Ehe für alle: Ein Pfarrer erzählt von lesbischen und schwulen Hochzeiten
Die Protestanten preschten vor. Seit August 2016 trauen sie Lesben und Schwule wie Hetero-Paare. Die katholische Kirche ist gegen die Ehe für alle.
Für Pfarrer Eric Haußmann war es ein „wunderschönes Erlebnis“. Am Sonnabend, dem 27. Mai, während des Evangelischen Kirchentages in Berlin, war er dabei, als Probst Christian Stäblein in der Marienkirche nahe dem Alexanderplatz zwei lesbische Frauen traute. Mit allem, was dazu gehört, eben genau so, wie bei einer klassischen Trauung von Frau und Mann.
Das Gotteshaus war rappelvoll mit Angehörigen des Paares, mit Freunden und vielen Kirchentagbesuchern. „Rund 800 Menschen klatschten und jubelten, wie Stars schritten die frisch Vermählten danach ins Freie zu großartiger Orgelmusik“, erzählt Haußmann. Zwei Frauen Hand in Hand, die es im Leben schon allein wegen ihrer Sexualität gewiss nicht immer leicht hatten.
Fünf Hochzeiten seit August
Mehrmals hat Eric Haußmann, Pastor der protestantischen St. Mariengemeinde in Mitte, auch selbst seit August vergangenen Jahres lesbische oder schwule Paare bei Traugottesdiensten in der Marienkirche gesegnet und sie am Altar die Ringe wechseln lassen. Das ermöglichte ihm ein mit großer Mehrheit gefasster Beschluss der Landessynode der evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz vom 9. April 2016. Ehepaare verschiedenen Geschlechts und gleichgeschlechtliche Lebenspartner sind danach liturgisch und rechtlich künftig gleichgestellt.
Das war selbst für die deutschen Protestanten eine revolutionäre Entscheidung. Damit zog Berlin gleichauf mit der Landeskirche Hessen-Nassau und der rheinischen Landeskirche, die sich beide schon kurz vorher Lesben und Schwulen entsprechend geöffnet hatten. In allen anderen insgesamt 17 evangelischen Landeskirchen ist die Diskussion darüber noch im Gange.
Allerdings bieten auch sie gleichgeschlechtlichen Paaren seit längerem eine kirchliche Hochzeit light an – mit Segensspruch und gemeinsamer Fürbitte. In Berlin und Brandenburg wurde dies seit 2003 so praktiziert. Drei wichtige Vorgänge, die bei Hetero-Paaren selbstverständlich sind, fehlten jedoch bei dieser Feier: Der Ringwechsel, das öffentliche Jawort, offiziell Trauversprechen genannt, sowie die Eintragung der Hochzeit ins Kirchenbuch.
Pastor Eric Haußmann empfand diesen „feinen, aber spürbaren Unterschied“ immer als „diskriminierend“. Deshalb war er „stolz auf die eigene Kirche“, als diese schließlich vorpreschte und „Zeichen setzte“ – bevor ein Jahr später nun auch der deutsche Bundestag die standesamtliche „Ehe für alle“ abgesegnet hat.
Umdenken in der evangelischen Kirche
Am 1. August 2016 trat der Beschluss der evangelischen Synode in Kraft. Elf Tage danach vollzog Haußmann die erste Berliner Homo-Trauung auf klassische Weise. Zwei Männer gaben sich in der Marienkirche das Jawort. Vierzehn Jahre lebten die beiden schon zusammen. Vor der Trauung hatten sie ihre Lebenspartnerschaft bereits auf dem Standesamt besiegelt. Das ist in jedem Falle die Voraussetzung für eine kirchliche Zeremonie, genau so wie bei Hetero-Paaren. Als die zwei dann zum Altar schritten, sagte ihnen der Pastor: „Alle sind hier willkommen, das ist Euer Haus.“
Nicht das Geschlecht ist entscheidend, sondern die Liebe
Lange war dieses Bekenntnis auch bei den Protestanten in Berlin und Brandenburg umstritten. Doch schließlich setzte sich die theologische Ansicht durch: Wer davon ausgeht, dass sich vor Gott der Wert einer Partnerschaft am Geschlecht und an der bürgerlichen Rechtsform bemisst und nicht an der Liebe, reduziert den Allmächtigen auf menschliche Maßstäbe.
Nicht mehr das Geschlecht der Partner ist heute aus Sicht der Landeskirche entscheidend, sondern die Qualität der Beziehung, also letztlich die Frage, ob sich zwei Menschen in Liebe dauerhaft und verantwortungsvoll aneinander binden und füreinander sorgen wollen. Die Hetero-Ehe ist folglich nicht mehr das alleinige Idealbild.
Die katholische deutsche Bischofskonferenz bekräftigte hingegen vor der aktuellen Entscheidung im Bundestag erneut ihre Position, wonach die Ehe ausschließlich eine Verbindung zwischen Mann und Frau ist und prinzipiell den Sinn und Zweck hat, Kinder in die Welt zu setzen. Auch der Vatikan hat mehrfach erklärt, man sei gegen eine Ehe für Homosexuelle.
Insgesamt ließen sich in Berlins seit August vergangenen Jahres elf lesbische und schwule Paare in protestantischen Gemeinden trauen. Für Pfarrer Eric Haußmann ist ihr Anspruch auf Gleichbehandlung völlig nachvollziehbar. „Ihr versprecht Euch ja das Gleiche wie Hetero-Paare für den gemeinsamen Lebensweg und steht zueinander“, sagt er. „Also machen wir keinen Unterschied mehr.“