zum Hauptinhalt
Stefan Kaufmann (Mitte) und sein Lebensgefährte bekommen im Mai den Segen für ihre Lebenspartnerschaft. Kaufmann (45) ist Bundestagsabgeordneter der CDU, in einer eingetragenen Partnerschaft mit seinem Mann lebt er seit 2013.
© dpa

Die CDU und die Homo-Ehe: "Merkels Bauchgefühl? Das muss ich ihr abnehmen"

Schwul in der CDU: Der Bundestagsabgeordnete Stefan Kaufmann engagiert sich für die Homo-Ehe. Im Interview erklärt er, wie das Berliner Votum die Partei beeinflusst - und spricht über sexuelle Vielfalt in der Schule und Diskriminierungen.

Herr Kaufmann, waren Sie überrascht, als die Berliner CDU Ende Juli gegen die Ehe für alle stimmte?

Man hätte vermuten können, dass in Berlin so ein Votum anders ausgeht. Allerdings kenne ich die Berliner CDU auch nicht gut genug. Von außen betrachtet hat es eher verwundert. Wenig überraschend hingegen sind die unterschiedlichen Ergebnisse je nach Altersgruppe.

Welche Auswirkungen wird das Votum über Berlin hinaus haben?

Wenn es anders ausgegangen wäre, hätte es sicher noch einen Schub gegeben, vielleicht von einigen Landesverbänden, einen Vorstoß auf dem Bundesparteitag zu machen. So ist die Zurückhaltung jetzt ziemlich groß. Es wird noch ein Gespräch mit Fraktionschef Volker Kauder zu dem Thema geben. Ungeachtet dessen gehe ich davon aus, dass es auf dem Bundesparteitag im Dezember irgendeine Form der Diskussion geben wird. Vielleicht stoßen die auch die Gegner einer Eheöffnung an. Sicher werden die Befürworter nicht in die Offensive gehen.

Könnte es einen Antrag geben, der festschreibt, dass sich die CDU auch in Zukunft gegen die Öffnung der Ehe ausspricht?

Genau. Das war schon bei der steuerlichen Gleichstellung der Fall. Damals hatten wir eine Parteitagsdebatte, die vom Kreisverband Fulda angestrengt wurde, mit dem Ziel, diese Gleichstellung zu verhindern. Ähnlich könnte es diesmal auch laufen. Von der Seniorenunion gibt es Überlegungen, einen solchen Antrag zu stellen.

Wie schätzen Sie denn, würde ein solcher Antrag entschieden werden?

Das Berliner Votum gibt schon die Stimmung in der Partei wieder. Insofern würde ich davon ausgehen, dass es zu einem ähnlichen Ergebnis kommt.

55 Prozent der Unionswähler sind für die Öffnung der Ehe, so jedenfalls die Zahlen des jüngsten Politbarometers. Ist es nicht gefährlich, wenn die CDU eine Politik macht, die in der eigenen Wählerschaft keine Mehrheit hat?

Gefährlich? Gut, jeder geht erstmal von seiner eigenen Wahrnehmung aus. Jeder Abgeordnete kriegt Rückmeldungen dazu. Die Leute, die schreiben, sind doch eher gegen eine Eheöffnung. Die Mehrheit in den Umfragen unter unseren Wählern ist nicht eindeutig, also gibt es aus Sicht der Parteispitze keinen ganz zwingenden Handlungsbedarf. Natürlich sind es auch immer noch taktische Überlegungen, die die Gegner zu dem Ergebnis kommen lassen, dass es jetzt zu früh ist. Man könnte die nächsten Koalitionsverhandlungen abwarten. Wenn der Koalitionspartner, wie auch immer er dann heißen mag, auf der Eheöffnung besteht, kann das schon auf dem Wege eines Aushandelns ein Ergebnis sein.

Angela Merkel führt in der Frage ihr Bauchgefühl an. Nehmen Sie ihr das ab?

Das muss ich ihr abnehmen. Ich habe mit ihr persönlich nicht darüber gesprochen. Da es aus meiner Sicht keine rationale Begründung gibt, ist es halt letztlich der Bauch oder das Gefühl zu sagen, dass die Ehe nur zwischen Mann und Frau geschlossen werden kann.

Bedeutet die Ablehnung der Eheöffnung auch, dass die CDU sich beim Adoptionsrecht nicht bewegen wird?

Das Adoptionsrecht ist unbenommen von der Ehe. So könnten in der Einzelfallprüfung auch homosexuelle Eltern einbezogen werden. Das ist derzeit noch nicht möglich, aber man muss davon ausgehen, dass das Bundesverfassungsgericht diesen Schritt gehen wird. Da könnte man sagen: Da wird uns die Rechtsprechung eh diesen Weg vorgeben, dann können wir den vorher proaktiv gehen.

