Online auf Partnersuche: Beim Dating können Schwule unheimlich abwertend sein
Als sich unser Autor, ein trans Mann, auf einem Datingportal für Männer anmeldet, erlebt er schlimme Diskriminierungen. Das hätte er innerhalb der queeren Community nie erwartet.
Die kanadischen Wissenschaftlerinnen Karen L. Blair und Rhea Ashley Hoskin veröffentlichten im Mai 2018 eine Studie, in der sie untersuchten, wie stark trans Frauen und trans Männer beim Dating diskriminiert werden. Für die Studie, die im Journal of Social and Personal Relationships erschien, befragten sie 958 cis Personen – also Menschen, die sich mit ihrem Geburtsgeschlecht identifizieren – mit wem sie sich ein Date vorstellen können. Die Befragten hatten folgende Auswahlmöglichkeiten: cis Mann, cis Frau, trans Mann, trans Frau und genderqueer – und sie konnten so viel ankreuzen, wie sie wollten.
Das Ergebnis: für nur zwölf Prozent der Teilnehmer*innen kommen trans Frauen und trans Männer für ein Date in Betracht. Als ich zum ersten Mal von dieser Studie hörte, erschütterte mich diese Zahl. Noch erschütternder ist es, wenn man genauer hinschaut: für die heterosexuellen Teilnehmer*innen der Studie kommen trans Frauen und Männer fast gar nicht in Frage. Nur 1,8% der teilnehmenden heterosexuellen Frauen können sich beispielsweise ein Date mit jemandem vorstellen, der trans ist.
Nur 1,8 Prozent der Hetero-Frauen können sich ein Date mit einem trans Mann vorstellen
Natürlich: Es handelt sich lediglich um eine einzelne Studie, mit einer nicht repräsentativen Anzahl an Teilnehmer*innen. Und doch war ich erst einmal traurig und verstört, als ich davon las. Ich bin ein trans Mann, ich bin also einer der Menschen, mit denen sich nur 1,8% der heterosexuellen Studienteilnehmerinnen ein Date vorstellen können.
Vor meinem Coming Out als trans Mann lebte ich acht Jahre lang mit einer Frau zusammen in einer lesbischen Partnerschaft. Nach meinem Coming Out war ich erst einmal alleine. Seitdem ich Testosteron bekomme, hat sich mein Leben verändert: meine Stimme ist tiefer geworden, meine Gesichtszüge kantiger und ich merke auch, wie sich mein Körperfett anders verteilt.
Eine Veränderung, die ich nicht erwartete: dass es da plötzlich eine ständige sexuelle Lust gibt. Wenn mich Freunde und Freundinnen nach den hormonellen Veränderungen fragen, sage ich häufig: „Ihr könnt euch das nicht vorstellen, aber ich bin ständig geil.“ Es klingt wie ein abgedroschenes Männerklischee. Ich fühle mich wie ein 13-jähriger Junge, der gerade mitten in der Pubertät steckt und sich und seine körperlichen Bedürfnisse neu entdeckt. Ich durfte das selbst nie erleben und habe genau genommen keine Ahnung davon, wie sich ein 13 Jahre alter Junge in der Pubertät fühlt, stelle mir das aber zumindest genauso vor.
Auf dem Datingportal gibt es schon beim Ausfüllen des Profils Probleme
Es ist jetzt ein paar Monate her, dass ich damit begonnen habe, zu daten. Die meisten meiner bisherigen Erfahrungen habe ich auf Planetromeo gesammelt, einer Onlineplattform für schwule und bisexuelle Männer. Wer trans ist, hat dort schon bei dem Ausfüllen des Profils Schwierigkeiten. Dass ich trans bin, kann ich nur unter dem Menüpunkt Sexuelle Orientierung eintragen – dort habe ich die Auswahl zwischen homosexuell, bisexuell und trans. Es ist keine Mehrfachnennung möglich und da beginnt schon die Problematik, denn trans zu sein hat nichts mit der eigenen Sexualität zu tun. Ich kann ein heterosexueller trans Mann sein, ein homosexueller trans Mann oder auch ein bisexueller trans Mann.
Als ich mich auf Planetromeo anmelde, muss ich erst einmal herausfinden, was diese ganzen Abkürzungen bedeuten: mich schreiben viele Männer an, die Lust auf TS oder TV haben – TS bedeutet Transsexuelle*r, TV bedeutet Transvestit. Manchmal werde ich auch gefragt, ob ich ein "she-male" bin. Auf Datingplattformen herrscht natürlich ein rauerer Ton, als anderswo, aber all diese Begriffe sind unglaublich abwertend, respektlos und für viele trans Menschen verletzend.
Eine Hitliste der häufigsten Nachrichten
Wenn ich eine Hitliste der häufigsten Nachrichten erstellen müsste, würde sie wie folgt aussehen:
• Ich stehe auf TS – ziehst du Damenwäsche für mich an?
• Was bedeutet trans? Hast du eine Vagina?
• Was bedeutet trans? Hast du einen Penis?
• Hallo Süße!
• Bist du operiert?
