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Auch die Deutsche Bahn wirbt derzeit mit einem Spot um Kunden aus der LGBTIQ-Community.
© promo

Firmen werben mit Regenbogenfarben: LBGTQI*-Community kritisiert Pinkwashing

Kurz vor dem CSD werben viele Unternehmen mit Regenbogenfarben, um divers zu wirken. Doch in der LBGTQI*-Community hält man das für reines Pinkwashing.

Candy Crash ist stinksauer. “Es reicht mir, […] mir steht’s bis hier oben”, sagt die Berliner Dragqueen in einem Instagram-Posting und meint damit das sogenannte “Pinkwashing”. Pinkwashing betreiben Firmen, die die Regenbogenfahne einsetzen, um Produkte gezielt zur Pride-Saison zu verkaufen, die LGBTQI* Community allerdings nicht unterstützen. Besonders beliebt ist das Pinkwashing bei schnelllebigen Konzernen, wie Mode- und Kosmetikfirmen.

Candy Crash hat lange gebraucht, um ihre Reichweite aufzubauen und damit Gutes zu tun, erzählt sie weiter im Video. "Wenn ich das ganze Jahr über von verschiedenen Marken nie eine Anfrage bekomme, nie gesehen wurde, abgelehnt wurde, nicht in Betracht gezogen wurde, weil ich schwul bin", melden sich Firmen nun zur Pride bei ihr, “lieben” ihren Content, wollen eine Zusammenarbeit – aber nichts zahlen.

Zum CSD im Juli wehen überall die Regenbogenfahnen

Die Begründung: Die Firmen würden etwas für die Community tun, da Sichtbarkeit geschaffen würde. “Das ist kein ‘für die Community’, das ist reines Pinkwashing”, findet Candy. Aus ihrer Sicht profitieren allein die Firmen von den Aktionen, während glaubwürdige Gesichter aus der queeren Community nur benutzt werden.

Zum CSD im Juli wehen für gewöhnlich überall in Berlin die Regenbogenfahnen: An öffentlichen Plätzen, an Kulturstätten, von privaten Balkonen aus. Auch die Deutsche Bank, die Deutsche Bahn, MyMuesli, Douglas und Flaconi nutzen den Regenbogen – zu Werbezwecken. Die Firmen möchten Weltoffenheit, Diversität und Akzeptanz gegenüber der LGBTQI* Community und den Kunden demonstrieren – ein Image, aus dem sich Profit schlagen lässt.

Werben ja - spenden nein

Douglas und Flaconi zum Beispiel zeigten sich im Juni mit der Regenbogenflagge im Logo auf ihrer deutschen Homepage. Douglas warb mit einer Kampagne, in der queere Mitarbeiter erzählen, was ihnen Pride bedeutet. Im selbigen Statement gibt Douglas an, 3,5 Milliarden Euro im Jahr zu erwirtschaften.

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Aber spenden die Firmen auch Geld an LGBTQI* Organisationen oder aktivistische Gruppen? Oder arbeiten sie mit queeren Vereinen zusammen? Nein, lautet zunächst die Antwort von Douglas auf eine erste Anfrage des Tagesspiegels: Man „evaluiere“ noch entsprechende Möglichkeiten. Ein wenig später folgt dann ein Update: Erstmals werde man in diesem Jahr mit dem Berliner CSD-Verein zusammenarbeiten – Douglas sponsore den virtuellen CSD 2020, der am 25. Juli stattfindet. Flaconi spendet nicht, mit Gruppen arbeite man (noch) nicht zusammen, heißt es auf Anfrage.

In Frankfurt ist der Frankfurter Christopher Street Day bereits gefeiert worden.
In Frankfurt ist der Frankfurter Christopher Street Day bereits gefeiert worden.
© dpa

Geworben wird außerdem auf Märkten, die sicher für die Marken sind und wo kein Imageschaden droht – wie das etwa in Polen der Fall wäre, wo LGBT-freie Zonen eingeführt wurden. Dabei wäre dort die Sichtbarkeit für queere Menschen noch einmal deutlich wichtiger als in Deutschland.

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Von Douglas heißt es, die polnische Werbeabteilung habe abgelehnt, die „My Beauty, my Pride“-Kampagne laufen zu lassen. In Ungarn werde sie wahrscheinlich aber noch im August laufen. Auch Flaconi verwendet das Pride-Month-Logo in Polen auf der Homepage nicht. Das habe aber nichts mit „fehlender Ernsthaftigkeit“ zu tun, erklärt das Berliner Unternehmen. Vielmehr sei die “Kommunikationsinfrastruktur” in Polen “noch nicht ausreichend”, um die bunten Farben im Logo zu zeigen. Facebook, Instagram und E-Mail-Adresse sind jedoch vorhanden.

