ITB in Berlin: Kritik wegen neuer Partnerländer Malaysia und Oman
Malaysia und Oman werden Partnerländer der Tourismusbörse - wegen Menschrechtsverletzungen in diesen Ländern wird an der Auswahl Kritik laut.
Bunte Vögel, tropischer Urwald, exotisch gewandete Tänzer – „das echte Asien“. Wer die Homepage der Tourismusbehörde Malaysias ansteuert, den packt direkt das Fernweh. Besucht man jedoch die Website des Auswärtigen Amts, liest man dort von einem anderen Land: Terrorgefahr, Entführungen, Überfälle. Für homosexuelle Handlungen sind Stockschläge und bis zu 20 Jahre Gefängnis möglich. Reporter ohne Grenzen führt das Land in der Bewertung der Pressefreiheit auf Platz 145 von 180.
Urlaub in Malaysia? Zumindest für manche Provinzen im Osten des Landes rät das Auswärtige Amt „dringend“ ab. Der Internationalen Tourismus Börse Berlin (ITB), der weltweit größten Tourismusmesse, scheint das egal. Ihr Partnerland im kommenden Jahr: Malaysia.
Beck sieht darin Werbung für „Menschenrechtsverletzern“
„Der Vertrag mit diesem Partnerland muss aufgekündigt werden“, sagt der frühere grüne Bundestagsabgeordnete Volker Beck. Neben den eingeschränkten Rechten für Homosexuelle kritisiert er auch die wiederholten antisemitischen Äußerungen vom Premierminister Malaysias, Mahathir. Erst vor einigen Tagen bezeichnete der 93-jährige Mahathir Juden als „hakennasig“, 2010 sagte er auf einer Konferenz, der Holocaust habe „als Endlösung für das Juden-Problem versagt“.
„Menschenrechtsverletzer dürfen wir nicht promoten“, sagt Beck. Er will keinen kompletten Boykott Malaysias, Partnerland dürfe es aber nicht werden. „Das klingt sonst nach Augenhöhe und Freundschaft.“
ITB will „einzelne Länder nicht an den Pranger stellen“
Bei der ITB schließt man den Austausch des Partnerlandes kategorisch aus. „Wir können einzelne Länder nicht an den Pranger stellen“, sagt Rika Jean-François, die für die Messe die ITB-Partnerländer betreut. Man sei keine politische Diskussionsveranstaltung, sondern Plattform für alle Tourismusprodukte dieser Erde. Sie freue sich aber über die Diskussion, denn die ITB sei sich ihrer sozialen Verantwortung bewusst.
So werde es während der Messe eine Veranstaltung über die ökonomischen Anreize geben, die durch Menschenrechte gesetzt werden können. „Isolation und Boykott sind aber der falsche Weg“, sagt Jean-François. Bei einem Besuch in Kuala Lumpur vor einigen Tagen habe sie die Kritik an den Menschenrechtsstandards auch der Tourismusbehörde vorgetragen. Für Jean-François der richtige Weg: „Der Fokus der Öffentlichkeit ist die einzige Möglichkeit, etwas zu verändern“, sagt sie. Mit der Wahl der Partnerländer – 2020 wird es der Oman sein – wolle man „positive Ansätze“ vor Ort verstärken.
Reformen haben Situation teilweise verbessert
Tatsächlich deuten sich in Malaysia seit den Parlamentswahlen im Sommer Reformen an, wie Andreas Fulda beobachtet. Seit 1997 verfolgt er für Amnesty International die Entwicklung des Landes und hat es auch mehrfach besucht. Bei den Wahlen konnte erstmals seit der Unabhängigkeit 1957 nicht die in Korruptionsfälle verstrickte Barisan Nasional (Nationale Front) die Mehrheit erringen. Fuldas Eindruck: „Malaysia ist auf dem Weg sich zu verändern.“ Unlängst habe der Justizminister einen Entwurf zur Abschaffung der Todesstrafe eingebracht, politische Gefangene seien aus dem Gefängnis entlassen und rehabilitiert worden.
„Die Rechte von Homosexuellen sind aber weiterhin beschnitten“, sagt Fulda. Auch die Prügelstrafe, bei der Verurteilte mit einem Rattanstock malträtiert werden, müsse abgeschafft werden. Fulda schätzt, dass es Jahre dauern werde, die restriktiven Gesetze im Land aufzuheben. Die Partnerschaft mit der ITB könne dabei aber helfen. „Der zunehmende Fluss von Tourismus kann die Öffnung Malaysias vorantreiben.“
ITB habe keine festen Kriterien für die Wahl
Ganz neu ist die Diskussion indes nicht. Als die Malediven vor zwei Jahren Partnerland der ITB waren, hatte es ähnliche Diskussionen über die Menschenrechtssituation in dem Inselstaat gegeben. Hat man nicht dazugelernt? Feste Kriterien für die Wahl der Partnerländer habe man nicht, sagt eine Sprecherin der ITB. „Wir nehmen die Länder vorher nicht innenpolitisch unter die Lupe“, sagt auch Rika Jean-François. Sie versichert, dass aber nicht allein das Geld entscheidend sei, sondern dass es darum gehe, mit welchem Land am raschesten eine Einigung erzielt werde. Viele Länder erhoffen sich durch die Partnerschaft einen Imagewandel. 2021 wird Sachsen Partnerland sein.
Dass die ITB häufig Partnerländer hat, in denen die Menschenrechtssituation nicht den westlichen Vorstellungen entspricht, verwundert Jean-François nicht. „Das sind aufstrebende Nationen, die an ihrem Portfolio arbeiten“, sagt sie. Überhaupt: „Welches Land auf dieser Welt ist in Sachen Menschenrechte schon einwandfrei?“ Gut, Mecklenburg-Vorpommern, Gastland im vergangenen Jahr, vielleicht. Es gebe aber auch Grenzen, sagt Jean-François: „Nordkorea wäre absurd.“
Messe soll Gespräche mit queerer Community suchen
Kritik an Malaysia kommt indes auch von Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne), die im Aufsichtsrat der Messe sitzt. Einen Wechsel des Partnerlandes kann dieses Gremium zwar nicht durchsetzen. Aber Pops Sprecherin teilt mit, die Senatorin habe in der vergangenen Aufsichtsratssitzung ihre Bedenken geäußert und darauf hingewirkt, dass die Messe Gespräche mit Vertretern der queeren Community suche.
„Bei uns hat sich noch niemand gemeldet“, sagt Jörg Steinert, Vorsitzender des Lesben- und Schwulenverbandes Berlin-Brandenburg. Malaysia hält auch er für ungeeignet. Dem Gespräch mit der Messe wolle er nicht vorgreifen – aber: „Eine Feigenblattrolle wollen wir nicht spielen.“
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