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Der Bund Freier Evangelischer Gemeinden vertritt knapp 500 Gemeinden in Deutschland.
© Nicolas Armer/dpa

"Leitfaden zur Homosexualität": Evangelische Freikirche empfiehlt Homosexuellen "Therapie"

Homosexuelle sollen enthaltsam sein und eine "Therapie" machen, wollen sie ihre Orientierung ändern: Das empfiehlt ein Freikirchen-Bund. Es gibt harsche Kritik.

Homosexualität ist ein „Symptom der Ur-Sünde“, homosexuelle Menschen sollten „auf die Praktizierung dieser Prägung verzichten und sexuell enthaltsam leben“. Und wenn sie ihre sexuelle Orientierung ändern möchte, sollten sie sich einer „Therapie“ unterziehen. Diese Ansichten vertritt der Bund Freier evangelischer Gemeinden in Deutschland. Die Formulierungen finden sich in einer bereits im Dezember veröffentlichten „Orientierungshilfe“ des Kirchenbundes zum Thema Homosexualität.

Darauf macht jetzt Volker Beck, ehemaliger Bundestagsabgeordneter der Grünen und inzwischen unter anderem Lehrbeauftragter am Religionswissenschaftlichen Institut der Uni Bochum, aufmerksam. „Unredlich und unbarmherzig“ seien die Auslegungen, kritisiert Beck und spricht von einer „theologischen Katastrophe“.

Freikirchen lehnen Segnungen homosexueller Paare ab

Der Bund Freier evangelischen Gemeinden umfasst nach eigenen Angaben bundesweit 479 Gemeinden mit mehr als 41.000 Mitgliedern. „Hinzu kommen fast 10.000 Kinder und etwa 15.000 Freunde, die unsere Gottesdienste besuchen“, heißt es auf der Webseite des Freikirchen-Bundes. Gegründet wurde er im 19. Jahrhundert als Abgrenzung zur Staatskirche, die Gemeinden gelten laut Beck heute als zwar gemäßigt, aber dennoch frömmelnder als die Evangelische Kirche Deutschlands (EKD). Während zum Beispiel in einigen Landeskirchen der EKD Trauungen oder Segnungen für gleichgeschlechtliche Paare möglich sind, lehnt der Freikirchen-Bund das kategorisch ab.

Beck entsetzt besonders, dass sich der Bund für vermeintliche „Therapien“ von Homosexuellen einsetzt. Tatsächlich findet sich in dem Leitfaden der Hinweis, „homosexuell geprägte Menschen, die den Versuch einer Veränderung ihrer sexuellen Orientierung anstreben, sollten sich einem professionell begleiteten therapeutischen Prozess stellen“. Das sei insbesondere „vor dem Hintergrund anzuraten, dass es in Vergangenheit und Gegenwart für homosexuell geprägte Menschen immer wieder die Versuchung gegeben hat, eine heterosexuelle Partnerschaft einzugehen, um sich davon ‚Heilung‘ bzw. ein ‚normales‘ und ‚akzeptiertes‘ Familienleben zu erhoffen“, führt der Leitfaden fort: „Nicht selten handelte und handelt es sich dabei um eine Überforderung beider Ehepartner.“

"Therapien" sind "Scharlatanerie", kritisiert Volker Beck

Der von der Freikirche vorgeschlagene „professionell begleitete therapeutische Prozess“ sei aber nichts weiter als „Scharlatanerie“, der Hinweis darauf „unverantwortlich“, sagt Beck: „Die Bundesärztekammer warnt zurecht davor.“

Auch der Weltärztebund hat im Jahr 2013 so genannte Konversionstherapien für Homosexuelle als „Menschenrechtsverletzungen“ verurteilt. Trotz dieser eindeutigen medizinischen Einschätzungen und trotz vieler Proteste sind diese Angebote bis heute in Deutschland nicht verboten, auch wenn es inzwischen eine Bundesratsinitiative dazu gibt. Und so finden sich noch immer in Deutschland einige zumeist christlich-fundamentalistisch Gruppen, die „Homo-Heilungen“ propagieren.

Die EKD dagegen distanziert sich davon, wie ein Sprecher auf Anfrage sagt: "Wir haben als EKD eine deutlich andere Position." Konversionstherapien seien "wie jede Form der Diskriminierung aufgrund einer sexuellen Orientierung aus theologischen und ethischen Gründen abzulehnen".

Auf eine Anfrage zur Gefährlichkeit weicht der Freikirchen-Bund aus

In einer E-Mail-Konversation Becks mit den freien Gemeinden, die dem Tagesspiegel vorliegt, weicht der Bund einer Stellungnahme zur Gefährlichkeit seiner Empfehlungen aus. Auf die Nachfrage Becks, welche Therapieformen der Bund denn eigentlich meine und welche Informationen man zu deren Behandlungserfolg und Nebenwirkungen habe, lautet die Antwort: „Als Freikirche verantworten wir die Seelsorge, die wir anbieten, und nicht die professionellen Therapien, die sich Menschen suchen.“

So äußert sich Artur Wiebe, Sprecher des Bundes, auch auf Nachfrage des Tagesspiegels. Man rate zu "staatlich verifizierter" therapeutischer Hilfe. Um welche Formen es dabei handeln könnte, lässt Wiebe offen. Im Übrigen teile man das Anliegen des Deutschen Ärztetages, sich gegen jegliche Stigmatisierung, Pathologisierung oder Benachteiligung von Menschen unterschiedlicher sexueller Orientierung auszusprechen. Auch das komme in der Orientierungshilfe zum Ausdruck.

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