"RuPauls Drag Race" in Berlin: Kampf der Queens
In den USA ist RuPauls Drag-Casting erfolgreich wie Heidi Klum. Nun kommt die Show nach Deutschland. Berliner Travestiekünstler sehen das kritisch.
Die Jury sitzt bereit, treibende Musik erschallt, über den Laufsteg stolzieren große Frauen in unmöglichen High Heels. Nachdem alle den Catwalk abgeschritten haben, wird beurteilt. Das letzte Wort hat wie immer das blonde Supermodel in der Mitte.
Nein, das ist nicht Heidi Klum, sondern die Drag Queen RuPaul. Und hier werden nicht „Mädchen“ auf Model-Tauglichkeit geprüft. Es sind Männer, die sich als Frauen verkleiden. „RuPaul’s Drag Race“ ist ein Reality-TV Format aus den USA, das derzeit bereits in der achten Staffel ausgestrahlt wird. Am Sonntag sind einige der Drag Stars dieser Show im Admiralspalast in Berlin live zu erleben. Doch was kann man erwarten von einer Bühnenshow, die auf einem TV-Format basiert?
Die Antwort ist: Sehr viel!
In „RuPauls Drag Race“ kämpfen seit 2009 in jeder Staffel Drag Queens um den Titel „America’s next drag superstar“. Ein Titel, der nicht nur Ruhm und Ehre, sondern auch ein ordentliches Preisgeld bringt.
Wer ist Amerikas nächster Drag Superstar?
Und ähnlich wie bei „Germany’s Next Topmodel“ muss auch hier in jeder Episode eine Aufgabe bestanden werden. So geht es etwa im „Snatch Game“darum, einen Star zu imitieren. Sowohl das Äußere als auch das Verhalten müssen der prominenten Person angepasst werden. Egal ob Cher, Madonna, Adele oder Maggie Smith – mit passender Perücke, dem richtigen Akzent und der perfekt kopierten Gestik.
Dann wieder muss ein Musical aufgeführt oder eine Talkshow geleitet werden. Und warum nicht die Drag-Queen-Version von Shakespeares „Macbeth“ auf die Bühne stellen oder als Stand-up-Comedian ein Publikum zum Lachen bringen?
Wenn die Jury nicht zufrieden ist, heißt es: „Lip sync for your life!“. In einem Karaoke- und Tanzwettbewerb müssen die beiden letztplatzierten Queens gegeneinander antreten. Radschlagen, Spagat und sogenannte „Death-Drops“ – ein Bein wird angewinkelt, das andere ausgestreckt und der Po gen Boden fallen gelassen – gehören da dazu.
Das alles wird das Publikum am Sonntag live auf der Bühne des Admiralspalasts erleben können. Schauspiel, Tanz, Gesang, atemberaubende Kostüme und jede Menge Humor – eine Drag Queen zu werden bedeutet mehr, als nur stark überzeichnet eine Frau darzustellen.
Sie wollen das Mann-Frau-Schema persiflieren und dekonstruieren
Und es gibt ganz verschiedene Arten von Drag. Bianca Del Rio etwa nennt sich selbst einen Clown, hat stark überzeichnete Augen und einen knallroten Mund. Ihre Stärke ist der schwarze, geradezu aggressive Humor. Katya Zamolodchikova tritt als stereotype Russin mit platinblonden Haaren auf, während Sharon Needles mit schwarzem Lippenstift und weißen Kontaktlinsen aussieht, als wäre sie gerade einem Horrorfilm entstiegen. Gemeinsam haben sie aber eins: Sie wollen dem Mann-Frau-Schema nicht nur entkommen, sondern es persiflieren und damit dekonstruieren.
Und das könnte den Erfolg der Sendung auch erklären. Neben der grandiosen Unterhaltung und dem künstlerischen Ausdruck durch Kostüm und Schminke lernt das Publikum Menschen kennen. Immer wieder wird Einblick gewährt in die teils traurigen Schicksale der Teilnehmer. Der Kampf mit der eigenen Identität. Die Hürden, die auf dem Weg zur eigenen Drag-Persönlichkeit genommen werden müssen. Und natürlich das Outing – sowohl als queer oder schwul als auch als Drag Queen – bei Familie und Freunden. Diese Geschichten sind fester Teil der Show und lassen die Persönlichkeiten erkennen, die hinter den Masken stehen.
"Man hatte haarige Beine und Gummititten"
„Die Transe musste immer dafür kämpfen, wie sie ist“, sagt Jackie-Oh Weinhaus. Das Berliner Teilzeitmädchen, wie sie sich selbst nennt, ist vom „Drag Race“ nicht so begeistert. „In Berlin ging es immer auch um queeres, linkes Dasein“, sagt sie. „Man hatte haarige Beine und Gummititten.“
Durch „Drag Race“ habe sich das aber verändert. Mit den Vorbildern aus den USA sei Fernsehtauglichkeit in den Fokus gerückt worden. „Die Szene war früher viel kleiner als heute“, sagt auch die Berliner Drag Queen Jurassica Parka. „Viele machen das jetzt auch, weil sie merken, dass sie dadurch berühmt werden können.“ Sie veranstaltet jeden zweiten Sonnabend im Monat die Partyreihe „Popkicker“ im Schwuz (ab 23 Uhr, Eintritt 12 Euro), bei der auch Jackie-Oh Weinhaus regelmäßig auftritt.
Die Berliner Szene sei über Jahrzehnte gewachsen, sagt Jurassica Parka. Mit Margot Schlönzke und Tilly Creutzfeldt-Jakob, dem Tuntenhaus in Prenzlauer Berg und dem AHA-Berlin hätten sich Fixpunkte aufgebaut, die nun an Bedeutung verlören.
Die Berliner Travestieszene ist weniger poliert, dafür politischer
Denn gerade die politische Komponente fehle bei den Drag Queens aus den USA oftmals. Ingeborg und Gisela Sommer etwa unterstützen mit den Erlösen aus ihrem „KiezBingo“ im SO36 in Kreuzberg das FrauenKrisenTelefon (jeden zweiten Dienstag im Monat, 19.30 Uhr).
Gloria Viagra hat für das queere Berliner Stadtmagazin „Siegessäule“ Politiker zu ihren Konzepten zur Schwulen- und Lesbenpolitik befragt. Die Berliner Travestieszene war immer ein wenig dreckiger, weniger poliert. Dafür politisch.
Vielleicht geht aber auch beides. Das Monster Ronson’s an der Warschauer Straße in Friedrichshain etwa überträgt jeden Dienstag um 22 Uhr das „Drag Race“ auf zwei großen Bildschirmen. Im Anschluss gibt es dann eine hauseigene Drag Show. Mit Travestiekünstler*innen aus ganz Berlin. Das Beste aus beiden Welten also.
- RuPaul’s Drag Race: Battle of the Seasons. Sonntag, 3. April, 21 Uhr, Admiralspalast, Friedrichstraße 101, Mitte, Tickets ab 53 Euro. Weitere Infos unter: www.semmel.de
Mehr zur queeren Kultur finden Sie hier. Dieser Text erscheint auf dem Queerspiegel, dem queeren Blog des Tagesspiegels. Themenanregungen und Kritik gern im Kommentarbereich etwas weiter unten auf dieser Seite oder per Email an: queer@tagesspiegel.de.
Folgen Sie dem Queerspiegel auf Twitter: