„Lasst uns über Sex und Drogen reden“: Die queere Königin von Kreuzberg
Die amerikanische Dragqueen Pansy ist in Berlin ein Star. Bei ihren Veranstaltungen will sie unterhalten und über queere Themen aufklären - ganz ohne Tabus.
Der Weg ins Paradies führt über rot beleuchtete Treppenstufen in die ehemalige Baumhausbar im Kreuzberger Club „Musik und Frieden“. Doch dieser Garten Eden kennt keine Eva, keinen Adam – alles hier entspricht den Vorstellungen der Drag-Künstlerin Pansy.
Bis Ende der Woche gehören ihr die Räume, das Ganze ist Teil der „Night Embassy“ – ein temporäres, von einer Kräuterschnapsmarke finanziertes Projekt, das die lokale Sub- und Clubkultur fördern will und dazu verschiedene Berliner Künstler als Nachtleben-Botschafter einlädt, die Räumlichkeiten zu bespielen. „Welcome to Pansy’s Paradise“, so leuchtet es nun am Eingang.
Pansy hat sich in den vergangenen Jahren nicht nur einen Namen in der Berliner Szene gemacht, sondern diese auch mitgestaltet, vor allem, weil sie das Format Drag-Show frisch, mit viel Humor aufzieht: Jeden Dienstag etwa in ihrer Show „The House of Presents“, nicht weit weg vom temporären Paradies, drüben in der Karaokebar Monster Ronson’s am U-Bahnhof Warschauer Straße.
Oder auch bei der jährlichen Drag-Wahl zur Miss Kotti, die sie initiiert hat und die demnächst wieder stattfindet, am 15. November im SO36. Auf dem letzten Melt Festival, das wie immer auch viele Berliner anzog, bekam Pansy eine eigene Bühne, „Pansy’s Playhouse“, mit queeren DJs, Performern und Pansy als schillernder Gastgeberin.
Ein Mix aus Arielle, Badewanne und Technoclub
Ihr Kreuzberger Paradies ist eine queere Unterwasserwelt, ein wilder Mix aus „Arielle“, Badewanne und Technoclub. Die Decke des Vorraums ist mit einem großen Fischernetz abgehängt, darin tummeln sich Wale und Fische aus Plastik, hinter dem DJ-Pult türmen sich muschelförmige Luftmatratzen und über die Wände bewegt sich die Projektion eines Zeichentrick-Meeresbodens. In einem weiteren Raum ist ein riesiger Oktopus mit lila Stofftentakeln eingezogen.
Dazwischen: bunt angezogene Dragqueens, nackte Dragqueens, Leute, die aussehen, als kämen sie gerade aus dem Berghain, Leute, die jetzt auch in einer Agentur in Mitte sitzen könnten. Pansys Programm bietet täglich wechselnde Veranstaltungen, es geht um queere Themen und Clubkultur. Dazu gehören Nacktlesungen, DJ-Workshops, Aufklärungsrunden über Drogenkonsum, Konzerte und natürlich Dragshows.
Mehr als 90 Künstler habe sie für ihre Woche als Botschafterin gewinnen können, erzählt Pansy. An diesem Tag ist sie nicht in Drag gekommen, „es war alles viel zu hektisch!“ Pansy heißt eigentlich Parker Tilghman und kommt aus den USA, aus South Carolina. Sie spricht schnell und viel und druckreif, zwischendrin lacht sie sehr laut und ansteckend. Zwar könne sie mittlerweile auch Deutsch, beteuert sie, das Interview möchte sie trotzdem lieber auf Englisch führen.
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Die Südstaatenherkunft hört man nicht heraus, früh verließ sie den streng-konservativ geprägten Bundesstaat. Mit 20 zog Pansy nach San Francisco, seit fast acht Jahren lebt die 33-Jährige jetzt in Berlin. „Die Stadt ist eine Heimat für mich geworden“, sagt sie. Die beiden Orte, mit denen die Künstlerin sich am meisten verbunden fühlt, zieren auch ihre Haut: Auf dem linken Bein hat sie den Sutro Tower aus San Francisco tätowiert, auf dem rechten den Fernsehturm.
