Manfred Bruns und das Lebenspartnerschaftsgesetz: "Klage für Öffnung der Ehe macht derzeit keinen Sinn"
Manfred Bruns gehörte 2001 zu den Vätern des Lebenspartnerschaftsgesetzes - nach 15 Jahren zieht er Bilanz. Den Kampf um die Ehe für alle gibt er nicht auf.
Wie kaum ein Zweiter hat Manfred Bruns, 81, für die Rechte von Lesben und Schwulen in Deutschland gekämpft - obwohl er sich erst spät im Leben outete. 2001 schrieb er am Lebenspartnerschaftsgesetz mit, zum Ärger von Ex-Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin, die ihm jahrelang nicht mehr die Hand gab. Am 11. Februar zieht der frühere Bundesanwalt eine Bilanz zu 15 Jahren Lebenspartnerschaftsgesetz, bei einer Veranstaltung der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld und des Tagesspiegels. Im Interview blickt er zurück und nach vorne: Wie es sich anfühlte, jahrzehntelang die eigenen Gefühle zu unterdrücken und warum die Ehe für alle doch noch kommen wird.
Herr Bruns, das Lebenspartnerschaftsgesetz wird 15 Jahre alt. Wie kaum ein anderer haben Sie für seine Einführung gekämpft. Heute aber sind viele Staaten weiter als Deutschland, dort gibt es die gleichgeschlechtliche Ehe. Wie sehr schmerzt Sie das?
Wir haben durchgesetzt, dass Lebenspartner praktisch dieselben Rechte und Pflichten haben wie Eheleute. Ehe und Lebenspartnerschaft unterscheiden sich ja praktisch überhaupt nicht mehr, nur noch in formellen Dingen. Das ist schon mal das Wesentliche. Dass die Eheöffnung verweigert wird, ist natürlich nicht so schön. Damit will man ja zum Ausdruck bringen, dass trotz der Gleichstellung Lebenspartner eben nicht so gut sind wie Eheleute. Man will einen letzten Rest von Diskriminierung festschreiben. Das ist atmosphärisch nicht schön, aber in der Praxis hat das keine großen Auswirkungen.
Wie wichtig wäre Ihnen die Bezeichnung „Ehe“?
Der gleiche Name ist schon wichtig. Ich bin aber nicht so traurig über diese Verzögerung, weil ich denke, über kurz oder lang wird das trotzdem kommen. Spätestens nach der nächsten Bundestagswahl wird die Union wieder einen neuen Koalitionspartner brauchen. Ich hoffe, dass der dann drauf besteht, dass man das Thema endlich mal abräumt.
Warum tut sich die Union aus Ihrer Sicht so schwer mit der Gleichstellung?
In der Union gibt es einen Block von sehr konservativen Leuten. Die wollen, dass immer noch ein Unterschied bestehen bleibt. Außerdem hat die Union wohl auch Angst, dass diese Konservativen möglicherweise zur AfD abwandern. Oder mal anders gesagt: Die Union hat so viele Schwierigkeiten im Moment, dass sie wahrscheinlich keine Lust hat, noch ein zusätzliches Schlachtfeld zu eröffnen.
Was hat sich durch die Einführung der Lebenspartnerschaft verändert in Deutschland?
Ich habe mich 1985 geoutet. Das stand danach in jeder Zeitung. Wenn ich das heute öffentlich tun würde, auch als Bundesanwalt, dann würde sich keiner darum kümmern. Wir haben ja heute Minister oder Ministerpräsidenten, die schwul oder lesbisch sind, und das ist kein Thema mehr. Auch solche Dinge wollten wir mit der Lebenspartnerschaft erreichen. In den 90er Jahren war es noch so, dass viele Leute gesagt haben, sie würden überhaupt keine Lesben und Schwulen kennen. Durch die Lebenspartnerschaft sind sie nun sichtbarer geworden. Heute hat doch fast jeder in seinem Umfeld Kollegen, die verpartnert sind. Wobei - es wird kein Unterschied gemacht. Man sagt: Die sind verheiratet. Die Betroffenen sprechen von ihrem Mann und ihrer Frau. Das hat sich alles wesentlich geändert.
Wenn Sie an die Debatten des Jahres 2001 zurückdenken: Es gab selbst SPD-Politiker, die sich gegen das Gesetz sträubten. Wie haben Sie das damals wahrgenommen?
Das war ganz schrecklich. SPD und Grüne hatten vor der Bundestagwahl 1998 gesagt, dass sie gleiche Rechte für Lesben und Schwule wollten. Das war aber recht unbestimmt. Als Rot-Grün drankam, hatte die SPD dann erhebliche Probleme. Es war insbesondere die Justizministerin Herta Däubler-Gmelin, die nur eine Mini-Partnerschaft verabschieden wollte. Die Auseinandersetzungen dauerten zwei Jahre lang. Das hat schließlich dazu geführt, dass dem Justizministerium die Arbeit an dem Gesetzentwurf abgenommen wurde. Es wurde eine Koalitionsarbeitsgruppe eingesetzt, die hat dann das Gesetz erarbeitet. Damals hieß es, die Ministerin habe der evangelischen Kirche zugesagt, dass es nur eine „kleine Partnerschaft“ geben würde. Jedenfalls hat sie so agiert. Der Krach ging so weit, dass die Justizministerin es abgelehnt hat, mir die Hand zu geben, wenn wir uns getroffen haben.
Haben Sie darüber später noch einmal mit ihr gesprochen?
Ja. Später lobte sie mich bei Veranstaltungen, bei denen wir uns trafen, über den grünen Klee: als Vater des Lebenspartnerschaftsgesetzes. Was ich alles erreicht hätte!
