zum Hauptinhalt
Pride-Parade in Warschau (Archivbild)
© JACEK TURCZYK POLAND/EPD/picture alliance/dpa
Exklusiv

Empörung über „LGBT-freie Zonen“: Grüne verurteilen homofeindliche Beschlüsse in Polen

In etwa einem Drittel Polens gelten queere Menschen als offiziell unerwünscht. Entsprechende Erklärungen „schüren den Hass“, warnen die Grünen.

Von Ragnar Vogt

Die Grünen haben an polnische Lokalregierungen appelliert, homophobe Beschlüsse zurückzunehmen. Sie reagierten damit auf die zunehmende Verbreitung von sogenannten „LGBT-freien Zonen“ im Land.

Solche Erklärungen „schüren den Hass und verbreiten Angst in der polnischen LGBT-Community“, heißt es in einem Aufruf der Grünen-Bundestagsabgeordneten Sven Lehmann und Ulle Schauws. Sie sind in ihrer Fraktion für Queerpolitik zuständig.

In Polen haben inzwischen knapp 100 Lokalregierungen Beschlüsse über „LGBT-freie Zonen“ getroffen, darunter auch fünf der 16 Regionen (Woiwodschaften) des Landes. Damit gelten in rund einem Drittel Polens homosexuelle, bisexuelle und transsexuelle Menschen als unerwünscht.

„Ein Angriff auf die polnische LGBT-Community ist ein Angriff auf die offene Gesellschaft und damit auf uns alle“, heißt es in dem Appell der Grünen-Abgeordneten. Solche Beschlüsse würden gegen europäisches und internationales Recht verstoßen und die Menschenwürde „mit Füßen treten“.

Die queer-feindlichen Aktionen in Polen sorgen schon länger für internationale Empörung. So verurteilte etwa das EU-Parlament im November 2019 die Einrichtung von „LGBT-freien Zonen“. Scharfe Kritik kam auch von EU-Gleichstellungskommissarin Helena Dalli. Solche Beschlüsse könnten schnell zu physischer Gewalt gegen Minderheiten führen, warnte sie.

Appell an deutsche Partnergemeinden, -städte und -bundesländer

Die beiden Grünen-Abgeordneten Schauws und Lehmann appellierten zudem an deutsche Kommunen, Städte und Bundesländer, über das Thema mit ihren Partnergemeinden und -woiwodschaften in Polen zu sprechen. Falls diese ihre homophoben Beschlüsse nicht zurücknähmen, sollten die Partnerschaften auf der politischen Ebene ausgesetzt werden, forderten sie.

LGBT-feindlicher Aufkleber der polnischen Wochenzeitung „Gazeta Polska“
LGBT-feindlicher Aufkleber der polnischen Wochenzeitung „Gazeta Polska“
© Kacper Pempel/File Photo/REUTERS

Die französische Kleinstadt Saint-Jean-de-Braye ist schon weiter: Sie kündigte ihre Partnerschaft mit der polnischen Stadt Tuchow, berichtete France24. Auch dort hatte es einen Anti-LGBT-Beschluss gegeben.

Ultrakonservative klagen gegen „Atlas des Hasses“

Die Verbreitung von homophoben Entscheidungen in Polen hat international vor allem durch den „Atlas des Hasses“ Aufmerksamkeit bekommen. Auf der Online-Landkarte sind alle Gemeinden, Landkreise und Regionen markiert, die sich zu „LGBT-freien Zonen“ erklärt haben.

[Wer noch mehr über queere Themen erfahren will: Der Tagesspiegel-Newsletter Queerspiegel erscheint monatlich, immer am dritten Donnerstag. Hier kostenlos anmelden]

Betrieben wird der „Atlas des Hasses“ von drei LGBT-Aktivisten. Diese schrieben dem Tagesspiegel am Mittwoch, dass die ultrakonservative katholische Stiftung „Ordo Iuris“ gegen sie klage. Das Ansehen von Gemeinden, die auf dem „Atlas des Hasses“ verzeichnet seien, würde beschädigt werden, argumentierte die Stiftung laut polnischem Online-Portal Onet. Mit Lügen würden Anwohner und Lokalpolitiker diffamiert, habe ein „Ordo Iuris“-Vertreter argumentiert.

LGBT ist die Abkürzung für die englischen Wörter Lesbian, Gay, Bisexual und Transexuell/Transgender (deutsch: Lesbisch, Schwul, Bisexuell und Transsexuell/Transgender). Inzwischen wird diese Abkürzung in der Regel mit „I“ für intersexuell erweitert: LGBTI. Mehr Erklärungen für Begriffe zur sexuellen Identität finden Sie in unserem Queer-Lexikon.

Zur Startseite