Das größte Problem auf Planetromeo ist, dass es vielen an Verständnis dafür fehlt, dass trans nicht automatisch trans Frau bedeutet. Obwohl durch meinen Nutzernamen klar ersichtlich werden sollte, dass ich ein trans Mann bin, können die meisten Gesprächspartner das nicht richtig einordnen.
Ist mein Gegenüber transfreundlich?
„Hast du dir die Brüste machen lassen?“
„Ich finde es nicht sehr weiblich, dass du dir deine Achseln nicht rasierst.“
„Was hast du mit deinem Penis gemacht? Hast du ihn wegoperieren lassen?“
"Möchtest du meine Stute sein?"
In dem Jahr seit meinem Coming Out habe ich mir viele Räume erkämpft, ich bin selbstbewusster geworden, ich stehe für mich ein. Doch beim Dating ist das anders. Wenn ich online date, muss ich mir ständig die Frage stellen, ob mein Gegenüber so transfreundlich ist, dass ich Lust habe, mehr Zeit mit ihm zu verbringen.
Schwule Männer können unglaublich diskriminierend sein
Ich habe diese Frage schon öfter falsch beantwortet, lag mit meiner Einschätzung daneben oder habe etwas akzeptiert, das ich nicht hätte akzeptieren dürfen. Ich gebe mich mit wenig zufrieden, um überhaupt etwas zu haben. Ich erinnere mich an ein Date, bei dem ich immer wieder gutes Mädchen genannt wurde – bis ich protestierte und sagte, dass ich doch ein Mann bin. Ich habe vorher nicht damit gerechnet, weil ich glaubte, dass wir alle Teil einer Community sind, aber schwule Männer können unglaublich diskriminierend und abwertend sein.
Auf Planetromeo werde ich misgendert, verspottet und beschimpft. Schon unzählige Male wurde ich als Freak bezeichnet, oder werde Schlampe genannt. Wenn Männer mir ein Kompliment machen wollen, sagen sie, dass ich das beste aus zwei Welten anbiete, weil ich zwei Löcher habe. Schlimmer als die Beschimpfungen, ist jedoch die Tatsache, dass es einen Ort gibt, von dem ich so gern ein Teil sein würde, an dem ich jedoch nicht gesehen und akzeptiert werde. Wenn mich ein Mann anschreibt, frage ich meist sofort zurück: Hast du gesehen, dass ich trans bin? Und in den meisten Fällen antwortet der Mann dann: Ja klar, ich steh da voll drauf - ich bin bisexuell und mag auch Frauen.
Nicht akzeptiert werden lässt mich verzweifeln
Es fällt mir schwer, Worte zu finden, mit denen ich verständlich machen kann, wie abwertend und entwertend, sich solche Sätze anfühlen. Ich bin ein Mann. Auch wenn unter meiner Kleidung noch Brüste und eine Vagina sind, bin ich ein Mann und möchte auch bei Dates und in Beziehungen als Mann gesehen und akzeptiert werden. Ich fühle mich häufig einsam, ängstlich und wertlos. Nicht akzeptiert zu werden, lässt mich verzweifeln. Nicht gesehen zu werden, macht mich stumm. Kürzlich habe ich gelesen, dass trans Menschen sehr viel öfter Gefahr laufen, Gewalt in Beziehungen zu erleben, weil sie aus Angst davor, alleine zu bleiben, etwas akzeptieren, dass sie nicht verdienen.
Ich habe mich von Planetromeo abgemeldet, es tut mir gerade zu sehr weh, dort weiter zu suchen. Was ich mir wünschen würde: dass Unternehmen wie Planetromeo, ihre Plattformen sicherer und zugänglicher für trans Menschen machen - ich existiere und möchte auf einer Plattform auch auswählen können, wer ich bin. Vielleicht bleibe ich einfach noch eine Weile alleine. Ein trans Mann zu sein, bedeutet für mich, dass ich mich behaupten muss und dass ich kämpfen muss. Um Anerkennung, Sichtbarkeit, Akzeptanz, Räume. Ich muss um mein Geschlecht kämpfen, und darum, dass aus mir nicht etwas gemacht wird, was ich nicht bin. Die Frage, ob ich jemals für eine potentielle Partnerin oder einen potentiellen Partner derjenige werde sein können, als den ich mich selbst sehe, lässt mich oft nachts wach liegen. Ich hoffe, ich werde sie irgendwann mit ja beantworten.
+ + + Der Queerspiegel-Newsletter des Tagesspiegel - hier geht es zur Anmeldung.+ + +
Linus Giese
- bbbbbb
- Brandenburg neu entdecken
- Charlottenburg-Wilmersdorf
- Content Management Systeme
- Das wird ein ganz heißes Eisen
- Deutscher Filmpreis
- Die schönsten Radtouren in Berlin und Brandenburg
- Diversity
- Friedrichshain-Kreuzberg
- Lichtenberg
- Nachhaltigkeit
- Neukölln
- Pankow
- Reinickendorf
- Schweden
- Spandau
- Steglitz-Zehlendorf
- Tempelhof-Schöneberg
- VERERBEN & STIFTEN 2022
- Zukunft der Mobilität