Internationaler Tag gegen Homo-, Bi- und Transphobie: So viel gibt es bei Homo- und Transrechten noch zu tun
Bei den Rechten für Homo- und Transsexuelle bleibt weltweit viel zu tun - auch in Deutschland. Am Tag gegen Homo-, Bi- und Transphobie gab es am Dienstag auch in Berlin eine Kundgebung.
Tausende Homo-und Transsexuelle sind am Dienstag weltweit auf die Straße gegangen. Auch in Berlin demonstrierten zahlreichen Menschen am Wittenbergplatz, zu der Kundgebung aufgerufen hatte der Lesben- und Schwulenverband LSVD.
Anlass war nicht etwa der Christopher Street Day - sondern der Internationale Tag gegen Homo- und Transphobie (IDAHOT). Der erinnert jährlich daran, dass es trotz vieler gesellschaftlicher Fortschritte weltweit mit den Rechten von LGBTIs (das ist englisch und steht für „Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender and Intersexual“) noch nicht so weit her ist. So forderte der LSVD die Bundesregierung auf, endlich den Nationalen Aktionsplan gegen Homophobie umzusetzen - bei diesem stockt es wie berichtet seit Jahren. Auf der Berliner Kundgebung ging es auch um die Situation queerer Flüchtlinge, die sich in Unterkünften hierzulande oft weiter Übergriffen ausgesetzt sehen.
Der Queerspiegel dokumentiert hier zehn große Felder, wo bei LGBTI-Rechten noch einiges getan werden muss —international wie hierzulande:
In sieben Ländern sind Homosexuelle mit der Todesstrafe bedroht
1.) In sieben Staaten steht Homosexualität gesetzlich unter Todesstrafe, und die Gerichte verhängen diese auch: Und zwar im Iran, in Mauretanien, Saudi-Arabien, im Sudan, Jemen sowie in Teilen von Nigeria und Somalia. Im Irak wird gegen Homosexuelle die Todesstrafe verhängt, obwohl sie das Gesetzbuch offiziell nicht vorsieht, wie es in einem aktuellen Menschenrechtsreport der Organisation "International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association" (ILGA) heißt. Die Terrormiliz Islamischer Staat richtet in den von ihr kontrollierten Gebieten ebenfalls immer wieder Homosexuelle hin.
2.) In mindestens 76 Staaten wird Homosexualität laut den Vereinten Nationen kriminalisiert, wobei die angedrohten Strafen variieren. In vielen Ländern wird sogar Cross-Dressing kriminalisiert. Oft sind die Gesetze sprachlich vage gehalten (etwa sprechen sie von „Verbrechen gegen die natürliche Ordnung“ oder „gegen die Moral“), was die Willkür beim Vorgehen der Behörden vergrößert.
3.) Laut einem aktuellen Ranking des europäisches Ablegers von ILGA ist auch Europa noch weit von einer vollkommenen Gleichstellung von LGBTI entfernt. Für ganz Europa errechnete ILGA 42 von 100 möglichen Punkten, was die Rechte von Homo- und Bisexuellen sowie trans- und intergeschlechtlichen Menschen angeht. ILGA bezog in das Ranking zahlreiche Kriterien wie die Ehe für alle, das Adoptionsrecht, die medizinischen und rechtlichen Möglichkeiten für Transgender ihr Geschlecht anzugleichen, Antidiskriminierungsgesetze oder das Asylrecht für LGBTI ein.
4.) Malta ist demnach das homo- und transfreundlichste Land in Europa. In Aserbaidschan haben LGBTI dagegen praktisch überhaupt keine Rechte. Deutschland liegt auf Platz 16 - es hinkt vor allem hinterher, weil die Ehe bislang nicht für Lesben und Schwule geöffnet wurde und auch das Adoptionsrecht weiterhin ziemlich restriktiv ist.
Sterilisation für Transgender wird oft erzwungen
5.) 24 Staaten in Europa verlangen immer noch die Sterilisation, wenn Transgender ihr Geschlecht offiziell in ihren Personaldokumenten angleichen lassen wollen. Darunter sind laut der Organisation "Transgender Europe" 13 EU-Staaten wie etwa Frankreich und Belgien. In 22 europäischen Staaten müssen sich Transgender als Voraussetzung für die offizielle Personalstandsangleichung zudem scheiden lassen, sollten sie bisher verheiratet sein. In Deutschland ist beides nicht der Fall. Allerdings müssen sich Transgender auch in Deutschland einen "klinisch relevanten Leidensdruck" bescheinigen lassen, wenn die Krankenkasse die Kosten für medizinische Geschlechtsangleichungen tragen soll, sowie zwangsweise Psychotherapien oder Untersuchungen über sich ergehen lassen, was als entwürdigend empfunden werden kann.
6.) Seit dem Jahr 2008 wurden demnach allein in Europa mehr als 100 Transgender wegen ihrer Geschlechtsidentität umgebracht - und das sind nur die dokumentierten Fälle. Die Zahl trans- und homophober Übergriffe, von verbalen bis physischen Attacken, bleibt weltweit hoch.
7.) In Berlin registrierte die schwule Opferberatung „Maneo“ 259 homo- und transphobe Übergriffe im Jahr 2015. Bei den Strafdelikten lagen Körperverletzungen an erster Stelle, gefolgt von Beleidigungen und Nötigungen. Die Dunkelziffer liegt deutlich höher.
Ehe für alle - erst in 21 Ländern
8.) Die Ehe ist erst in 21 von weltweit über 190 Staaten für Lesben und Schwule geöffnet. Deutschland gehört nicht dazu. In Afrika steht die Ehe Homosexuellen nur in Südafrika offen, in Asien in keinem einzigen Land.
9.) Gemeinsam Kinder adoptieren dürfen Lesben und Schwule in 17 Staaten, darunter mehrere in Europa, Kanada, Teilen der USA, Australien, Argentinien, Brasilien und Uruguay. Deutschland gehört auch hier nicht dazu.
10.) In immerhin 62 Staaten ist laut ILGA Diskriminierung am Arbeitsplatz aufgrund der sexuellen Orientierung inzwischen verboten, auch in Deutschland (seit dem Jahr 2006, was im europäischen Vergleich relativ spät war). Allerdings gibt es einen solchen Schutz in praktisch keinem asiatischen Land (Ausnahmen: Taiwan und Israel) und nirgendwo in Afrika.
Mehr LGBTI-Themen finden Sie auf dem Queerspiegel, dem queeren Blog des Tagesspiegels. Themenanregungen und Kritik gern im Kommentarbereich etwas weiter unten auf dieser Seite oder per E-Mail an: queer@tagesspiegel.de.
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Tilmann Warnecke