"Die bekommen ja heute alle Kinder, die Lesben"
Sie selbst sagten einmal, ihr Lebenslauf sei „schwierig“ gewesen. Was meinen Sie damit?
Wenn man selbst merkt, dass man etwas unterdrückt, dann sind auch die Menschen um einen herum davon betroffen. Ich hatte mit meiner Frau großes Glück und bin mit ihr und meinen drei Kindern noch immer sehr verbunden. Ich konnte aber schließlich ihr und ihnen nicht länger etwas vormachen. Ich habe dann auch begonnen, mich zu engagieren, weil ich nicht wollte, dass sich solche Schicksale stets wiederholen. Eltern sollten nicht glauben, dass ihr Kind, wenn es homosexuell ist, einen Lebensweg vor sich hat, der damals als asozial und kriminell galt. Ich habe mir immer dies gewünscht: Wenn ein Student zu den Eltern kommt und sagt, ich habe mich in einen Kommilitonen verliebt, dass die Eltern dann sagen: Bring ihn doch mal mit! Ohne dieses Theater. Zum Teil ist das ja heute auch so. Aber nicht immer. Oft ist es noch immer schwierig mit dem Coming Out. Aber wenn es dann die Tochter ist, dann brauchen die Eltern ja nicht einmal mehr auf Enkelkinder zu verzichten. Die bekommen ja heute alle Kinder, die Lesben. Das ist schon ein wahnsinniger Unterschied zu damals.
Wie war das damals, vor Ihrem Coming Out in den 80er Jahren?
Ich habe eine gute Ehe geführt, ich habe ja auch 20 Jahre sehr strikt mich nur auf die Ehe konzentriert, weil ich immer Angst hatte um meine bürgerliche Existenz, darum meine Kinder, meine Frau zu verlieren. Vor allem in den 70er Jahren wurde es immer schlimmer. Wenn man wesentliche Anteile an seiner Person unterdrückt, dann meldet sich das irgendwann dann doch so stark, dass man es nicht mehr negieren kann. Mein Chef als Bundesanwalt war der damalige Generalbundesanwalt Kurt Rebmann, der war sehr konservativ und konnte damit überhaupt nicht umgehen. Wir hatten erhebliche Auseinandersetzungen und sind uns dann möglichst aus dem Weg gegangen.
Was gab Ihnen am Ende den Mut, sich zu outen?
Ich habe einfach gedacht, das kann so nicht weitergehen. Nachdem ich mich auf das Coming Out eingelassen hatte, hatte ich das Gefühl: Das ist jetzt endlich richtig. Meine Frau und ich sind uns immer noch sehr zugetan. Wenn das mit dem Schwulsein nicht gewesen wäre, dann wäre ich heute noch mit meiner Frau zusammen. Sie akzeptiert auch meinen Mann, wir treffen uns laufend und machen Familienfeiern gemeinsam. Das ist alles sehr schön, aber eigentlich hatten meine Frau und ich uns unser Leben anders gedacht. Das ist dann nicht so schön.
Ließe sich die Ehe für alle denn über Gerichte erstreiten?
Wenn in der nächsten Legislaturperiode nichts kommt, dann müssen wir über eine Klage nachdenken. Jetzt aber macht sie keinen großen Sinn. Das Bundesverfassungsgericht ist ja von den Konservativen sehr beschimpft worden, dass es die Gleichstellung befördert hat mit seinen Urteilen. Ich könnte mir deshalb vorstellen, dass die Richter eine Klage erstmal liegenlassen. Das würde den Gegnern zu Gute kommen. Dann haben sie die Möglichkeit zu sagen: Die Sache ist beim Gericht anhängig, wir wollen nicht in ein laufendes Verfahren eingreifen. Ein schneller Erfolg ist deshalb über das Verfassungsgericht nicht zu erreichen.
Viele jüngere Lesben und Schwule nehmen die Gleichstellung heute als selbstverständlich wahr, wissen wenig von dem Kampf, der geführt wurde. Wie sehr ärgert Sie das?
Ich staune dann darüber. Viele halten es für selbstverständlich, dass sie nicht diskriminiert werden. Und die meisten werden ja auch tatsächlich nicht mehr diskriminiert. Für sie sind die Auseinandersetzungen von damals Geschichte, sie wissen auch wenig davon. Daran merkt man, wie alt man ist! (lacht) Einerseits ist es schön, dass es so normal geworden ist, andererseits haben wir dann auch Probleme, die Leute zu mobilisieren, weil sie sich nicht mehr diskriminiert fühlen.
- Das Gespräch mit Manfred Bruns führte Fabian Leber.
Weitere Podiumsgäste der Diskussion zu 15 Jahren Lebenspartnerschaftsgesetz am 11. Februar sind: Christian Lange (SPD, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesjustizministerium), Volker Beck (Innenpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag), Barbara Höll (Bundessprecherin der BAG DIE LINKE.queer), Alexander Vogt (Bundesvorsitzender der Lesben und Schwulen in der Union), Rita Süssmuth (Bundestagspräsidentin a.D.), Sabine Hark (Leiterin des Zentrum für Interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung an der TU Berlin) und Jan Feddersen (taz). Es moderiert Fabian Leber vom Tagesspiegel. Anmeldungen hier: https://www.facebook.com/events/945572822170296/
Dieses Interview erscheint auf dem Queerspiegel, dem queeren Blog des Tagesspiegels. Themenanregungen und Kritik gern im Kommentarbereich etwas weiter unten auf dieser Seite oder per Email an: queer@tagesspiegel.de.
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