Wolfgang Lauinger: Opfer des §175 stirbt, ohne rehabilitiert zu werden
Wolfgang Lauinger war mit 99 eines der ältestes schwulen Opfer des Paragrafen 175. Nun ist er gestorben - ohne rehabilitiert worden zu sein.
Er war eines der ältesten Opfer des Paragrafen 175: Wolfgang Lauinger, der wegen seiner Homosexualität schon von den Nazis verfolgt wurde und später in der Bundesrepublik deswegen mehrere Monate erneut in Haft saß. Bis ins hohe Alter kämpfte er für die Rehabilitierung derjenigen, die durch den Paragrafen 175 verurteilt wurden. Im Sommer wurde endlich die Entschädigung und die Rehabilitierung der in der Bundesrepublik verfolgten schwulen Männer beschlossen. Doch ausgerechnet Lauinger, inzwischen 99, wurde die Entschädigung durch das Bundesamt für Justiz verweigert, wie erst vor kurzem bekannt wurde.
Für eine Rücknahme dieser Entscheidung wollte Lauinger weiter kämpfen. "Ist das Gerechtigkeit?", fragte er in einem Brief an Bundesjustizminister Heiko Maas, nachdem er den abschlägigen Bescheid bekommen hatte. Doch für eine Revision der Entscheidung ist es nun zu spät: Lauinger starb in der Nacht zu Mittwoch in Frankfurt, wie das Magazin "Mannschaft.com" berichtet.
Der hessische Staatssekretär ist "beschämt"
Der hessische Staatssekretär im Sozial- und Integrationsministerium, Kai Klose (Grüne) zeigte sich in einer ersten Reaktion "tief betroffen" vom Tod Lauingers. Er sei "beschämt, dass es dem Rechtsstaat trotz des endlich beschlossenen Gesetzes nicht gelungen ist, Lauinger vor seinem Tod zu rehabilitieren und für seine Untersuchungshaft zu entschädigen". Mit seinem Einsatz für die Rehabilitierung habe Lauinger der Demokratie einen wichtigen Dienst erwiesen, sein persönlicher Mut, seine Widerstandskraft seien beeindruckend gewesen. Jörg Litwinschuh, Vorstand der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld, sagte, die Stiftung "verneigt sich vor einem wundervollen Menschen, der bis zuletzt für die Rehabilitierung und Entschädigung aller aufgrund Paragraf 175 verfolgten Schwulen kämpfte".
Im Rahmen des "Archivs der anderen Erinnerungen" eben jener Hirschfeld-Stiftung hatte Lauinger noch vor zwei Jahren seine Lebensgeschichte erzählt (einen ausführlichen Bericht dazu finden Sie hier). In der NS-Zeit war er zweimal verhaftet worden - weil er zur rebellischen Swing-Jugend gehörte, aber auch weil die Gestapo wissen wollte, ob er wirklich schwul ist. Er überlebte nur, weil es ihm schließlich gelang unterzutauchen.
Nach 1945 schien die Zukunft offen - ein Trugschluss
Nach 1945 schien ihm die Zukunft offen zu stehen. Ein Trugschluss, wie sich herausstellte. Schon 1950 wurde er erneut wegen seiner Homosexualität verhaftet, gleichzeitig mit hundert anderen Männern. Er kam in ein Untersuchungsgefängnis, das bereits die Gestapo genutzt hatte. Personelle und strukturelle Kontinuitäten von der NS-Zeit zur Bundesrepublik hat Lauinger immer wieder kritisiert: Der Staatsanwalt, der 1950 seinen Fall übernahm, sei seines Erachtens bereits bei den Nazis mit der Verfolgung von Homosexuellen beauftragt gewesen und habe sich alter Gestapo-Akten bedient.
Acht Monate saß Lauinger in Untersuchungshaft. Er bat sogar Bundespräsident Heuss um Hilfe. Vergebens, dieser antwortete nur mit einem Formschreiben. Letztlich wurde er frei gesprochen. Dass er freigesprochen wurde, war nun der Grund für die Behörden, ihm die späte Entschädigung zu verweigern. Auf diese hätten nur die Männer Anspruch, die nach einer Untersuchungshaft tatsächlich verurteilt wurden, schrieb ihm das Bundesamt für Justiz.
Nach den Verfolgungen im Nationalsozialismus und in der Bundesrepublik war das eine erneute, späte Demütigung für Lauinger - eine Demütigung, die nun nicht mehr gutgemacht werden kann.
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