Streit wegen Show mit Hatice Özgür: Ärger um die Dragqueen mit dem Kopftuch
Darf ein Mann deutscher Herkunft auf der Bühne eine türkische Frau spielen? Darüber streitet die lesbisch-schwule Szene Berlins. Mittendrin: Schauspieler Stefan Kuschner mit seiner Figur Hatice Özgür, eine Muslima mit Kopftuch.
Als Hatice ging Kuschner vor vier Jahren das erste Mal auf die Bühne, beim satirischen Edith-Schröder-Neukölln-Musical „Linie 8“ von Ades Zabel. Danach trat die Figur auch außerhalb des Theaters auf und gewann 2013 sogar den Drag-Contest des Stadtmagazins Siegessäule. Hatice ist nun fester Bestandteil der Edith-Schröder-Shows.
Eigentlich hätte sie also auch am 18. April dabei sein sollen, als Ades Zabels Partyreihe „Edith Schröders Kiezdisko“ im Neuköllner Club SchwuZ startete. War sie aber nicht. „Die Geschäftsführung des SchwuZ wollte Hatice nicht“, erzählt Stefan Kuschner. Statt dessen performte Hatice an dem Abend auf der Party Irrenhouse – und dessen Organisatorin Nina Queer machte das Auftrittsverbot via Facebook öffentlich und fachte damit die Diskussion erst recht an.
Erinnerung an "Blackfacing"-Skandal
„Da stellt sich ein weißer Mann auf die Bühne und reproduziert Klischees, um das Publikum zu belustigen“, sagt Gülây Akın vom Verein Gays and Lesbians aus der Türkei (Gladt). „Das ist klar rassistisch.“ Sie sieht in Kuschners stereotyper Darstellung eine Ähnlichkeit zu Minstrel-Shows der USA des 19. Jahrhunderts. Damals malten sich weiße Schauspieler schwarz an („Blackfacing“) und machten sich auf der Bühne über Schwarze lustig. Zuletzt löste Didi Hallervordens Rappaport-Inszenierung 2012 am Schlosspark-Theater eine Debatte über „Blackfacing“ aus.
Ähnlich nun im SchwuZ: „Bei Gästen und bei Menschen aus dem SchwuZ-Kollektiv“ seien Hatices Auftritte auf Kritik gestoßen, „in Bezug auf das unkommentierte und aus dem Zusammenhang gerissene Auftreten der Figur“, erklären die SchwuZ-Vertreter Marcel Weber und Lcavaliero Mann. Ein Auftrittsverbot gebe es nicht, aber man müsse dringend über Alltagsrassismus, Sexismus und Klassismus diskutieren. „Klar ist auch, dass wir diese Diskussion nicht anhand der Figur Hatice allein führen dürfen. Wir müssen es im gesamtgesellschaftlichen Kontext betrachten.“
"Höchste Zeit, dass da auch eine Türkin dabei ist"
Genau diesen Kontext hat auch Nina Queer im Auge, kommt aber zu ganz anderen Schlüssen. „Seit 30 Jahren spiegelt Edith Schröders Show Neukölln wider. Höchste Zeit, dass da auch eine Türkin dabei ist“, erklärt sie. „Klar macht sich Stefan Kuschner als Hatice lustig, aber das ist der Job einer Transe!“
Darf man jetzt keine Witze mehr machen?
„Diese Form der Comedy, die auf Kosten anderer Menschen geht, hat mit Humor nichts zu tun“, hält Gülây Akın dagegen. „Man kann Hatice durch den schwulen Hans, Mandy aus Rostock oder einen Hartz-IV-Empfänger ersetzen – unterm Strich werden Menschen durch Reproduktionen von Klischees gedemütigt, andere Menschen fühlen sich in ihren Vorurteilen bestätigt.“ Sie fordert mehr Respekt für Menschen, die nicht der Mehrheitsgesellschaft angehören.
"Ich will mich nicht über Türkinnen lustig machen"
„Hatice will vermitteln“, beteuert Stefan Kuschner. „Ich will mich nicht über Türkinnen lustig machen, da gebe ich mir große Mühe.“ Von muslimischen Zuschauerinnen sei ihm sogar bescheinigt worden: „Du sagst Sachen, die wir nicht sagen dürfen.“ Kuschner: „Hatice gibt Frauen mit Kopftuch auf der Bühne eine Stimme!“
Gülây Akın will das nicht gelten lassen. „Warum fühlt sich Stefan Kuschner berufen, das zu machen? Hat er eine Frau mit Kopftuch gefragt, ob sie nicht auch auf die Bühne will?“ Zumindest sich selbst hat er das gefragt. „Vielleicht sollten wir da mal drüber nachdenken: Warum sind keine echten Frauen mit Kopftuch auf der Bühne?“
Diese Frage stellt sich auch das SchwuZ. „Wie können wir den Raum dafür öffnen, dass sich auch Muslima ganz selbstverständlich im SchwuZ wohlfühlen?“, fragt es und sieht sich am Anfang eines Prozesses. Mit Stefan Kuschner gibt es Gespräche. Das ist ganz in seinem Sinne. „Ich versuche, die Community zu stärken“, schreibt Stefan Kuschner selbst auf Facebook. „Wir haben genug Feinde von außen, da sollten wir uns nicht untereinander bekämpfen.“
Dieser Text erscheint auf dem Queerspiegel, dem neuen queeren Blog des Tagesspiegels, den Sie hier finden. Themenanregungen und Kritik gern im Kommentarbereich etwas weiter unten auf dieser Seite oder per Email an:queer@tagesspiegel.de. Twittern Sie mit unter dem Hashtag #Queerspiegel – zum Twitterfeed zum Queerspiegel geht es hier.
Malte Göbel
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