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Im vergangenen Jahr wurden weltweit 331 trans Personen ermordet. An sie wird an dem Gedenktag erinnert.
© Brian Cahn/Imago

Transgender Day of Remembrance: Rosen und Kerzen für unsere Toten

Seit 20 Jahren gibt es den Transgender Day Remembrance, an dem der Opfern transfeindlicher Gewalt gedacht wird. Hier erklärt die Berliner Journalistin, Kabarettistin und trans Frau Michaela Dudley die Bedeutung des Tages.

Rita Hester war eine schillernde Figur. Glamourös, gesellig. Als Performerin trat die afroamerikanische Transsexuelle regelmäßig in den Etablissements von Boston auf und war in der queeren Szene beliebt. Doch zwei Tage vor ihrem 35. Geburtstag - kurz nach einem Auftritt - drang ein Angreifer in ihre Erdgeschosswohnung im Stadtteil Allston ein und stach auf sie ein – mehr als zwanzig Male in die Brust. Bei der Einlieferung in die Notaufnahme starb sie an Herzstillstand. Das war am 28. November 1998.

Bereits drei Jahre zuvor war die 23-jährige Chanelle Pickett, ebenfalls eine Bostoner trans Frau mit schwarzer Hautfarbe, erwürgt worden. Es gab einen Angeklagten, einen gewissen William Palmer, der die Tat sogar gestand. Allerdings verwendete sein Anwalt die „Trans-Panik-Verteidigung“: Palmers Gewaltakt sei eine verständliche emotionale Reaktion, da er vor der Transsexualität seiner Begleiterin Chanelle anfangs nicht gewusst habe. Anstatt wegen Mordes oder sogar Totschlages verurteilt zu werden, erhielt Palmer lediglich zwei Jahre Haft für Körperverletzung.

Ritas Killer wurde bis heute nicht gefasst. Die Medien berichteten damals ohnehin spärlich darüber. Sie wurde dem Rotlichtmilieu zugerechnet und teils mit ihrem männlichen Geburtsnamen als Transvestit abgestempelt. Doch wenige Tage nach ihrem Tod gab es ihr zu Ehren eine Mahnwache, an der rund 250 Menschen mit weißen Rosen und Kerzen teilnahmen. Ein Jahr später wurde die in San Francisco lebende Transfrau und Aktivistin Gwendolyn Ann Smith dadurch inspiriert, den Transgender Day of Remembrance zu initiieren.

Seit mittlerweile zwei Jahrzehnten gedenken wir am 20. November der Opfer transphober Gewalt, und zwar auf internationaler Ebene. Anlass dazu gibt es leider nach wie vor. Laut Angaben des Projektes Trans Murder Monitoring wurden zwischen 1. Oktober 2018 und 30. September 2019 weltweit 331 trans Personen ermordet. Brasilien ist in dieser makabrer Hinsicht mit 130 transphoben Morden Weltmeister. Mexiko folgt mit 63, dies USA befinden sich mit 30 auf dem dritten Platz.

Trans Menschen sind exponiert

Seitdem das Projekt 2008 ins Lebens gerufen wurde, sind global rund 3.317 Transgender-Personen umgebracht worden. Die Dunkelziffer ist sicherlich wesentlich höher. Zudem werden Tausende trans Menschen routinemäßig geschlagen, gestochen, als Sexsklaven erniedrigt und erpresst oder am Arbeitsplatz gemobbt. Anonyme Opfer, die dem Hass ausgeliefert sind. Deswegen ist der Transgender-Gedenktag darauf bedacht, den Betroffenen ein Antlitz, einen Namen zu geben. Dies geschieht etwa durch Aktionen wie die Human Libraries. Als menschliche Bibliotheken erzählen wir aus unserem Alltag, der oft von Ausgrenzung und Gewalt geprägt ist.