Von der Oper in den Sexclub
Das Großartige an Berlin seien die unendlichen kulturellen Möglichkeiten. „Was immer man tun möchte, irgendwo in dieser Stadt wird man es finden“, sagt Pansy. „Man kann in die Oper gehen, in die Bibliothek, sich in einem Sexclub fesseln lassen oder im Park picknicken.“ Außerdem sei Berlin der queerste Ort, den sie kenne.
„Irgendwas ist hier in der Luft oder im Wasser, ich weiß es nicht. Queere Menschen aus der ganzen Welt werden angezogen“, sagt sie und erklärt, was „Queerness“ für sie bedeutet: „Der Begriff bezieht sich auf Menschen und Geschlechter, die normalerweise nicht im Fernsehen, in der Werbung oder in Zeitschriften repräsentiert werden.“ Es gehe nicht mehr nur um Männer, die Männer lieben, und Frauen, die Frauen lieben, sondern um Gender-Vielfalt und verschiedenste sexuelle Vorlieben.
Deshalb will Pansy mit ihren Veranstaltungen einen Raum schaffen, in dem zwar alle willkommen sind, in dem aber die Menschen, die sonst eher eine Minderheit darstellen, besonders viel Platz bekommen. „Mir ist sehr wichtig, dass wir einander unterstützen, uns gegenseitig die Möglichkeit geben, zu wachsen. Wir sind eine Familie“, sagt sie.
Deshalb sei sie auch so froh über die Möglichkeit, bei „Pansy’s Paradise“ so viele verschiedene Künstler und Programme unterbringen und die Menschen bezahlen zu können – keine Selbstverständlichkeit in der Kleinkunstszene.
[„Pansy’s Paradise“ läuft bis Samstagnacht in der „Night Embassy,“ Falckensteinstraße 48. Am Mittwochabend steht ab 18 Uhr „Let’s talk about Sex and Drugs“ auf dem Programm. Am Donnerstag gibt es ab 21 Uhr, am Freitag und Sonnabend ab 23 Uhr Drag-Shows. Der Eintritt ist an allen Tagen frei, mehr Infos gibt es unter www. night-embassy.com.]
Über Dinge reden, die man in der Schule nicht lernt
Besonders am Herzen liegt ihr „Let’s talk about Sex and Drugs“, ein Projekt, an dem sie seit mehreren Jahren arbeitet. „Es ist genau das, wonach es klingt“, sagt sie, „wir sprechen über Drogen und Sex in einem ungezwungenen Kontext. Wir sind hier in Berlin, und – Hallo? – wer in letzter Zeit mal draußen war, hat vielleicht bemerkt: die Menschen hier haben Sex und nehmen Drogen.“
Auch dieses Thema wird bei Pansy wieder mit einem Fokus auf queere Sexualität angegangen, auf Dinge, die die meisten in der Schule wohl nicht lernen: Zum Beispiel, welche Drogen wie mit HIV-Medikamenten interagieren. Tabus gibt es bei Pansy nicht, dafür schonungslose Aufklärung.
Wie unterscheidet sich die Bühnenfigur Pansy von der Person, die hier ohne Make-up auf dem Sofa sitzt? „Pansy kann Sachen tun und sagen, die man Parker niemals durchgehen lassen würde“, sagt sie, lacht. „Sie gibt mir unglaublich viel Kraft.“ Und die braucht sie auch, denn Pansy hat auch viele negative Erfahrungen gemacht. „Ich wurde meine ganze Kindheit über verprügelt, weil ich feminin war. Sie beschimpften mich als Faggot, also Schwuchtel, bevor ich überhaupt wusste, was das bedeutet.“
Auch im eher liberalen Berlin hat die Künstlerin homophobe Anfeindungen und sogar körperliche Übergriffe erlebt. Dreimal wurde sie schon auf der Straße angegriffen. „Homophobie ist kein Thema einer bestimmten Nationalität oder Religion“, betont sie. Täter gebe es überall, fast immer seien sie männlich.
„Jedes Mal, wenn du mit deinem Äußeren zeigst, dass du queer bist, stellst du dein Glück über deine körperliche Sicherheit“, erklärt sie. „Deshalb mache ich das alles, die Shows, die Festivals – weil ich einen Raum schaffen will, an dem Menschen sicher sein können, sich kleiden können, wie sie wollen, küssen können, wen sie wollen, sein können, wer sie sein wollen.“ Im Paradies geht eben alles.
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