Besuch am Set: Rosa von Praunheim dreht Film über Berliner Darkroom-Mörder
Fünf Taten in drei Wochen: Rosa von Praunheim bringt einen Fall auf die Leinwand, der vor sechs Jahren durch die Medien ging.
Die beiden jungen Männer wollten es offenbar hübsch haben zu zweit, man sieht es ihrer neu eingerichteten Wohnung an. Nun gut, eine gewisse Plüschigkeit, die Neigung zu kitschigem Interieur lässt sich nicht bestreiten, aber über Geschmack... Lassen wir das.
Also, da wären ein ausladendes Lotterbett, dessen grasgrüner Überwurf ein wenig an Kunstrasen erinnert. Davor rechts und links zwei pseudoantike Säulen, der Lampenschirm im Hintergrund etwas moderner, aber nicht sehr. Als weitere Requisiten einige Kissen, deren Blutrot mit dem Grün der Decke perfekt kontrastiert, rot auch ein weiteres Kuschelkissen in Form eines Kussmundes. Doch den letzten Schliff des Szenenbildes, um das per Rückprojektion ein ganzes Wohnzimmer herumgebaut werden kann, bildet ein kleiner Stoffelefant. Alles in allem nicht unbedingt so, wie man sich die Wohnhöhle eines Serienmörders vorstellt.
Noch weitere Kulissenräume sind an diesem Montag im Studio A des RBB-Fernsehzentrums an der Charlottenburger Masurenallee aufgebaut: eine spießig wirkende Wohnküche, mit Spüle, Tisch, Spiegelschrank und einem furchtbar unbequemen Schlafsofa, eine Bar mit viel Glas und Glitzer, schließlich einige Gestänge, deren Zweck nicht spontan einleuchten will – allesamt Stationen im Leben des schwulen Mörders, dessen Leben, Töten und Sterben Regisseur Rosa von Praunheim in den vergangenen zwei Monaten verfilmt hat und nun der Öffentlichkeit, unterstützt von den Hauptakteuren seiner Crew, vorstellen möchte. Wobei der zugrundeliegende Fall bekannt ist, vor Jahren die Berliner Gazetten und nicht nur sie füllte, das Publikum mit Grausen und Fassungslosigkeit erfüllte.
Er führte scheinbar ein ganz normales Leben
Rosa von Praunheims aktueller Stoff ist der Berliner „Darkroom-Mörder“, wie er auch im Tagesspiegel hieß, obwohl nur einer seiner drei Morde in solch einem dem anonymen Geschlechtsverkehr in einer Schwulenbar vorbehaltenen Raum stattfand. Der Täter Dirk P., ein ehemaliger Krankenpfleger, war Referendar an einer Grundschule, hatte seit Jahren eine feste Beziehung, führte scheinbar ein ganz normales Leben, der Freund ahnte nicht das Geringste von dem mörderischen Treiben. Dirk P. verabreichte seinen Opfern, Bekannte oder auch Zufallsbekanntschaften, heimlich eine Überdosis Liquid Ecstasy, auch K.-o.-Tropfen genannt. Drei Männer starben, ihr Mörder nahm ihre Kreditkarten und andere Wertgegenstände an sich, setzte die Karten auch ein, was letztlich zu seiner Verhaftung führte. Zwei weitere Opfer überlebten. Einer, weil rechtzeitig Hilfe kam, der andere, weil er an dem Gifttrank nur genippt hatte. Möglicherweise hatte Gerd P. zuvor auch seine Großmutter ermordet, um an das Erbe zu kommen, es gab da so einen Verdacht.
Die Taten hatten sich innerhalb von drei Wochen im Frühjahr 2012 ereignet. Gut ein Jahr später wurde der damals 38-jährige Dirk P. vom Landgericht wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt, zudem wurde die besondere Schwere der Tat festgestellt. „Habgier stand im Vordergrund“, befand Richter Peter Schuster. „Er wollte aber auch die totale Macht über andere spüren und sich daran ergötzen.“ Im Prozess hatte der Angeklagte vergeblich versucht, die Todesfälle als Versehen darzustellen. Im Frühjahr 2014 nahm er sich in der Haft das Leben.
"Teuflische Tropfen"
Die Journalistin Uta Eisenhardt hatte den Prozess aktuell begleitet, daraus nachträglich eine Reportage verfasst, die aber unveröffentlicht blieb – bis Rosa von Praunheim sie kennenlernte, ihre Arbeit spannend fand und fragte, ob sie nicht einen Stoff für ihn habe. Nun, sie hatte. „Tödliche Tropfen“ hieß das Filmprojekt, woraus mittlerweile „Teuflische Tropfen“ wurden. Es ist eine Koproduktion Rosa von Praunheims mit dem Saarländischen Rundfunk, Arte und dem RBB, die der Regisseur für die kommende Berlinale einreichen möchte. Keine 1:1-Umsetzung des mörderischen Stoffs, schon um die Angehörigen der Opfer zu schützen, aber doch „so nah wie möglich“, wie Rosa von Praunheim erklärt. Was ihn und seine Stofflieferantin an dem Fall faszinierte: Wie kann ein Mensch solche schrecklichen Dinge tun, der in festen sozialen Beziehungen lebte, der mit dem Freund dabei war, sich eine gemeinsame Wohnung einzurichten, ein Referendariat hatte, im Zenit seines persönlichen Erfolgs stand – und dies alles in drei Wochen zunichte machte, nicht mal den geringsten Versuch unternahm, sich beim Einsatz der geraubten Kreditkarten zu tarnen.
Es war, darin sind sich alle Beteiligten einig, ein zutiefst narzisstischer Sadist, der sich erst mit kleinen Ladendiebstählen den besonderen Kick verschaffte, der sich am Anblick des Todes, dem Gefühl totaler Macht berauschte, – und den nun Bozidar Kocevski vom Deutschen Theater zu spielen hat. Mit ihm und Heiner Bomhard, der den Freund mimt und auch die Musik schrieb, hatte Rosa von Praunheim am Deutschen Theater schon in seinem Stück „Jeder Idiot hat eine Oma, nur ich nicht“ zusammengearbeitet. Für Kocevski war der schwule Mörder ein willkommener Rollenwechsel: Endlich mal was Ernstes, nicht immer nur der Clown – das hatte er sich schon lange gewünscht.
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Einen Monat lang hatte Rosa von Praunheim mit seinem Team in dem raumgreifenden Studio A des Fernsehzentrums gedreht, zuvor waren sie schon einen Monat in der Stadt unterwegs. Etwa zum Märchenbrunnen in Friedrichshain, wo dem späteren Mörder zum ersten Mal die lebensgefährliche Droge angeboten wurde. Die Gerichtsszenen entstanden am Wochenende im Amtsgericht Neukölln, mit Katy Karrenbauer als Staatsanwältin, während Christiane Ziehl die Großmutter spielte.
Diverse Cafés wurden zum Drehort, und auch in einem Haus, das gerade renoviert wurde, entstanden Szenen. Dort herrschte stets ein Höllenlärm, aber wenn gedreht wurde, schwiegen die polnischen Arbeiter mucksmäuschenstill. Eine Frage des Respekts.
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