Transfeindliche Tweets von J.K. Rowling: Bestsellerautorin zieht Wut von queeren Harry Potter-Fans auf sich
Erneut äußert sich die britische Schriftstellerin J.K. Rowling zu Genderfragen – Fans reagieren empört. Ein Blick auf die Argumente ihrer Kritiker*innen.
„Wenn wir träumen, betreten wir eine Welt die ganz und gar uns gehört“, sagt Albus Dumbledore in einem der „Harry Potter“-Bände. Besonders für queere Menschen kann diese Fantasiewelt dabei helfen, der oft nicht einfachen Realität für einen Moment zu entfliehen.
So schreibt etwa der Autor Jackson Bird in der „New York Times“, dass sowohl die Zauberwelt von Harry Potter als auch die Fancommunity ihm dabei geholfen hätten, sich als trans zu outen: „Es war diese Community von liebenden, leidenschaftlichen Menschen, die mich mit offenen Armen akzeptierten, als ich mich mit 25 Jahren als trans outete“.
Rowling hat ein beschränktes Verständnis des Frauenbegriffs
Mit neun Jahren habe er - wie viele Kinder in seinem Alter - davon geträumt, in die Zauberschule Hogwarts eingeladen zu werden. Erst durch Buchfiguren wie den Halbriesen Hagrid und den Werwolf Lupin habe er zu mehr Selbstakzeptanz gefunden.
Das zeigt, wie wichtig die Bücher von Joanne K. Rowling für viele Kinder und Jugendlichen sind. Denn darin werden Toleranz und bedingungslose Liebe großgeschrieben.
Diese Werte scheinen für die Autorin jedoch nur in der Zauberwelt und nicht in der Realität zu gelten. Denn bereits zum wiederholten Male hat die Bestsellerautorin sich transfeindlich geäußert. So teilte sie am 6. Juni auf Twitter einen Zeitungsartikel, in dem es um "menstruierende Menschen" geht und zog dabei die Formulierung ins Lächerliche: „Ich bin sicher, dass es früher ein Wort für diese Menschen gab. Kann jemand helfen?“
Das Wort, das Rowling offensichtlich suchte, war „Frauen“. Worauf sie zusätzlich durch ihre veralbernden Versuche der Begriffsfindung („Wumben? Wimpund? Woomud?“) hindeutete.
Was die Autorin dabei völlig übersieht: Nicht alle Frauen menstruieren, zum Beispiel trans Frauen. Andererseits sind nicht alle Menschen, die menstruieren, Frauen. Dazu gehören nicht-binären Personen und vor allem trans Männer, was beispielsweise im Zusammenhang mit Gesundheitsfragen von Belang sein kann.
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Die Gruppe der „menstruierenden Menschen“ kann also nicht mit "Frauen" gleichgesetzt werden. Dass Rowling für all das kein Verständnis aufbringt und inklusive Formulierungen lächerlich macht, empfinden viele aus der queeren Community als ignorant, inter- und transfeindlich.
Deshalb wird die 54-Jährige nun von Twitter User*innen, Organisationen und Aktivist*innen kritisiert. So schrieb der britische TV-Journalist Scott Brian: „Bitte sprich mit queeren Personen. Bitte.“
Und auch die US- amerikanische Gay & Lesbian Alliance Against Defamation (GLAAD) kritisierte Rowling öffentlich: „Wenn ihr eure berechtigte Wut über die neuesten Anti-Trans-Kommentare von J.K. Rowling in etwas Positives umlenken wollt, unterstützt Organisationen, die sich für schwarze trans Menschen einsetzen.“
Aufgrund zahlreicher ähnlicher Äußerungen reagierte Rowling mit weiteren Tweets. Darin behauptete sie, dass es ohne Geschlecht keine gleichgeschlechtliche Anziehung gäbe und die Lebensrealitäten von Frauen weltweit gelöscht würden: „Ich kenne und liebe trans Personen, aber das Konzept des Geschlechts zu löschen, hindert viele daran, sinnvoll über ihr Leben zu sprechen.“
Das sei kein Hass, sondern die Wahrheit, fügte sie hinzu. Eine absurde Behauptung, denn dadurch, dass trans Frauen ihre Identität leben, wird weder Geschlecht an sich negiert, noch irgendjemandes Lebensgeschichte gelöscht.
