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Im eigenen Heim sollte man private Dinge vom Arbeitsplatz verbannen, raten Experten: Die Konzentration fällt dann leichter.
© Daniel Naupold/dpa

Neue Arbeitsbedingungen in der Coronakrise: Worauf man im Alltag mit Homeoffice achten sollte

Wegen der Ansteckungsgefahr durch das Coronavirus arbeiten immer mehr Menschen zu Hause. Nicht jedem fällt das leicht.

Das Coronavirus zwingt immer mehr Unternehmen, ihre Mitarbeiter nach Hause ins Homeoffice zu schicken. In den eigenen vier Wänden ist die Ansteckungsgefahr deutlich geringer. Doch die Möglichkeit, zu Hause arbeiten zu können, bietet nicht jede Firma an.

Das verunsichert vor allem Arbeitnehmer, die weiterhin ins Büro müssen. Ein Recht auf Homeoffice gibt es bisher nicht, sagt Rechtsanwalt Simon Felsmann, Experte für Arbeitsrecht. Gibt es entsprechende Regelungen im Arbeits- oder Tarifvertrag, ist es den Beschäftigten oftmals freigestellt, von zu Hause aus arbeiten zu können. Solange es die nicht gibt, müssen Mitarbeiter weiter im Büro erscheinen.

„Homeoffice und mobiles Arbeiten ist immer noch ein Privileg für wenige“, kritisiert die Grünen-Bundestagsabgeordnete Beate Müller-Gemmeke. Ihre Fraktion im Bundestag forderte erst am Donnerstag ein Recht auf Homeoffice für alle. Denn das Arbeiten von zu Hause biete zahlreiche Vorteile, wie weniger Stress, mehr Selbstbestimmung und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, so Müller-Gemmeke.

In Zeiten einer Corona-Epidemie kann das Homeoffice ein Gefühl von Sicherheit vermitteln. Doch auch hier gilt bislang: Gibt es keine Regelung im Unternehmen zur Heimarbeit, wird es schwierig. „Angst vor einer Ansteckung alleine begründet kein Homeoffice“, sagt Felsmann. „Der Arbeitgeber ist im Zweifel berechtigt, die Vergütung zu verweigern, wenn man unentschuldigt zu Hause bleibt.“ Gibt es aber einen Mitarbeiter im Unternehmen, der mit dem Coronavirus infiziert ist, können die Gesundheitsbehörden anordnen, dass nur noch von daheim aus gearbeitet wird.

Ein ergonomischer Albtraum

Der Arbeitgeber muss in diesem Fall dafür sorgen, dass seine Mitarbeiter so ausgestattet sind, dass sie von ihrer Wohnung aus mit der entsprechenden Bürotechnik arbeiten können. Im Homeoffice ist die Infrastruktur aus dem Büro aber oftmals nicht vorhanden. Deswegen ist es grundsätzlich schwieriger, sich in den Arbeitsmodus zu versetzen.

Die wenigsten Angestellten hätten außerdem Schreibtische mit externem Bildschirm und externer Tastatur zu Hause, sagt Hartmut Schulze. Er ist Professor für Arbeitspsychologie an der Fachhochschule Nordwestschweiz und forscht zum Homeoffice. Stattdessen werde zu Hause häufig mit dem Laptop vom Küchentisch oder der Couch gearbeitet – ein ergonomischer Albtraum, der in Rückenschmerzen und Verspannungen resultiert. Auch zu Hause sollte man auf eine gute Haltung achten, um körperliche Probleme vorzubeugen, so Schulze.

Arbeitnehmer müssen sich zudem auch zu Hause an Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse sowie datenschutzrechtliche Vorschriften halten, sagt Arbeitsschutzexperte Felsmann. Ein Beispiel sind sensible Materialien, wie Akten, die mit nach Hause gebracht werden. Mitarbeiter müssen mit diesen Daten aufmerksam umgehen und sie nicht einfach offen im Wohnzimmer herumliegen lassen.

