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Besucher laufen zwischen den Ständen in der Ausstellungshalle der Türkei auf der Internationalen Tourismus-Börse (ITB).
© Carsten Koall/dpa

Tourismus-Börse in Berlin: Ein Streifzug über die ITB

Der Senat will die Touristenströme künftig in die Außenbezirke von Berlin lotsen. Auf der ITB ist davon noch nicht viel zu sehen.

Die ITB ist die strengste der großen Berliner Messen. Drei der knappen fünf Tage sind für Fachbesucher reserviert – aber das fühlt sich nicht so an. Zwar dominieren Business-Outfits und Rollkoffer das Bild in den Hallen, aber überall herrscht Gedränge auf Grüne-Woche-Niveau. Die fürs Winterwetter viel zu knappen Garderoben (Mantel plus Tasche 6,50 Euro) quellen nicht nur im Pressezentrum über, vor den Geldautomaten wie vor den Imbissständen bilden sich lange Staus; riesigen Auftrieb gibt es auch beim „Career Center“, wo Tourismus-Profis Vorträge über Berufschancen halten – da sieht es aus wie in einer Erstsemester-Vorlesung an der FU. Und auch sonst sind alle Systeme hochgefahren.

Schwer vorstellbar allerdings ist, dass sich Reiseprofis von drei Grazien in schwarzen Kleidern beeindrucken lassen, die lautstark Vivaldis „Jahreszeiten“ in Grund und Boden fiedeln - aber genau das geschieht am Stand von Qatar Airways, der den unzerstörbaren Optimismus der Flugbranche protzig verkörpert, nicht ohne deutsche Besucher mit dem Hinweis darauf zu erfreuen, dass hier die ersten Airbusse des Typs A350-1000 zum Einsatz gelangen werden.

Doch der wohlerzogene Tourist hat natürlich längst gelernt, dass er sich per Fahrrad im Nahbereich am nachhaltigsten erholt, und das führt direkt zum Partnerland der ITB 2018, Mecklenburg-Vorpommern. Malediven und Mongolei sind Geschichte, jetzt kommt Ribnitz-Damgarten! Das Land hat in zehn Jahren seine Urlauberzahl verdoppelt und die Arbeitslosigkeit damit halbiert, also bitte! Was aber immer der Hintergrund dieser Partner-Entscheidung sein mag: Der Auftritt des nahen Bundeslandes löst das Versprechen nicht ein. Rein flächenmäßig liegt er irgendwo zwischen Luxemburg und Qatar Airways, nur ohne elektrische Geigen, und eine riesige Fotomontage, die einen real nicht existierenden See mit Wald und Kreideküste zeigt, fasst das Wesentliche zusammen.

Ein Schwall Twenties-Nostalgie

Die Aussteller zeigen das Übliche, eine grüne Landschaft mit viel Strand, das Hotel-Establishment von Fleesensee über Neptun bis Heiligendamm präsentiert seine Pools. Alles ist schön fotografiert und gut ausgeleuchtet, nichts vom notorischen Seeräuber-Humtata und Räucherfischaroma der Grünen Woche, für Profis eben. Aber was war da jetzt gleich mit Partnerland? Bayern hat wieder eine ganze Halle gemietet, das hat schon eher den Anstrich einer Partnerschaft, und auch die anderen Bundesländer werben mit Schmackes. Niedersachsen zum Beispiel: Schon die Autostadt Wolfsburg nimmt richtig Platz ein, und am ersten Vormittag steht da schon der Drei-Sterne-Koch Sven Elverfeld aus dem Autostadt-Hotel Ritz–Carlton und sucht in der noch leeren Schauküche herum, um Forelle auf seine Art zuzubereiten.

Zugegeben: So einen hat Meckpomm nicht, und auch den barrierefreien Strandkorb hütet Niedersachsen mit Stolz – den gibt es angeblich nur dort. Aber was ist mit Berlin? Ist eigentlich wie immer. Gerade windet sich der Presserundgang mit dem aufgeräumt plaudernden Regierenden und Tourismus-Chef Burkhard Kieker einmal um den Stand der Stadt herum, der in der Hallenmitte zwischen Brandenburg und Deutschland (insgesamt) angesiedelt ist wie schon seit Jahren.