Glauben Sie, dass es besser wäre, die Ehefrage rechtlich durch das Verfassungsgericht lösen zu lassen anstatt politisch?

Es wäre vielleicht einfacher, wenn das Gericht der Politik die Entscheidung abnimmt. Aber besser ist es nicht. Wir wollen den zivilrechtlichen Rahmen der Ehe definieren, und es ist Aufgabe des Gesetzgebers, das zu machen.

Sie kommen aus Stuttgart. Die CDU hat bekanntermaßen Probleme in den Großstädten. Welche Rolle könnte das Thema bei der Verankerung in den Großstädten spielen?

Es wäre viel zu kurz gegriffen, die Probleme der CDU in den Großstädten allein hieran festzumachen. Aber das Thema steht symbolisch für die gesellschaftspolitische Offenheit der CDU. Wir haben in den Ballungsräumen viele Homosexuelle. Die leben offen, deren Umfeld weiß das. Die Familie lebt das mit, die Freunde leben das mit, die Kollegen leben das mit. Die Menschen berührt das in viel persönlicherer Weise als ein Verkehrsprojekt, sie verfolgen die Haltung der Politik in dieser Frage sehr viel intensiver. Insofern ist das ein Thema, wo in den Großstädten sehr genau hingeschaut wird, wie die CDU sich positioniert. Die gesellschaftspolitische Offenheit zeigt sich aber auch in der Haltung der  CDU zu anderen gesellschaftlichen Gruppen wie Migranten. Insgesamt sehe ich hier noch viel Handlungsbedarf.

Wie sollte sexuelle Vielfalt in der Schule unterrichtet werden?

Stefan Kaufmann (45) ist im Bundestag Obmann der CDU/CSU-Fraktion im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung. Der promovierte Rechtsanwalt ist Kreisvorsitzender der CDU Stuttgart.
Stefan Kaufmann (45) ist im Bundestag Obmann der CDU/CSU-Fraktion im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung. Der promovierte Rechtsanwalt ist Kreisvorsitzender der CDU Stuttgart.
© picture-alliance/dpa

Wie haben Sie die Auseinandersetzung um den Bildungsplan in Baden-Württemberg wahrgenommen, der Schüler zur Reflektion über sexuelle Identitäten anregen sollte?  Die CDU hat die Proteste dagegen unterstützt, auch ihr früherer Stellvertreter in Stuttgart war mit auf den Demos.

Das muss man differenziert sehen. „Die“ CDU als Ganzes hat die Proteste nicht unterstützt. Es gab vereinzelte CDU-Repräsentanten, die dabei waren, darunter mein früherer Stellvertreter. Er wurde inzwischen abgewählt. Auch einzelne Ortsverbände aus dem Land und einzelne evangelische Arbeitskreise waren dabei. Richtig ist, dass es vor allem innerhalb kirchlicher Kreise in der CDU Sorge gibt, ob der Bildungsplan, so wie er letztes Jahr vorgestellt wurde, das Thema Akzeptanz und sexuelle Vielfalt in geeigneter Weise behandelt. Da gab es schon Bedenken, dass das Thema sexuelle Vielfalt zu große Dominanz hat. Daraufhin hat die Landesregierung Teile wieder geändert, hat jetzt das Thema Akzeptanz auf eine breitere Basis gestellt.

Der dortige CDU-Spitzenkandidat Guido Wolf hat mehrmals betont, dass Sexualität ins Private gehöre, nicht in die Schule. Er greift das Thema des Bildungsplans also durchaus bewusst auf, auch dadurch, dass er von „Sex“ und „Sexualität“ spricht. Dabei geht es doch um etwas ganz anderes.

Guido Wolf ist meiner Ansicht nach weit davon entfernt, dieses Thema zum Wahlkampfschlager zu machen. Es gibt ja auch andere bildungspolitische Themen in Baden-Württemberg, die wesentlich wichtiger sind - die Stellung des Gymnasiums zum Beispiel, der Wegfall der Grundschulempfehlung oder die Inklusion. Hier meldet sich Guido Wolf richtigerweise deutlich zu Wort.

Wie sollte mit dem Thema sexuelle Vielfalt in der Schule umgegangen werden?