„Crashkurs“ in Sachen Homeoffice

„Corona ist eine ganz neue Situation, die wir so in der bundesdeutschen Geschichte noch nicht hatten“, sagt Felsmann. Er glaubt, dass die erzwungene Auseinandersetzung mit dem Homeoffice in den Firmen Nachwirkungen haben wird. „Da werden dann gewisse arbeitsrechtliche Grundsätze unter dem Eindruck von Corona noch mal neu betrachtet werden.“

Für die Firmen sei das ein „Crashkurs“ in Sachen Homeoffice, stimmt Schulze zu. Oft seien die Angestellten nicht auf die Arbeit von zu Hause vorbereitet worden. Gerade deshalb sei es wichtig, regelmäßig virtuelle Jour fixe zu veranstalten, um sich abzusprechen. „Gerade, wenn man zu Hause sitzt und den alltäglichen Kontakt zu Kollegen und Vorgesetzten nicht mehr hat, ist es wichtig, regelmäßig Feedback einzufordern und zu erhalten, um sich in der eigenen Arbeit orientieren und Wertschätzung erhalten zu können“, sagt Schulze.

Dass viele Firmen ihre Angestellten wegen des Coronavirus überstürzt ins Homeoffice schicken, hält der Arbeitspsychologe für schwierig. Für ihn steht fest: Wenn Kinder oder Angehörige, die man pflegen muss, zu Hause sind, ist das ein absolutes No-Go für die Produktivität im Homeoffice. Denn dann sei die Grenze zwischen beruflichem und privatem besonders schwer zu ziehen. Das gilt allerdings auch für Arbeitnehmer, die langfristig mehr als drei Tage in der Woche von zu Hause arbeiten. Familie, Homeoffice und Freizeit blenden dann ineinander über, erklärt Schulze. Das kann zu Stresssymptomen führen, weil Arbeitnehmer nicht mehr abschalten können.

Heimarbeit birgt Risiken

Auch eine Studie des Wissenschaftlichen Instituts der AOK Krankenkassen von 2019 weist auf die psychischen Risiken der Heimarbeit hin: Erschöpfung, Schlafprobleme und Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren. Das liegt laut Arbeitspsychologen Schulze auch an fehlenden Ritualen. „Wenn jemand öfter bis spät in die Nacht von zu Hause arbeitet und morgens trotzdem wieder früh rausmuss, kann dies zu Einschlafproblemen führen oder man wacht nachts auf“, sagt Schulze. Deshalb sei es wichtig, einen eigenen Platz zum Arbeiten zu haben, an dem man bewusst die Grenze vom Privaten zur Arbeit übertreten kann.

Nicht jeder ist dafür geeignet, im Homeoffice zu arbeiten. Wer sich schwertut, kann versuchen, Rituale aus dem Arbeitsalltag fortzuführen. Auf die morgendliche Routine sollte man nicht verzichten – eben keine Mails im Schlafanzug beantworten, sondern duschen, frühstücken und sich so verhalten, als würde man ins Büro gehen. Auch am eigenen Schreibtisch telefoniert es sich dynamischer und professioneller, wenn die Haare gekämmt sind. Außerdem sollte man private Dinge vom Arbeitsplatz verbannen, die Konzentration fällt dann leichter.

Feste Arbeitszeiten können zudem helfen, produktiv zu sein. Wenn die Arbeitszeiten fest im Vertrag stehen, sind sie laut Felsmann in den eigenen vier Wänden sogar vorgeschrieben. Das erlaube Arbeitgebern allerdings nicht, die eigenen Mitarbeiter zu überwachen. Die eigene Wohnung gehöre zur Privatsphäre.

Wichtig für das Homeoffice sind auch die informellen Gespräche zwischen Kollegen. Arbeitet man nur alleine zu Hause und hat auch keinen regelmäßigen virtuellen Austausch, könne das zu sozialer Isolation führen. Dann sinke die Produktivität, man fühle sich einsam und verfalle leichter in depressive Stimmungen, erklärt Schulze. Er schlägt deshalb vor, sich etwa zum virtuellen Kaffeetrinken zu verabreden. Diese Kontakte seien eine wichtige Ressource gegen Stress.

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