Studie aus Schweden: Geschlechtergerechte Sprache wirkt
In Schweden gibt es ein geschlechtsneutrales Pronomen. Eine Studie zeigt: Dessen Nutzung beeinflusst unmittelbar die Wahrnehmung von Geschlechterrollen.
In der Debatte um geschlechtergerechte Sprache geht es häufig um Fragen der Repräsentation. Doch kann ihre Verwendung auch die politischen Ansichten von Menschen beeinflussen? Eine im Fachmagazin „PNAS“ veröffentliche politikwissenschaftliche Studie zeigt jetzt, dass die Anwendung genderneutraler Pronomen offenbar eine Auswirkung darauf hat, wie Menschen Geschlechternormen und die Gleichstellung von Frauen sowie der LGBTI-Community beurteilen.
Durchgeführt wurde die Studie in Schweden. Während der deutsche Rechtschreibrat sich im November 2018 nach kontroversen Debatten vorerst gegen eine Aufnahme des Gendersternchens in den Duden entschieden hat, wurde das geschlechtsneutrale Pronomen „hen“ bereits 2015 in das schwedische Wörterbuch aufgenommen. Schon Jahre vor der offiziellen Einführung war der Gebrauch des Pronomens verbreitet, um nicht-binäre Personen zu beschreiben, also Menschen, die sich weder als weiblich noch als männlich sehen. Es ergänzt das weibliche Pronomen „hon“ und das männliche Pronomen „han“.
Margit Tavits, Politikwissenschaftlerin an der Washington University in St. Louis und Efrén O. Pérez, der an der University of California in Los Angeles an den Instituten für Politikwissenschaft und Psychologie lehrt, haben für die Studie die Antworten von insgesamt 3393 schwedischen Erwachsenen ausgewertet. In einer Online-Befragung sollten die Teilnehmer zunächst eine neutrale Figur beschreiben, die einen Hund spazieren führt. Eine Gruppe hatte dabei die Vorgabe, das männliche Pronomen zu benutzen, ein zweiter Teil das weibliche Pronomen und die dritte Gruppe das neutrale Pronomen „hen“. Anschließend sollten die Studienteilnehmer eine Geschichte fortsetzen, die von einer Person handelt, die für ein politisches Amt kandidiert.
Beantwortet wurden etwa Fragen zu Frauen in der Politik
In einem dritten Teil beantworteten die Teilnehmer Fragen zu Frauen in der Politik. Sie sollten etwa ein aktuelles Mitglied des schwedischen Parlaments benennen und beantworten, ob sie generell für mehr Frauen in hohen politischen Ämtern sind. Schließlich ging es um Fragen zu der LGBTI-Community, beispielsweise darum, welche Meinung die Studienteilnehmer von trans Menschen haben oder ob gleichgeschlechtliche Paare ihrer Meinung nach Kinder aufziehen können oder nicht.
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Die Studienergebnisse zeigen, dass Teilnehmer, die das neutrale oder das weibliche Pronomen nutzen sollten, in der Geschichte häufiger Frauen oder Personen mit einem geschlechtsneutralen Namen beschrieben haben, die für das politische Amt kandidieren und häufiger weibliche Politikerinnen im Parlament benannten. Weiterhin hatten sie positivere Ansichten gegenüber Frauen in der Politik und der LGBTI-Community. Die Forscher schließen daraus, dass Sprache unmittelbaren Einfluss auf die Wahrnehmung und somit auf Vorstellungen von Geschlechterrollen hat. Die Verwendung geschlechtsneutraler Pronomen könne laut Tavits und Pérez die Akzeptanz von Frauen in öffentlichen Positionen und der LGBTI-Community erhöhen.
Soziale Erwünschtheit oder Automatismus?
In einem dritten Teil der Studie hat das Forscherteam geprüft, ob die Ergebnisse mit „sozialer Erwünschtheit“ zu erklären sind, also mit der Tendenz der Teilnehmer, Fragen so zu beantworten, wie sie glauben, dass es von ihnen erwartet wird. Wenn die Befragten in der Studie das Pronomen „hen“ benutzen sollten, könnten sie etwa annehmen, dass „politisch korrekte“ Antworten von Seiten der Wissenschaftler erwartete werden.
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Um das auszuschließen, sollten die Probanden innerhalb weniger Sekunden Namen nennen, die ihnen einfallen, wenn sie die verschiedenen Pronomen hören. Die zeitliche Begrenzung sollte das Nachdenken über die Antworten verhindern. Auch hier nannten die Teilnehmer deutlich häufiger weibliche oder neutrale Namen, wenn sie mit dem weiblichen oder neutralen Pronomen konfrontiert wurden. Tavits und Pérez schließen daraus, dass die Antworten ihrer Probanden eher automatisch als kontrolliert sind.