Unterwegs im Kiez von Volker Beck: „Schade, dass sie ihn erwischt haben“
Im Schöneberger Schwulenkiez Motzstraße hat der Grünen-Politiker, bei dem illegale Drogen gefunden wurden, noch viele Fans. Eine Reportage.
Eine Seitenstraße vom Nollendorfplatz, dort hat der Grünen-Politiker Volker Beck nach Polizeiangaben seine Drogen gekauft. Vermutlich Crystal Meth, eine der gefährlicheren Substanzen. In der Motzstraße, der prominentesten Seitenstraße vom Nollendorfplatz, kennt man Volker Beck. Als Kunden im Späti oder im queeren Buchladen, als Gast in einer der vielen Bars. „Von Volker hätte ich das nicht gedacht“, sagt ein Geschäftsmann, der eigentlich gar nichts sagen möchte. „Schade, dass sie ihn erwischt haben.“
Mitten im Schwulenkiez
Die Gegend rund um die Motzstraße ist beliebt bei Homosexuellen, hier wird geshoppt, gefeiert und geliebt. Einmal im Jahr läuft hier Europas größtes lesbisch-schwules Straßenfest. Überall weht die Rogenbogenfahne. „Men only“, steht an der Tür vom „Jaxx“. Andere Clubs nennen sich gleich „ToyBoy“, dann weiß jeder Bescheid. „Früher gingen die Schwulen nach Holland, jetzt kommen sie zu uns“, sagt ein Kneipenwirt. Die meisten, die man hier im Kiez trifft, zeigen Mitgefühl für einen ihrer bekanntesten Fürsprecher. „Ist eben auch nur ein Mensch“, sagen viele. Einer wie sie, der gelegentlich mal Drogen nimmt. Ob es wirklich Crystal war, müsse schließlich noch bewiesen werden.
Im Café „Romeo & Romeo“ sind am frühen Nachmittag alle Tisch besetzt. Männer alleine an ihren Laptops, Männer in Zweier- und Dreierrunden, keine Frau darunter. Volker Beck wird erst auf Nachfrage zum Thema. Ein Mann mit schmalem Gesicht, gefönter Haarwelle, schwarzem Pulli, Beruf „Textiler“, muss sich erstmal sortieren, bevor er antworten kann. „Wie blöd muss man sein, dass man sich erwischen lässt.“ Auch er findet es schade um den Volker. Crystal, 0,6 Gramm, sei doch „harmlos, im Vergleich zu Kinderpornos“. Im Übrigen sei es bei „Leuten, die was leisten, doch normal, sich ab und zu wegzuballern. Genie und Wahnsinn liegen doch eng beieinander".
Es ist die ganze Gesellschaft. Wenn hier und anderswo eine Beck-Debatte stattfindet, dann aus parteipolitischer Motivation. Ich wünsche mir, dass Sucht und Suff mehr gesellschaftlich diskutiert werden, damit wir vielleicht aus solchen Vorgängen wie Becks Drogenvergehen etwas Sinnvolles machen können.
schreibt NutzerIn 2010ff
Volker Beck ist "eine Persönlichkeit"
Am Nachbartisch sitzt ein Laptop-Junkie aus Köln, gut aussehend, perfekt frisiert, in den Dreißigern. „Der Volker Beck hat eine ähnliche Biografie wie ich.“ Der habe sich in Osteuropa für die Schwulen eingesetzt, für die Liberalisierung von Drogen, „eine Persönlichkeit“. Ob es wirklich Crystal war, was man bei ihm fand, müsse erstmal nachgewiesen werden. „Vielleicht hat man ihm das einfach zugesteckt.“
Mit dem Slogan „Rub addicted“ wirbt ein Laden in der Straße – „süchtig nach Gummi“. Ein Teil der Szene trägt gerne Latexanzüge, andere stehen eher auf Leder oder Fetische als erotische Stimulanzien. Im Nollendorfkiez gibt es für die ausgefallensten Wünsche den richtigen Laden. An Drogen sind vor allem Alkohol und Tabak zu haben. Es gibt keinen offenen Drogenhandel wie am Görlitzer Park, dennoch sei die Gegend ein „Drogenumschlagplatz“, sagen Szenekenner. Andere wiederum finden, hier sei es auch nicht schlimmer als im Rest der Stadt.
Beschaffungskriminalität und Taschendiebe
In der „Scheune“ stehen die Barhocker auf dem Tresen. Es wird gelüftet und geschrubbt. Die Tür öffnet nicht vor 21 Uhr. Hinter der Theke rauchen die Angestellten, sinnieren dabei über „Beschaffungskriminalität“ und „die Rumänen“, die nachts ihre Gäste bestehlen. Taschendiebe. Die Kriminalität sei ein großes Thema unter den Geschäftsleuten, im schwulen Beratungszentrum Mann-o-Meter sitze man regelmäßig mit der Polizei zusammen, um über das Problem zu reden. „Danach wird zwei Wochen Streife gefahren, dann ist wieder Schluss.“
Um die Junkies, wenn sie gut erkennbar auf Droge sind, kümmere man sich schon selbst. „Die werfen wir gleich wieder raus.“ Den Volker Beck habe er hier noch nicht gesehen. An der Tür zum Lottoladen warnt ein großer gelber Aufkleber vor Spielsucht. Das Jugendschutzgesetz schreibt sowas vor. Drinnen steht ein älterer, hagerer Mann und überlegt, warum er den Kiez für einen Drogenschwerpunkt hält. „Die schnupfen doch alle. Das hat nichts mit den Grünen zu tun.“
Der Nollendorf-Kiez ist auch ruhig und bürgerlich
Zwischen den Läden für Schwule haben auch Antiquitätenhändler, Hutmacher und Galerien ihren Platz. Auf der anderen, der weniger bunten Seite des Nollendorfkiezes, schieben Mütter ihre Kinderwagen übers gemusterte Pflaster. Hier existiert eine bürgerliche Ruhe, die mit Partymeile und Drogen nichts gemein zu haben scheint. „Auf unseren Kiez lassen wir nichts kommen“, sagt eine Frisörin. Es gebe ein gutes „Miteinander“, findet auch die Frau vom „Notdienst für Suchtmittelgefährdete“.
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