Rowling begibt sich mit ihrer Sichtweise in die gedankliche Nähe der sogenannten „TERFs“ (Trans-Exclusionary Radical Feminism“), also Menschen, die trans Frauen aus ihrem Verständnis von Frauen ausschließen. Die meisten TERFs bezeichnen sich selbst nicht als solche, sondern beispielsweise als „genderkritische Feminist*innen“. Es handelt es sich also um eine Zuschreibung von außen.
Autor Linus Giese hat es im Queerspiegel so erklärt: „Trans Männer sind für TERFs ‚biologische Frauen‘, die Opfer von Geschlechterstereotypen und Frauenfeindlichkeit werden: Um dem erdrückenden Patriarchat zu entkommen, werden sie körperliche Männer.“ Dahinter stehe ein Denken, das trans Menschen sprachlich unsichtbar mache, ihre Identität anzweifle oder ihnen obendrein ihre Existenz abspreche.
Die Autorin fühlt sich als "Feminazi" diffamiert
Auch Rowling bezeichnet sich selbst nicht als TERF. Das stellte sie auf Twitter klar: „‘Feminazi‘, ‚TERF‘, ‚Bitch‘, ‚Hexe‘. Zeiten ändern sich. Frauenhass ist ewig.“ Dabei ist es nicht das erste Mal, dass die Autorin durch transfeindliche Äußerungen auffällt.
Bereits vor zwei Jahren likte sie den Tweet eines bekannten transfeindlichen Aktivisten, der trans Frauen als „Männer in Kleidern“ diffamierte. Ihre Vertreter*innen nannten das später einen „ungeschickten middle-aged Moment“.
Im Dezember 2019 solidarisierte Rowling sich außerdem in den sozialen Netzwerken mit Maya Forstater. Diese hatte zuvor trans Frauen mehrfach ihre Geschlechtsidentität abgesprochen.
Daniel Radcliffe solidarisiert sich mit den Protesten
Den transfeindlichen Aussagen der Autorin setzte Harry-Potter-Darsteller Daniel Radcliffe nun Solidarität entgegen: In einem Blog-Eintrag des „Trevor Project“, einer gemeinnützigen Organisation, die sich für Suizidprävention von LGBTIQ* Menschen einsetzt, distanziert der 30-Jährige sich entschieden von Rowlings Behauptungen.
Auch wenn Rowling mit ihren Büchern maßgeblich für den Verlauf seines Lebens verantwortlich sei, fühle er sich gezwungen, in diesem Moment etwas zu sagen: „Transgender Frauen sind Frauen.“ Jedes gegenteilige Statement lösche die Identität und die Würde von trans Personen und sei darüber hinaus entgegen jeder Ratschläge von Expert*innen.
Auch die rassistischen Stereotype der Bücher kommen in den Blick
Anstatt ihre Identitäten für ungültig zu erklären oder ihnen weiteren Schmerz hinzuzufügen, sollten trans und nicht-binäre Menschen unterstützt werden. Radcliffe appelliert außerdem an die Leser*innen, sich ihre persönlichen Bucherlebnisse von den Äußerungen Rowlings nicht kaputt machen zu lassen: „Es tut mir sehr leid für den Schmerz, den diese Kommentare verursacht haben. Ich hoffe wirklich, dass ihr nicht alles, was in diesen Geschichten für euch wertvoll war, verliert.“ Niemand könne einem das, was die Bücher einen gelehrt und die Charaktere einem vorgelebt hätten, nehmen.
Zunehmend stehen auch die rassistische Stereotype in den "Harry-Potter"-Bänden in der Kritik, wie etwa die Figur der Cho Chang. Die aktuelle Debatte könnte deshalb dazu beitragen, das, was „in den Geschichten wertvoll war“ zu bewahren und zugleich Platz zu machen für neue kritische Lesarten der Bände.
Inga Hofmann
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