchen-Hirschfeld-Haus soll nach Feddersens Vorstellungen auch nicht einmal besonders links sein, sondern unideologisch und offen für alle – „auch für Events, die Lesben und Schwulen in der CDU ausrichten wollen“.
Bleibt noch die Frage, was nach dem Einzug des Elberskirchen-Hirschfeld-Hauses mit dem auffälligen Wandrelief des Künstlers Peter Lenk passieren wird, das 2009 am alten „Taz“-Gebäude angebracht wurde. Das zeigt einen nackten Kai Diekmann, den ehemaligen „Bild“-Chefredakteur, mit absurd langem Penis. Ob das der passende Wandschmuck für ein queeres Kulturhaus ist? Feddersen sagt, das werde man dann ja sehen, „aber wir wollen prinzipiell lieber Kunstermöglicher, anstatt -verhinderer sein.“
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