Michaela Dudley hat afroamerikanische Wurzeln und lebt in Berlin. Sie arbeitet als Kolumnistin, Kabarettistin und Rednerin.
Michaela Dudley hat afroamerikanische Wurzeln und lebt in Berlin. Sie arbeitet als Kolumnistin, Kabarettistin und Rednerin.
© Carolin Windel

Selbst innerhalb der Regenbogen-Community werden wir diskriminiert oder nur als Pausenclowns oder Puppen betrachtet, und nicht als ProtagonistInnen angesehen. Das ist besonders bedenklich. Denn es waren trans Frauen wie Marsha P. Johnson und Silvia Rivera, die vor 50 Jahren, gleichsam in Sichtweite und im Schatten der Freiheitsstatue, den Stonewall-Aufstand ausgerufen hatten.

Begrapscht, beleidigt, beklaut

Natürlich werden nach wie vor Schwule und Lesben auf Grund ihrer sexuellen Orientierung ebenfalls drangsaliert und umgebracht, und so ist die Solidarität wichtig. Wir trans Menschen sind aber nicht minder exponiert. Irgendetwas an unserer Physiognomie oder an unserer Stimme gibt uns preis. Für viele Zeitgenossen, denen der Buchstabensalat LGBTQI eh nicht schmeckt, sind wir die größere Zumutung. Schon ihre bösen Blicke kratzen an unseren Seelen entlang. Auch hier in Berlin, ganz egal, ob am Kotti oder auf dem Kudamm. Den Hass habe ich bereits am eigenen Leibe gespürt.

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Die eklatanteste Begegnung war nicht an der Spree, sondern am Rhein: In Köln wurde ich 2017 auf belebter Straße von vier transphoben Jugendlichen überfallen. Begrapscht, beleidigt, beklaut. Ich lief ihnen hinterher, um Hilfe schreiend. Adrenalinstöße hoch drei. Zivilcourage von PassantInnen? Fehlanzeige. Das war für mich schmerzhafter als die paar Schläge, die ich einstecken musste. Allerdings hatte ich als Halbmarathonläuferin mit Ortskenntnissen die Oberhand. So entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass die vier testasteronstarken Täter keuchend in einer Sackgasse landeten! Dort wurden sie von einem zufällig aufkreuzenden Streifenwagen gestoppt. Drei wurden einige Monate später verurteilt. Ein großes Lob an Polizei und Justiz, die dort, wie in Berlin und anderweitig, zunehmend sensibilisiert auftritt, und unsere Bedürfnisse beachtet. Weiter so.

Kleinkunst als Katharsis

Humor ist, wenn frau also trotzdem lachen kann. In meiner Eigenschaft als Journalistin nehme ich die Thematik todernst. Als Kabarettistin jedoch bin ich darauf bedacht, solche Überlebnisse auf eine intimere und nicht minder intensive Weise zu verarbeiten. Ich bin die „eingefleischt vegane Domina, die vom Leder zieht“. Die Kleinkunst als Katharsis. Gestiefelt und gespornt, mit Chansons und Chuzpe. So peitsche ich meine Botschaft der Toleranz durch, und halte dem Publikum einen Spiegel vor.

Eine weitere Ventilfunktion beschert mir das Voguing, der elegante Tanzstil, der in den 80er Jahren in Harlems Gay-Subkultur entstand. Ältere erinnern sich noch an Madonnas Musikvideo "Vogue" und den Film "Paris is Burning". Heutzutage trägt die mit genderfluiden, facettenreichen Figuren bevölkerten Netflix-Serie "Pose" auch zum wieder auflebenden Interesse an Voguing bei.

Sie wirft ein unvoreingenommenes Scheinwerferlicht auf die Community, und die wachsende Popularität kann auch wertvoll sein, was die Toleranz betrifft. Voguing gibt vielen von uns trans Menschen seelischen Halt durch körperliche Haltung“. Es geht darum, der Todesgefahr mit Lebensfreude zu trotzen. Denn jedwede Pose beim Voguing bildet den Teil einer Bilderfolge – die abrupt und brutal beendet werden kann. Wie auch das Leben selbst. Möge der Kampf gegen die Transphobie mehr als eine Modeerscheinung sein.

Michaela Dudley

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