Als Blickfang dient nicht mehr die Telefonzellen-Disko, sondern ein antiker, hübsch geputzter Chevrolet, der auf kommendes Mediengewitter vorwegnehmen soll: „Berlin Babylon“, demnächst auch im Gebührenfernsehen, soll die Türen öffnen für einen Schwall Twenties-Nostalgie, für den Tanz auf dem Vulkan und solche Sachen, die in den Jahrzehnten der Club-Besoffenheit irgendwie untergegangen sind. Parole: „Wat man nich im Kopp hat, hat man in de Beene“.

Von der Umleitung der Touristenströme in die Außenbezirke ist nichts zu sehen

Aber gab es da nicht noch ein anderes Thema? Die gewünschte Umleitung der Touristenströme in den Außenbezirke, die zuletzt eher sinkende Aufmerksamkeit verbuchten? Offenbar ist der einschlägige Senatsbeschluss zu spät gekommen für die ITB, denn dort ist davon praktisch nichts zu sehen ist. Die unermüdlichen Tourismusförderer aus Treptow-Köpenick standen da früher schon, „Grün Berlin“ sowieso, und auch der Rest der Aussteller verkörpert das Weiter-so-Berlin in fast schon beruhigender Art und Weise.

Aber letzten Endes bewegen wir uns hier spekulativ an der Oberfläche, wie sie sich am Sonnabend und Sonntag auch den nicht fachlich ausgewiesenen Besuchern zeigen wird. Fakten geschaffen werden hinter den Kulissen, wo keine bunten Fotos hängen. Einen kleinen Eindruck der Geschäftigkeit im Hintergrund mag man in Halle 9 gewinnen, dort, wo zur Grünen Woche die bunten Blumen blühen. Auf der ITB ist dies das Reich der „Companies“, der internationalen Hotelkonzerne, und der Mega-Autovermieter, die sie begleiten wie der Putzerfisch den Wal. Riesiges Gewimmel überall, Kaffeefluten kämpfen gegen den allfälligen Jetlag der internationalen Gäste an, so muss es wohl auf einer richtig bedeutenden Fachmesse aussehen.

Keine Messe öffnet sich den Besuchern so wie die ITB

In den Hallen der unteren Ebenen wird es dann noch etwas spezieller. Hier haben sich die Dienstleister der Großhotellerie angesiedelt, die Softwareentwickler und Programmverkäufer, die mit Begriffen wie „Yield Management“ und „Revenue“ jonglieren, die alles über Kundenbindungsprogramme wissen und den abendlichen Finanzstatus eines Hotels schon durchleuchtet haben, bevor am nächsten Morgen die Brötchen fürs Frühstücksbuffet eintreffen – trockener Stoff für Profis.

Aber generell ist die große Zuneigung auch der Berliner Amateure für die Publikumstage der ITB schon zu verstehen. Denn keine Messe öffnet sich so den Besuchern, es gibt – ein Ergebnis der zeitlichen Zweiteilung – kaum abgesperrte Fachbesucherbereiche, die dem Allerweltsgast seine Unwichtigkeit zeigen, und überall ist einigermaßen sachkundiges Personal verfügbar.

Dessen Zuständigkeit allerdings kennt Grenzen. Am Hamburger Stand beispielsweise, der die Elbphilharmonie mit dem gebotenen Stolz herausstellt, liegt ja eine Frage mehr als nahe: Wie man denn mal an eine Konzertkarte herankomme? Da lächelt die Befragte sanft und lässt alle Hoffnung zerplatzen, ja, sagt sie, das sei wirklich sehr schwer... Aber wer ein Hotel sucht, das womöglich irgendwann mal eine Karte im Arrangement verkauft, der kann sich hier sicher Kontakte verschaffen.

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