Neue Edith Schröder-Show: Buschkowksy würde uns verstehen
Ades Zabel, Biggy van Blond und Bob Schneider sind „Die wilden Weiber von Neukölln“ im BKA-Theater.
Frust in Nordneukölln: Brigitte Wuttke hat mit ihrer Legginsboutique in der ganzen Woche nur sieben Euro Umsatz gemacht. Bei Kneipenwirtin Jutta Hartmann läuft es ebenfalls mies. Ihr sei die ganze Stammkundschaft „hier am Tresen weggestorben“, klagt sie.
Das gilt natürlich nicht für Edith Schröder, die empört aufschreit und sich schnell noch einen Futschi nachschenkt. Für die Harz VIII-Queen aus der Nogatstraße sind Alkohol und ein Plausch mit den Freundinnen immer noch die Antwort auf alle Probleme. Jutta und Brigitte hingegen finden nicht aus dem Jammertal. Selbst als sie schon im Bett liegen, geht es per Telefon weiter mit dem Selbstmitleid. Zur Melodie von Adeles „Hello“ singen die beiden: „Hallo hier aus Nordneukölln/ Ich kann das alles nicht mehr hören/ Touristen und Hipster auf der Sonnenallee/ Buschkowsky würde uns verstehen“.
Der Schmachtfetzen ist ein früher Höhepunkt des neuen Edith Schröder-Trashicals im BKA-Theater, das den Titel „Die wilden Weiber von Neukölln – Drei Futschis für ein Hallelujah!“ trägt. Und natürlich überwinden Jutta und Brigitte ihr Tief und entwickeln einen Masterplan.
Sie wollen mit der Zeit gehen, sich und ihre Läden hipsterisieren und so die neuen Kiezbewohner ansprechen. Auf die Umsetzung ihrer durchgeknallten Ideen muss das Publikum allerdings noch bis nach der Pause warten, denn es folgen erstmal diverse Alltagsabenteuer von Edith und den Freundinnen, was der von Bernd Mottl in wildem Schlingerkurs inszenierten Show den Charakter einer Nummernrevue verleiht. Der dramaturgische Bogen der letzten Schröder-Produktion „Hostel Hermannstraße“ vor zwei Jahren war um einiges stringenter und packender. Dafür zeigen Ades Zabel, Biggy van Blond und Bob Schneider in Sachen liebevoller Schrulligkeit und bekloppten Halbplaybacks wie immer vollen Einsatz.
Edith Schröder testet Viagra für Frauen
ABBA-meets-Schlager-Medleys sind ebenso dabei wie eine klamaukige Datingshow-Episode, in der zwei schlagfertige Zuschauer um das einsame Herz von Edith buhlen. Die minimalistischen Momente überzeugen mitunter sogar mehr als die aufgedrehten: Wenn Zabel als Edith Schröder einfach nur auf einem Stuhl sitzt und wartet, dass die Wirkung einer Viagra-für-Frauen-Pille einsetzt, um sich dann immer rolliger werdend an Gegenständen zu reiben, ist das tolle Körperkomik. Die anschließende Musical-Nummer mit Nebel und psychedelischer Projektion kann das kaum mehr überbieten.
Relaunch im Hipster-Look: Brigitte verzichtet auf Leopardenfell-Muster
Nicht unter den „Wilden Weibern von Neukölln“ ist Hatice, die von Stefan Kuschner in den Vorgängerproduktionen verkörperte Muslima. Gegen diese Kopftuch tragende Figur hatte es seitens des Vereins Gays and Lesbians aus der Türkei (Gladt) Proteste gegeben, der die Darstellung als klischeehaft und rassistisch bezeichnete. Dafür sind diesmal die Schwestern Hürriyet, Ayran und Scharia in Einspielfilmen zu sehen. Sie machen unter anderem Werbung für ihr Haarspray, das auch durch das Kopftuch hindurch wirkt. Naja ...
Schon besser funktioniert da der Hipster-Relaunch von Brigitte und Jutta, die sich Style-technisch voll reinhängen: Neue Brillen und Mützen, Brigitte verzichtet sogar auf ihren Leopardenfell-Look. Jutta nennt ihre Kneipe jetzt „An einem Sonntag im Mai“ und hat Club Mate im Angebot. Einen bärtigen Hipster locken die beiden so tatsächlich an. Doch lang kann das nicht gutgehen – und am Ende siegt doch wieder der frenetisch besungene Futschi. Heinz Buschkowsky wird es verstehen.
Wieder 23.-25.3., 13., 15.-17.4., 20 Uhr
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