Queere Netzwerke in Firmen: Mehr als ein sicherer Hafen
Von queeren Netzwerken lernen: In vielen Unternehmen schließen sich Lesben, Schwule und Transmenschen zusammen. Ein Gastbeitrag vom Gründer von Prout At Work.
Im Diversity Management gelten Mitarbeiternetzwerke seit vielen Jahren als ein großer Erfolgsfaktor. Bekannt sind Frauennetzwerke, die Frauen helfen sollen beruflich erfolgreich zu sein. Es schließen sich aber auch andere Gruppen in Unternehmen zusammen: Es gibt Netzwerke für Menschen bestimmter Herkunft, Generationennetzwerke oder queere Netzwerke; letztere mit zunehmender Sichtbarkeit.
Lesben und Schwulen wird vorgeworfen, sie engagierten sich nur um besser gestellt zu werden. Wer das sagt, hat nicht verstanden, dass es in der heteronormativen Welt immer noch für viele Menschen anderer sexueller Orientierung schwer ist damit offen am Arbeitsplatz umzugehen. Ursprünglich bieten diese Netzwerke dafür eine Heimat. Es geht um Austausch, um Hilfestellung und um soziale Kontakte mit Gleichgesinnten.
Vor diesem Hintergrund ist es nur auf den ersten Blick verwunderlich, dass Mitarbeiternetzwerke für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans- und intergeschlechtliche sowie queere Menschen (LGBTIQ) heute als Vorbilder gelten für Netzwerke im Rahmen von Diversity Management. Um im Unternehmen Gehör zu finden, sind nach Erfahrung vieler Diversity Managerinnen LGBTIQ-Netzwerke besser organisiert und gehen mehr in Vorleistung als andere Netzwerke.
Unter dem Dach von PROUT AT WORK versammeln sich 50 Mitarbeiternetzwerke
Bei der Gründung von PROUT AT WORK vor 10 Jahren gab es eine Hand voll Netzwerke von Schwulen und Lesben, nicht alle durch ihren Arbeitgeber anerkannt. Mittlerweile vernetzen sich unter dem Dach von PROUT AT WORK nahezu 50 Mitarbeiternetzwerke aus nahezu allen Branchen, so auch von Siemens, sodexo und thyssenkrupp. Im Mittelstand sind bis jetzt queere Netzwerke nur vereinzelt zu finden, es sind vornehmlich große Konzerne oder Töchter amerikanischer Unternehmen wie TechData und Pfizer. Bei der öffentlichen Hand sind es die Netzwerke der Stadt Dortmund und des Auswärtigen Amts, die sichtbar sind.
Auch wenn sich die gesetzlichen wie gesellschaftlichen Rahmenbedingungen in den letzten Jahren geändert haben, so bieten diese Netzwerke immer noch einen „sicheren Hafen“ für Menschen, die für sich nicht die Möglichkeit sehen, offen mit ihrer sexuellen Orientierung umzugehen. Daneben haben sich aber die Netzwerke vielfältig weiterentwickelt und bieten ihren Unternehmen einen deutlichen Beitrag zum Unternehmenserfolg. Dies lässt sich durch die Evolutionsstufen von Netzwerken beschreiben.
Die erste Stufe ist der „sichere Hafen“. Diese Stufe ist für die Mitglieder entscheidend, weil hier die notwendigen persönlichen Kontakte hergestellt werden, es ist aber auch die Stufe, wenn der Arbeitgeber das Thema noch nicht unterstützt. In der nächsten Stufe entwickelt sich im Netzwerk selber ein berufsbezogener Austausch und die gegenseitige Unterstützung bei der Karriereentwicklung. Ebenso beginnen die Mitglieder sich in externen Organisationen als Angestellte ihrer Firma zu engagieren und zeigen so die Unterstützung zu dem Thema durch ihren Arbeitgeber. Da es in Firmen derzeit noch kein offizielles Mentoring für LGBTIQ Mitarbeitende gibt, hat zum Beispiel das Netzwerk von IBM ein sehr strukturiertes Mentoring von Mitgliedern für Mitglieder entwickelt.
Die Netzwerke identifizieren neue Talente, Märkte, Zielgruppen
In der weiteren Entwicklung engagiert sich die sogenannte Employee Resource Group bereits als Problemlöser im Unternehmen: Sie identifiziert Punkte, Prozesse und Regelungen, bei denen die Chancengleichheit von LGBTIQ Menschen am Arbeitsplatz nicht gewährleistet ist. Bei der Einführung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) waren dies zum Beispiel die Überprüfung der Betriebsvereinbarungen, heute ist es unter anderem die Unterstützung bei der Definition von Regelungen zu Auslandsentsendungen. Zudem geht es hier auch darum Unterstützung für Mitglieder zu bieten, die aufgrund von Mobbing oder rechtlichen Rahmenbedingungen in ihrem Arbeitsland unter Gefahr stehen.
In der aus heutiger Sicht letzten Stufe, der Business Resource Group, engagieren sich die Mitglieder zu Karrieremessen wie der Sticks&Stones und helfen so, dass der Arbeitgeber authentisch Talente aus der LGBTIQ Community bewerben kann. Neben der Sicht auf die Talente unterstützen die Netzwerke auch die Erreichung der Unternehmensziele, konkret durch Initiativen neue Kunden und Märkte zu identifizieren und zu bewerben. So haben die Netzwerke der Deutschen Bank und der Commerzbank sehr erfolgreiche Marketingaktionen initiiert.
Mitarbeiternetzwerke entwickeln sich nicht von einer Stufe zur nächsten, sondern erweitern ihr Portfolio um neue Stufen. Jede Stufe, auch die des sicheren Hafens, wird es immer brauchen. Wir beobachten, dass Netzwerke, die nicht alle Stufen in ihren Initiativen berücksichtigen, schnell an einen Punkt kommen, bei dem sich Mitglieder nicht von den Leitern des Netzwerks oder vom Arbeitgeber abgeholt fühlen. Ein Engagement als Employee Resource aber auch als Business Resource Group ist wichtig für die eigene Legitimation und die Unterstützung durch den Arbeitgeber. Genauso wichtig ist die Entwicklung der Mitglieder im Netzwerk zu verfolgen und zu fördern.
Der Autor ist Chance & Diversity Experte. Er ist zudem Vorsitzender des Vorstands und Mitbegründer der PROUT AT WORK-Foundation.
Der Text erscheint in der Printausgabe in der Beilage "Diversity" zur Diversity-Konferenz 2016.
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Albert Kehrer