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Kabi im Love Hotel mit einer lesbischen Sexarbeiterin.
© Kabi Nagata/Carlsen

Lesbischer Manga: Raus aus dem Elterngefängnis

Die japanische Zeichnerin Kabi Nagata hat mit "Meine lesbische Erfahrung mit Einsamkeit" einen bedrückenden und sehr intimen autobiografischen Manga geschaffen.

Ein Gesicht im permanenten Ausnahmezustand: schwitzend, weinend, schreiend, rot angelaufen. Entspannte oder glückliche Züge scheint es nicht zu kennen.

Die japanische Zeichnerin Kabi Nagata porträtiert sich selbst als einziges Nerven- und Neurosenbündel, was ihren autobiografischen Manga „Meine lesbische Erfahrung mit Einsamkeit“ zu einer bedrückenden Lektüre macht. Das kann auch der zarte Rosaton kaum mildern, den sie als einzige Farbe für Akzentuierungen und Hintergründe gewählt hat.

Mit einer unglaublichen Ehrlichkeit und ohne Scheu, auch intimste Details zu offenbaren, schildert Kabi Nagata, wie sie nach dem Abschluss der Oberschule in eine immer tiefere psychische Krise gerät. Deren Hauptursache ist der familiäre und gesellschaftliche Erwartungsdruck.

Nagata wohnt noch bei ihren Eltern, denen sie unbedingt gefallen will. Was ihr nicht gelingt, weil sie ihr Studium nach einem halben Jahr abbricht und sie sich fortan in Hilfsjobs abrackert. "Ich muss um jeden Preis ein normales Leben führen", bleibt dennoch ihre Devise.

Gedanken an Sex und Erotik verbietet sie sich

Gequält von Unsicherheit, Essstörungen und Depressionen sehnt sie sich immer wieder danach zu sterben. Einzig der Wunsch einen Manga zu veröffentlichen, hält sie davon ab, sich umzubringen.

Tatsächlich gelingt es der 1987 geborenen Nagata, als Comiczeichnerin Fuß zu fassen, wodurch all ihre anderen Probleme aber keineswegs verschwinden. Sie hat keine Freund*innen, ist einsam und sehnt sich mit ihrem ganzen Körper nach einer Umarmung.

Dass sie Frauen begehrt, gesteht sich Nagata lange nicht ein. Gedanken an Sex und Erotik verbietet sie sich völlig – bis sie schließlich übermächtig werden „Ich will endlich wissen, was ich wirklich empfinde! Ich will nicht weiter leiden“, beschließt sie in einer Nacht.

Selbstporträt der Zeichnerin Kabi Nagata.
Selbstporträt der Zeichnerin Kabi Nagata.
© Carlsen

Schließlich ringt sie sich dazu durch, eine lesbische Sexarbeiterin zu buchen, um mit 28 Jahren endlich ihre ersten sexuellen Erfahrungen zu machen. Mit dem ganzseitigen Bild, das die beiden Frauen in einiger Entfernung voneinander nackt auf dem Bett hockend zeigt, beginnt der Manga. Kabi Nagata sieht darauf aus wie ein völlig verschrecktes Kind. Umso erstaunlicher, dass sie genau dieses wenig lustvoll verlaufende Treffen dann in einem Webcomic veröffentlicht.

Sie erhält positive Reaktionen und fühlt sich endlich lebendig. Auch „Meine lesbische Erfahrung mit Einsamkeit“ wird ein Erfolg in Japan, wo der Manga schon 2016 erschien und sich offenbar viele junge Menschen mit den Nöten der Heldin identifizieren können. Deren Selbstbefreiung ist am Ende keineswegs abgeschlossen: Auf der letzten Seite ist sie mit einem zerfließenden Gesicht zu sehen – die Bettdecke über den Kopf gezogen, sehnt sie sich weiter nach einer Umarmung.   

Kabi Nagata: Meine lesbische Erfahrung mit Einsamkeit. Aus dem Japanischen von Nadja Stutterheim. Carlsen, 143 Seiten, 15 €.

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