23. Operngala der Deutschen Aids-Stiftung in Berlin: Große Musik, großes Engagement
Bei der 23. Operngala für die Deutsche Aids-Stiftung feierten und 2000 Gäste - darunter Bundespräsident Gauck, der Designer Jean-Paul Gaultier und Nationalkeeper Manuel Neuer.
Manchmal gibt es nur noch eine Wahl: verzweifeln – oder mit der Arbeit beginnen, so ausweglos die Lage scheinen mag. So ungefähr dürfte sich Mitte der 90er Jahre die Situation in Simbabwe für den Unternehmer Strive Masiyiwa dargestellt haben. Und zwar, was den Kampf gegen HIV und Aids angeht. Die Epidemie wütete in seinem Land, mehr als ein Viertel der Bevölkerung war betroffen. Für Masiyiwa, einen der erfolgreichsten Geschäftsmänner des Kontinents, war Verzweifeln keine Option. Er gründete mit seiner Frau Tsitsi eine Stiftung, die HIV-Waisen unterstützen und die mit Bildung aufklären sollte.
Was mit der Förderung von 20 Kindern startete, ist heute eine der größten Stiftungen Afrikas. Mehr als 100 000 Kindern haben dieMasiyiwas inzwischen eine Chance auf ein neues Leben gegeben. Für seinen Einsatz erhielt Strive Masiyiwa auf der 23. Operngala für die Deutsche Aids-Stiftung den World Without Aids Award. Bescheiden reagierten er und seine Frau auf der Bühne: „Was wir machen, ist eine Kleinigkeit im Vergleich zu dem Einsatz von anderen.“ Mit ihnen ausgezeichnet wurde für den Kampf gegen HIV eine Legende der Modebranche: Jean Paul Gaultier.
Große Momente, große Musik – und großes Engagement: 2000 Gäste waren zur Gala in die Deutsche Oper gekommen. Von einer „stolzen Tradition“ sprach Dietmar Voggenreiter, Vorsitzender des Kuratoriums der Operngala und Vorstand beim Hauptsponsor Audi. Mehr als sieben Millionen Euro sind in all den Jahren durch die Erlöse der Gala für die Arbeit der Stiftung zusammengekommen. Allein jetzt packte Audi 310 000 Euro drauf, der Verband der privaten Krankenversicherungen 300 000 Euro, der Kosmetikkonzern MAC 300 000 Dollar. „HIV und Aids bleiben ein Thema für die Weltbevölkerung“, sagte Voggenreiter.
Jean Paul Gaultier hat die verheerende Wirkung von Aids Anfang der 90er Jahre erlebt: „Ich habe viele Freunde verloren – und meinen Mann“, sagte der Designer. Danach fragte er sich: „Was kann ich tun, um den Kampf gegen die Krankheit voranzubringen?“ Seitdem hilft er vielen Projekten. Auf der Gala trat er schwungvoll auf. „Ich liebe Berlin“, rief er unter viel Applaus. Leider könne er aber nur ein Wort Deutsch, fuhr er fort: „Winterschlussverkauf!“. Noch größerer Jubel.
Berührend und witzig auch die Laudatio auf Gaultier. Die hielt Conchita Wurst, die Siegerin des Eurovision Song Contests aus dem Jahr 2014. Die Drag Queen ist eine der Musen des Modeschöpfers; sie hat wie er Geschlechterrollen neu interpretiert. Angeblich hat Gaultier bei der Eurovisions-Abstimmung 73 SMS für die Wurst gesendet. Später hatte sie einen triumphalen Auftritt bei einer seiner Schauen in Paris. „Als mir gesagt wurde, dass er mich gerne auf dem Laufsteg sehen würde, musste ich mich erstmal hinsetzen“ erzählte Conchita Wurst. „Und ich brauchte eine Sauerstoffmaske.“ Wurst erinnerte auch an die politische Dimension der Arbeit Gaultiers. Seine Mode stehe immer unter der Prämisse, dass Liebe unabhängig von der Hautfarbe, unabhängig von sexueller Identität möglich sein müsse.
Apropos Entwürfe von Gaultier: Einer wird demnächst womöglich im Berliner Straßenbild zu sehen sein. Der Designer hat für die Gala einen Audi Q2 von außen neu gestaltet. Den Wagen hat ein Berliner Autohaus ersteigert – und will ihn verkaufen. Der doppelte Erlös wird an die Aids-Stiftung gehen.
Nun mag im Kampf gegen HIV schon viel erreicht worden sein. Hierzulande, wo die medizinische Versorgung gut ist. Aber auch in Ländern wie Simbabwe, wo dank des Einsatzes von Philanthropen wie den Masiyiwas deutlich weniger Menschen als vor zwanzig Jahren betroffen sind. Selbstzufriedenheit wäre dennoch gefährlich. Davor warnte Bundespräsident Joachim Gauck, der mit seiner Lebensgefährtin Daniela Schadt gekommen war. „Wir dürfen das Engagement gegen HIV und Aids nicht auf halber Strecke beenden. Bei allen Erfolgen drohen Rückschläge.“ Schließlich stecken sich auch heute noch jährlich zwei Millionen Menschen weltweit mit HIV an, sterben mehr als eine Million an den Folgen von Aids. Hierzulande sei eine Infektion zwar nicht mehr gleichbedeutend mit einem Todesurteil, sagte Gauck: „Aber die Angst von HIV-Infizierten vor Ablehnung und Ausgrenzung bleibt groß.“ Es sei auch in Deutschland nicht immer selbstverständlich für Infizierte, ein selbstbestimmtes Leben weiterzuführen.
Oper und Gala – das bedeutet auch: sehen und gesehen werden. Das sagte Gauck ebenfalls. Und so flanierten die Gäste nach dem Konzert auf den Gängen und in den Foyers der Deutschen Oper, speisten beim Gala-Dinner und an den Buffets. Unter ihnen: Klaus Wowereit, seit langem Stammgast der Gala, die Models Toni Garrn und Charlott Cordes, die auch die Preise überreichten, und der Musiker Michi Beck von den Fantastischen Vier. Besonders bewegte viele, dass Margot Friedlander gekommen war, eine der ältesten Überlebenden des Holocausts. Just an diesem Abend feierte sie ihren 95. Geburtstag. Arm in Arm mit Karl Max Einhäupl, dem Chef der Berliner Charité, nahm sie ein Ständchen zu ihren Ehren entgegen.
Etwas verspätet traf Nationalkeeper Manuel Neuer ein. Dafür spielte er kurz nach Mitternacht Glücksfee bei der Verlosung eines Autos. Längst schon tanzte da die Menge auf der zur riesigen Disco umfunktionierten Hauptbühne. Bis tief in die Nacht begeisterten Hits des Sängers Álvaro Soler und der Chris Genteman Group die Menge – bei einem Abend, der erneut zeigte: anpacken ist besser als aufgeben.
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