Diskriminierung von Regenbogenfamilien: Bundesrat stimmt über Reform des Abstammungsrechts ab
Das Land Berlin hat einen Antrag eingereicht zur Verbesserung der rechtlichen Situation queerer Familien. Am Freitag stimmt der Bundesrat darüber ab.
Das Land Berlin hat gemeinsam mit Hamburg und Thüringen einen Antrag zur Reform des Abstammungsrechts eingereicht. Dadurch soll die Situation von Regenbogenfamilien verbessert werden. Am Freitag stimmt der Bundesrat über den Antrag ab.
Darin fordert der Bundesrat die Bundesregierung unter anderem dazu auf, die rechtliche Definition der Mutterschaft zu erweitern, sodass auch die Person, die das Kind nicht zur Welt gebracht hat, rechtliche Mutter des Kindes werden kann.
Aktuell wird nämlich nur die Person, die das Kind zur Welt bringt, automatisch als Mutter anerkannt und in die Geburtsurkunde eingetragen. Ihre Ehefrau hat lediglich die Möglichkeit, das gemeinsame Kind im Rahmen einer sogenannten Stiefkindadoption zu adoptieren und auf diese Weise die Elternschaft anerkennen zu lassen.
Bei heterosexuellen Paaren ist das anders: Da wird der Ehemann automatisch bei der Geburt als Vater anerkannt, ganz egal, ob er es biologisch wirklich ist. Auch bei unverheirateten Paaren kann die Vaterschaft relativ unproblematisch anerkannt werden.
Stärkung der Rechte von trans und intergeschlechtlichen Eltern
Diese Möglichkeit könnten zukünftig auch queere Paare haben: Der Antrag sieht nämlich vor, neben der gebärenden Person ihre Ehefrau rechtlich als Mutter anzuerkennen. Darüber hinaus soll es zukünftig möglich sein, dass „diese Form der Mutterschaft mit Zustimmung der gebärenden Mutter anerkannt und dass sie auf Antrag des Kindes, der gebärenden Mutter oder der nicht mit der Mutter verheirateten Frau gerichtlich festgestellt werden kann“.
Das würde bedeuten, dass auch unverheiratete queere Paare die Elternschaft rechtlich anerkennen lassen könnten, was bisher nicht möglich war. Darüber hinaus werden die Rechte von trans und intergeschlechtlichen Eltern in dem Antrag gestärkt. So heißt es etwa, dass Regelungen geprüft werden sollen, um „bei einer Änderung von Vornamen und Personenstand nach Geburt eines Kindes auf Antrag des trans- oder intergeschlechtlichen Elternteils dessen Name und Geschlecht im Geburtenregistereintrag des Kindes aktualisiert eintragen zu können“.
Bisher ist es nicht möglich den Vornamen oder den Personenstand nachträglich in der Geburtsurkunde der eigenen Kinder anzupassen. Mithilfe des Antrags soll außerdem die Mehrelternschaft rechtlich gestärkt werden.
„Dieser Zustand ist inakzeptabel“
„Die rechtliche Stellung der Mit-Mutter entspricht momentan eher der einer Babysitterin, denn einer Mutter. Und dieser Zustand ist inakzeptabel“, sagt Berlins Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) in dem Redemanuskript, das dem Tagesspiegel vorliegt. Die Stiefkindadoption sei für eine Familienkonstellation gedacht, in der Kinder aus einer früheren Beziehung in eine neue Partnerschaft eingegliedert werden sollten. Mit einer Regenbogenfamilie habe das rein gar nichts zu tun. „Oder anders formuliert: In der Ehe geborene Kinder sind keine Stiefkinder.“
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Behrendt kritisiert außerdem, dass die Stiefkindadoption eine „enorme Belastung für die Eltern und auch für die Kinder“ darstelle. Denn das Adoptionsverfahren birgt zahlreiche Hürden: Meist zieht sich die Adoption über mehrere Monate oder sogar Jahre und wird von den betroffenen Familien als belastend empfunden. Gerichte dürfen etwa Dokumente über die finanzielle Lage einfordern. Jugendämter besuchen die Familien regelmäßig, um Berichte über das Zusammenleben zu verfassen.
Kommt die Regierung den Gerichten zuvor?
Die rechtliche Benachteiligung geht in allererster Linie zu Lasten des Kindes: Während Kinder von heterosexuellen Ehepaaren automatisch zwei Elternteile haben und damit beispielsweise Unterhalt geltend machen können, fehlen Kindern aus Regenbogenfamilien die rechtlichen Absicherungen. Den Handlungsbedarf erkannten auch einige Politiker*innen, die in den vergangenen Jahren verschiedene Reformversuche initiiert haben. Diese Anläufe verliefen allerdings jedes Mal im Sand.
Zu Beginn des Jahres hat nun das Oberlandesgericht Celle im Fall der Familie Akkermann entschieden, dass das Abstammungsrecht die Grundrechte der Eltern und Kinder verletze und den Fall dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt. Die Akkermanns waren zuvor vor Gericht gezogen und hatten gegen die Diskriminierung im Abstammungsrecht geklagt. Das Berliner Kammergericht hatte kurz darauf in einem ähnlich gelagerten Fall genauso entschieden. Es scheint deshalb so, als sei es eher eine Frage der Zeit, bis das diskriminierende Abstammungsrecht reformiert wird. Ob die Politik einem Grundsatzurteil aus Karlsruhe zuvorkommt, wird maßgeblich davon abhängen, wie der Bundesrat am Freitag entscheidet.