Die Deutsche Bahn bedient Stereotypen

Auch die Deutsche Bahn wirbt mit einem Clip auf Youtube: “Pride ist jeden Tag”. Aus der Community gab es prompt Kritik – immerhin werden in dem Video Stereotype von Schwulen, Lesben und Queers bedient: Fetisch-Kerle, eine Bauarbeiter-Lesbe, Frauen mit Kurzhaarschnitten und ein Kontrolleur im Rock mit High Heels. “Damit die heteronormativ geprägte Zuschauerschaft wieder was zum Lachen hat und ‘mit uns fühlen kann’? Danke für nichts, Deutsche Bahn”, schreibt zum Beispiel die “Queer Media Society”, die sich für mehr Sichtbarkeit von queeren Themen in den Medien einsetzt.

Eine Sprecherin der Bahn sagte gegenüber dem Tagesspiegel: “Es stimmt, dass der Spot mit überspitzten Darstellungen spielt. Dass dies bei einigen Menschen den Eindruck erweckt hat, wir wollten lediglich Klischees abbilden, bedauern wir. Gleichzeitig sind wir dankbar, dass sich die Mitglieder der LGBTIQ*-Community, die sich durch unseren Clip verletzt oder falsch repräsentiert fühlen, gemeldet haben.” Man begrüße einen konstruktiven Austausch zu LGBTIQ*-Themen. Dazu werden den Mitarbeitern der Bahn unter anderem Seminare angeboten.

Ein britischer Kosmetikonzern macht vor, wie es geht

Was kann aber eine Firma tun, um sich ernsthaft mit der Thematik auseinanderzusetzen? Der britische Kosmetikhersteller Lush etwa unterstützt ganzjährig aktivistische Maßnahmen. Tobias Kruse ist PR-Manager für Europa und gehört ebenfalls zur LGBTQI*-Community. Er findet es prinzipiell heikel, ein Produkt an politisches oder gesellschaftliches Engagement zu knüpfen. Kruse arbeitet deshalb mit etablierten Organisationen zusammen, um die Bedürfnisse der Community zu verstehen und herauszufinden, wie man sinnvoll und langfristig etwas bewirken kann.

So hat seine Firma 2015 die #GayIsOK-Kampagne der Initiative „AllOut“ unterstützt. Kundinnen und Kunden wurden dabei über die Nöte der Community informiert, speziell über die Tatsache, dass Homosexualität damals in 76 Ländern unter Strafe stand, sagt Kruse. Solche Marketingmaßnahmen dürften also auch nicht nur – wie eigentlich in der Werbung üblich - Wohlfühlthemen ansprechen, um Wirkung zu erzeugen. “10 Millionen Mal wurde das Hashtag in meist heteronormativen Umfelden geteilt.” Außerdem wurden 275.000 Pfund Spenden für Gruppen in Ländern mit Anti-Gay-Legislative gesammelt.

Tobias Kruse, PR-Manager bei Lush. Er findet es prinzipiell heikel, ein bestimmtes Produkt an gesellschaftliches Engagement zu knüpfen.
Tobias Kruse, PR-Manager bei Lush. Er findet es prinzipiell heikel, ein bestimmtes Produkt an gesellschaftliches Engagement zu knüpfen.
© privat

Tobias Kruse ist das Verständnis für die Community besonders wichtig. “Ich persönlich denke, dass viele Aktionen gut gemeint sind, aber oft verwischt die Grenze zwischen dem Wunsch nach eigener Medienwirksamkeit und der Unterstützung von Minderheiten.”

Stattdessen werde das Thema saisonal zur Pride in einer herkömmlichen Kampagne abgefertigt. “Persönlich wünsche ich mir da mehr Differenzierung. Natürlich bedeutet Pride auch Party, aber eben auch Protest und ein Blick auf die Gesellschaft: Man muss sich fragen, welche Aufklärung und Unterstützung wird wo gebraucht, um Akzeptanz zu fördern.”

Eine Kosmetikfirma, die sich gegen Aids engagiert

Apropos Unterstützung: Welche Firmen meinen es denn ernst mit der Regenbogenflagge im Logo? Candy Crash erklärt gegenüber dem Tagesspiegel: “Mit Hellobody, MAC und Neonail arbeite ich das ganze Jahr über zusammen, da ist immer Pride”.

Die Kosmetikfirma MAC engagiert sich zum Beispiel seit den 90er-Jahren gegen Aids, zeigt in Kampagnen immer wieder Dragqueens und trans Personen – auch, wenn nicht gerade Paraden-Sommer ist.

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