Silk-Road-Prozess in New York: Wer ist Unterwelt-Boss „DPR“?
Boss der digitalen Unterwelt oder harmloser Ex-Pfadfinder? Die US-Regierung hält Ross Ulbricht für den Kopf des Online-Schwarzmarkts „Silk Road“ - Familie und Unterstützer beteuern seine Unschuld. Kann der Prozess in New York die entscheidenden Fragen klären?
Drogen, Waffen, Verschwörung und verdeckte Ermittler - der Prozess um den im Herbst 2013 geschlossenen Online-Handelsplatz Silk Road und sein angebliches Mastermind Ross Ulbricht hat gerade erst begonnen, aber bereits das Zeug zum Hollywood-Blockbuster. In den kommenden Wochen muss einiges geklärt werden: War Ulbricht wirklich Betreiber der als „Ebay für Drogen“ zu zweifelhaftem Ruhm gelangten Plattform? Welche Rolle spielen Undercover-Agenten und undurchsichtige Ermittlungsmethoden? Und was hat Bitcoin-Mogul Mark Karpeles damit zu tun?
„Dread Pirate Roberts“ - kurz: „DPR“
Ross Ulbrichts Familie sieht mitgenommen aus. Seit Prozessauftakt am vergangenen Dienstag verbringt sie jeden Verhandlungstag zwischen Hoffen und Bangen im 15. Stock des Bezirksgerichts von Manhattan. 500 Pearl Street - hier wurde schon Mafiapate John Gotti verurteilt. Glaubt man der US-Regierung und ihren Ermittlern, so war auch Ulbricht eine Art Unterweltboss. Die Anklage wirft ihm vor, Anführer in einer Verschwörung zum Handel von Drogen, Waffen und diversen anderen illegalen Dingen im Internet gewesen zu sein.
Der Prozess dreht sich bislang um eine Frage: Ist Ulbricht wirklich „Dread Pirate Roberts“ - kurz: „DPR“ - der Kopf von Silk Road? Vor Gericht zeigt sich ein erschöpfter 30-Jähriger, an dem das Verfahren zehrt. Blass, tief hängende Mundwinkel, so kauert der Angeklagte neben seinem Anwalt Joshua Dratel. Die Verteidigung hat eingeräumt, dass Ulbricht Silk Road aufgebaut hat. Danach habe er sich jedoch rasch zurückgezogen und keine Verantwortung mehr getragen. Das zu beweisen, wäre allerdings ein Kunststück.
Die US-Regierung hat weder Kosten noch Mühen gescheut, um Silk Road auszuheben (zumindest das Original, Nachahmerseiten sind bis heute nicht totzukriegen). Eine wichtige Rolle dabei spielte Special Agent Jared Der Yeghiayan. Er unterhielt als verdeckter Ermittler bis zu 18 Nutzerkonten bei Silk Road und schaffte es bis zum Administrator, der dem Ober-Boss „DPR“ zuarbeitete. Über zwei Jahre habe er Tausende von Stunden auf der Plattform verbracht, sagt Der-Yeghiayan vor Gericht.
Die Beweislage scheint erdrückend
Im Oktober 2013 schnappt die Falle zu: Der-Yeghiayan lockt Ulbricht unter einem Vorwand in einen Chat im Foren-Bereich von Silk Road und überführt ihn mutmaßlich durch eine markierte E-Mail, die dem Ermittler zufolge nur der wahre „DPR“ erkennen konnte. Die Einsatzkräfte nehmen Ulbricht in einer Bibliothek fest, beschlagnahmen seinen Laptop und durchsuchen seine Wohnung in San Francisco. „Sie haben ihn auf frischer Tat ertappt“, sagt ein Prozessbeobachter. Die Beweislage scheint tatsächlich erdrückend, doch es bleiben Fragen ungeklärt.
Kritisch sehen Beobachter, dass das FBI nicht offenlegt, mit welchen Methoden es die Server von Silk Road ausfindig gemacht hat. Sollten die Ermittler - wie Ulbrichts Anwälte behaupten - illegale Tricks verwendet haben, könnte die Klage daran scheitern. Bislang konzentriert sich die Verteidigung aber vor allem darauf, Zweifel zu sähen, ob Ulbricht wirklich „DPR“ ist. Als Der-Yeghiayan im Kreuzverhör ausplaudert, auch Mark Karpeles, den Geschäftsführer der einst größten und inzwischen insolventen Bitcoin-Börse Mt.Gox im Verdacht gehabt zu haben, ist das ein gefundenes Fressen.
Etliche Geheimagenten waren im Einsatz
Ulbrichts Anwalt Dratel deutet nebulös einen möglichen Deal mit dem FBI an. Hat Karpeles Ulbricht ans Messer geliefert, um strafrechtlichen Konsequenzen der Mt.Gox-Pleite zu entgehen, bei der Bitcoins im Millionenwert verloren gingen? Fest steht nur, dass gegen mindestens zwei andere Verdächtige ermittelt wurde, bevor Ulbricht ins Visier der Fahnder geriet. Und dass neben Der-Yeghiayan noch etliche andere Geheimagenten im Einsatz waren.
Einer von ihnen soll sich gegenüber Ulbricht sogar als Auftragskiller ausgegeben und ihm vorgegaukelt haben, für 40 000 Dollar einen unbequemen Silk-Road-Admin aus dem Weg geräumt zu haben. Die Anekdote bildet den absurden Höhepunkt in einem auch sonst recht skurrilen Verfahren. Das Pseudonym „Dread Pirate Roberts“ stammt aus dem Film „The Princess Bride“ von 1987 und steht dort für einen Charakter ohne klare Identität. Silk Roads „DPR“ sagte dem Magazin „Forbes“ im Juli 2013: „Ich habe Silk Road nicht gestartet, es war mein Vorgänger“. (dpa)