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Hohe Zahl von Operationen. Obwohl die medizinischen Leitlinien schon seit Jahren psychosoziale Bedenken anmelden, sinkt die Zahl der geschlechtsnormierenden Operationen an intersexuellen Kindern nicht. Das Foto ist ein Symbolfoto zum Thema Operation.
© picture alliance / Uwe Anspach/dpa

Intersexualität: Ohne Einwilligung operiert

Die Zahl von normangleichenden Genitaloperationen an intergeschlechtlichen Kindern sinkt nicht - obwohl Leitlinien von den Operationen abraten.

Die Zahl von intersexuellen Säuglingen oder Kindern in Deutschland, die zur Angleichung ihres Geschlechts operiert werden, sinkt nicht. Das geht aus einer Studie eines Forschungsteams hervor, das im Auftrag der Universität Bochum die Krankenhausstatistik des Statistischen Bundesamtes auswertete (hier zur Studie). Die drei Autoren der Studie, Josch Hoenes, Eugen Januschke und Ulrike Klöppel, kritisieren die anhaltende Häufigkeit der „normangleichenden Genitaloperationen“ in Deutschland. Schließlich seien seit dem Jahr 2005 die medizinischen Leitlinien mehrfach geändert worden. Inzwischen würden sie wegen „psychosozialer Bedenken“ immer mehr von Eingriffen abraten. Rechtlich verbindlich seien die Leitlinien aber nicht.

Im Koalitionsvertrag hatten Union und SPD erklärt, gesetzlich regeln zu wollen, „dass geschlechtsangleichende medizinische Eingriffe an Kindern nur in unaufschiebbaren Fällen und zur Abwendung von Lebensgefahr zulässig sind“. Ein entsprechendes Gesetz gibt es aber noch nicht. Die Autoren der Studie zitieren in ihrer Mitteilung vom Montag Dan Ghattas, Geschäftsführer der Organisation Intersex International (OII) Europe und Vorstandsmitglied von OII Deutschland: Die Studie zeige, „wie dringlich ein wirksames Verbot geschlechtsverändernder Eingriffe an den angeborenen Geschlechtsmerkmalen ist“, wenn die Operationen nicht medizinisch notwendig seien.

Im Schnitt gab es jährlich 1871 Operationen

Im Zeitraum zwischen 2005 und 2016 wurden der Studie zufolge jährlich im Schnitt 1871 „feminisierende“ oder „maskulinisierende“ Operationen durchgeführt. Das entspreche 21 Prozent aller Krankenhausfälle mit der Diagnose „Varianten der Geschlechtsentwicklung“. Im Jahr 2016 verzeichnet die Statistik demnach sogar 2079 solcher Operationen. Die Zahlen beziehen sich auf Behandlungsfälle. Weil eine Person oft mehrfach operiert wird, bleibt offen, wie viele Menschen operiert wurden. Berücksichtigt wurden nur Operationen an Kindern unter zehn Jahren, da in diesem Alter eine Einwilligungsfähigkeit zu Genitaloperation in aller Regel nicht gegeben sei.

Zu den „feminisierenden“ Eingriffen zählen Klitorisreduktions-, Vulva-, Labien- und Vaginalplastiken, zur „Maskulinisierung“ gibt es entsprechende Operationen des Hodensackes, des Penis oder der Harnröhre. Manche dieser Operationen könnten durchaus gesundheits- oder sogar lebensnotwendig sein, erklären die Forscher. Da die Zahl der Operationen aber insgesamt nicht zurückgegangen sei, gehen sie davon aus, dass im gleichen Umfang wie vor Änderung der Leitlinien ohne medizinische Notwendigkeit operiert wird.

Bei der Untersuchung handelt es sich um eine Nachfolgestudie. Die Psychologin und Geschlechterforscherin Ulrike Klöppel hatte bereits im Jahr 2016 Zahlen über die normangleichende Operationen an Intersexuellen im Zeitraum von 2005 bis 2014 veröffentlicht. Auch diese Studie hatte keine Veränderung der Zahl von Operationen als Reaktion auf geänderte medizinische Leitlinien gezeigt.

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