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"Königreich Deutschland" steht auf der Heckscheibe eines Autos in Dessau-Roßlau.
© picture alliance / dpa

"Reichsbürger": Wutbürger eigener Art

Wer würde sich nicht gern auf höheres Völkerrecht berufen, wenn der Gerichtsvollzieher vor der Tür steht? Die "Reichsbürger" aber sind inzwischen zu Wutbürgern eigener Art mutiert - und erinnern irgendwie an den IS. Eine Glosse.

Eine Glosse von Lars von Törne

Ab und zu ploppt im Nachrichtengeschäft ein Wort auf, man hält inne und fragt: „Hä?“ Ein solches Wort ist „Hafensänger“. Obwohl es nach seriösen Internetquellen bereits über ein Jahrzehnt aktuell ist, drängt es erst jetzt nach oben, weil es zum aktiven Wortschatz vieler „Reichsbürger“ gehört, die sich aus der Bundesrepublik abgemeldet haben – einer von ihnen ist Adrian U., Ex-Mister-Germany, der jetzt bei der Räumung seines Hauses in einer Schießerei mit der Polizei verletzt wurde.

Hafensänger, so lässt sich aus der Beschimpfung der Polizisten schließen, sind verwandt mit den bewährten „Armleuchtern“ und mit Dieter Bohlens „Vollpfosten“; der Begriff erinnert an Betrunkene, die sich nach dem Puffbesuch an der Laterne festhalten und laut grölen, Komplettversager mithin. Ein weiteres Synonym, auch gern genutzt unter Reichsbürgern, lautet „Nasenbären“.

Nun klingt das ja alles ganz lustig, und wenn jemand meint, er sei sein eigener Staat, die Erde eine Scheibe und er persönlich nur Kaiser Wilhelm und dessen Nachfahren untertan, dann kann er das ja sagen, wir leben in einer Demokratie. Interessant ist aber, dass dann auch immer gleich wüste Verschwörungstheorien beigefügt werden, die auf die sattsam bekannte jüdische Weltherrschaft hinauslaufen und das ganze irre Konstrukt als rechtsradikalen Mummenschanz kenntlich machen.

Natürlich: Wer würde sich nicht gern auf höheres Völkerrecht berufen, wenn die Hypotheken in die Grütze gegangen sind und der Gerichtsvollzieher vor der Tür steht? Aber neu sind die Aggressionen, die sich massiv gegen allerhand Beamte richten, losgelassen von Personen, die ihre Arschloch-Pose offenbar auch noch voll legitim finden, Wutbürger eigener Art.

Auch wenn das etwas ganz anderes ist: Mich erinnert das irgendwie an den IS, dessen angeblich muslimischer Überbau im Grunde auch nur eine Legitimation liefert für den Abschaum der Welt und seine Gewaltfantasien. Wahnsinn braucht ein Dach, braucht eine theoretische Basis, auf deren Grundlage er Mitglieder gewinnt und die ihm die Texte liefert, mit denen die Welt zugeschwallt werden soll. Wir haben es hier offenbar keineswegs nur mit Hafensängern und Nasenbären zu tun.

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