Als Teil der Sexualaufklärung sollte darüber gesprochen werden, dass es auch andere Formen der Sexualität als Heterosexualität gibt, Homosexualität zum Beispiel oder Bisexualität. Das sollte offen im Unterricht thematisiert werden. Die Frage ist, ab welcher Altersstufe man das macht und wie weit das gehen soll. Das entscheiden am besten die Pädagogen. Im Rahmen der Akzeptanzerziehung kann es durchaus sinnvoll sein, in einer Mathe-Textaufgabe auch mal ein gleichgeschlechtliches Paar vorkommen zu lassen statt ausschließlich heterosexuelle Paare. Das muss man aber nicht für jedes Fach durchdeklinieren.

Wurde in Ihrer Schulzeit im Unterricht über sexuelle Vielfalt gesprochen?

Nein, also zumindest habe ich keine Erinnerung daran. Bei uns zuhause wurde über solche Themen gesprochen. Es gibt aber viele Familien, bei denen das nicht der Fall ist, sei es wegen des kulturellen Hintergrunds oder aus anderen Gründen.

Wäre es in Ihrer eigenen Schulzeit in den 70er und 80er Jahren möglich gewesen, sich als schwul zu outen?

Das ist im Nachhinein natürlich schwer zu beantworten. Heute weiß ich zum Beispiel, dass mein früherer Geschichtslehrer schwul ist oder dass einige Mitschüler schwul oder lesbisch sind. Damals wussten wir das aber nicht voneinander. Ich selbst habe mich auch erst finden müssen. Es gab niemand anderen in meinem Umfeld, der sich zu dieser Zeit getraut hätte.

Wie nehmen Sie bei diesem Thema ihre eigene Partei war? Haben Sie selbst Diskriminierungserfahrungen gemacht?

Ich selbst kann gar nicht wirklich viel von Diskriminierungen berichten. Klar, mitunter haben innerparteiliche Gegner erfolglos versucht, mein Schwulsein gegen mich zu verwenden. Und manchmal ist hintenrum etwas geredet worden. Geschadet aber hat es mir nicht. Eher war es so, dass mein Partner in der Anfangszeit, vor 15 Jahren, manchmal ignoriert wurde, wenn wir zusammen aufgetreten sind. Das hat er schon als diskriminierend empfunden. Manche wussten auch nicht, wie sie mit ihm oder der Situation umgehen sollten. Nicht immer aber war das böse gemeint. Oft hatte das mit Unsicherheit zu tun.

Sie treten schon lange offen schwul auf. Schützt Sie das auch?

Klar, man konnte mir nicht dadurch schaden, dass man irgendetwas über mich verbreitet hat, den Vorwurf zum Beispiel, ein Doppelleben zu führen oder so etwas. Ich habe keine Angriffsfläche geboten. Wer ein Problem damit hatte, der hat mich eben nicht gewählt.

Gibt es auch Leute, die Ihnen vorwerfen, Sie würden mit dem Engagement für die Eheöffnung Politik in eigener Sache machen?

Viele finden gut, dass die CDU jemanden hat wie mich, der für das Thema steht, selbst wenn sie in der Sache anderer Auffassung sind. Wer einem nicht so gewogen ist, der äußert schon mal den Vorwurf, ich betreibe Lobbying in eigener Sache. Das kann ich aber leicht entkräften. Ich habe nicht vor, Kinder zu adoptieren, und ich habe geheiratet, nachdem die steuerliche Gleichstellung bereits eingeführt war. Eher kommt manchmal der Vorwurf: Gibt es denn keine anderen Themen?

Was antworten Sie da?

Ich sage dann: So funktionieren Medien, andere Themen sind eben nicht so Talkshow-geeignet. Das kann ich nicht immer steuern. Aber es ist auch ein Thema, wo ich etwas bewegen kann und bewegen will.

Warum sollten Homosexuelle trotz der Ablehnung der gleichgeschlechtlichen Ehe aus Ihrer Sicht noch CDU wählen?

Weil es eben auch andere Themen gibt neben der Gleichstellung. Es geht auch um Dinge wie Bildung, Wirtschaft, Europa, da gibt es gute Gründe, CDU zu wählen. Deshalb werbe ich dafür, dass sich die CDU beim Thema Gleichstellung öffnet. Den ein oder anderen hält ein Nein zur Eheöffnung noch ab davon, uns zu wählen. Ich glaube, bei den Wählern wird uns ein Ja eher nutzen.

Mehr LGBTI-Themen erscheinen auf dem Queerspiegel, dem queeren Blog des Tagesspiegels. Themenanregungen und Kritik gern im Kommentarbereich etwas weiter unten auf dieser Seite oder per E-Mail an: queer@tagesspiegel.de. Unter dem Hashtag #Queerspiegel können Sie twittern, zum Feed geht es hier.

Zur Startseite